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Der Weg führte durch den Wald; wir mussten nicht sehr weit laufen, trotzdem vermisste ich schmerzlich den Himmel über mir. Das grüne Licht, das durch die Blätter fiel, bildete einen eigenartigen Kontrast zum unbeschwerten Gelächter um mich herum; es war zu trüb und zu abgründig, um im Einklang mit den sorglosen Späßen zu stehen. Ich achtete auf jeden meiner Schritte, wich mit den Füßen den Wurzeln und mit dem Kopf den niedrigen Ästen aus und blieb schnell ein Stück hinter den anderen zurück. Schließlich trat ich aus der smaragdgrünen Enge des Waldes ins Freie und fand mich erneut an der felsigen Küste wieder. Es war Ebbe, und vor uns floss ein Flutwasserbach zurück ins Meer. Sein Kieselufer wurde von flachen Becken gesäumt, aus denen das Wasser nie vollständig ablief; darin wimmelte es von Leben.

Ich gab darauf Acht, mich nicht zu weit über die kleinen Meerwasserteiche zu beugen. Die anderen waren wagemutiger, sprangen von Stein zu Stein und ließen sich bedenklich nahe an den Rändern nieder. Ich fand einen sehr solide wirkenden Felsen an einem der größten Becken, auf den ich mich vorsichtig setzte, fasziniert vom Anblick des natürlichen Aquariums zu meinen Füßen. Büschel von Seeanemonen wiegten sich unaufhörlich in der unsichtbaren Strömung, spiralförmige Muscheln huschten an den Rändern entlang und verbargen die Krabben in ihrem Innern, Seesterne hingen bewegungslos an Steinen oder aneinander, ein kleiner schwarzer Aal mit weißen Streifen schlängelte sich durch leuchtend grüne Algen und wartete auf die Rückkehr des Meeres. Ich war völlig versunken, nur ein kleiner Teil meines Gehirns war beständig mit der Frage beschäftigt, was Edward wohl gerade machte und was er sagen würde, wenn er hier bei mir wäre.

Irgendwann bekamen die Jungs Hunger, und ich erhob mich mit steifen Gliedern, um mit ihnen den Rückweg anzutreten. Dieses Mal versuchte ich Schritt zu halten und fiel natürlich prompt einige Male hin. Meine Handflächen waren ein bisschen aufgeschürft, und meine Jeans waren an den Knien grün gefleckt, aber es hätte schlimmer kommen können.

Als wir zurück zum Strand kamen, hatte die Gruppe Zuwachs erhalten. Schon aus einiger Entfernung sahen wir die glänzenden, glatten schwarzen Haare und die kupferfarbene Haut der Neuankömmlinge – Teenager aus dem Reservat, die gekommen waren, um uns Gesellschaft zu leisten. Das Essen wurde bereits herumgereicht, und die Jungs beeilten sich, um nicht zu kurz zu kommen; währenddessen stellte Eric uns vor. Ich war die Letzte, die an die Feuerstelle trat, und als Eric meinen Namen nannte, bemerkte ich einen Jungen, der etwas jünger aussah als der Rest; er saß auf einem Stein neben dem Feuer und schaute interessiert zu mir hoch. Ich setzte mich zu Angela, Mike brachte uns Sandwiches und eine Auswahl an Getränken, und der offensichtlich älteste der Neuankömmlinge ratterte die Namen seiner sieben Begleiter herunter. Ich bekam nur mit, dass unter ihnen ebenfalls eine Jessica war und dass der Junge, der mich angeschaut hatte, Jacob hieß.

Es war angenehm, neben Angela zu sitzen; sie hatte so eine ruhige Art und musste nicht jeden Moment der Stille mit Geplauder füllen. Wir aßen, und ich konnte meinen Gedanken nachhängen. Ich dachte darüber nach, wie unterschiedlich schnell hier in Forks die Zeit verstrich – mal verschwammen ganze Wochen in meiner Wahrnehmung, und nur einzelne Bilder traten klar aus ihnen hervor, mal war jede Sekunde wichtig und brannte sich in mein Gedächtnis ein. Den Grund dafür kannte ich ganz genau, und er beunruhigte mich.

Während des Essens zogen allmählich die Wolken vom Horizont herauf; sie schwebten vor dem blauen Himmel heran, schoben sich zeitweise vor die Sonne, warfen lange Schatten auf den Strand und verdunkelten die Wellen. Als alle gegessen hatten, zerstreute sich die Gruppe – man fand sich zu zweit oder zu dritt zusammen und ging seiner Wege. Einige liefen zum Wasser hinunter und versuchten Steine über die Wellen hüpfen zu lassen. Andere versammelten sich, um ihrerseits zu den Gezeitenbecken zu gehen. Mike machte sich – mit Jessica als seinem Schatten – auf den Weg zum einzigen Laden, den es im Dorf gab. Einige der Einheimischen gingen mit ihm, andere schlossen sich der Expedition zu den Becken an. Als schließlich alle unterwegs waren, saß ich allein auf meinem Stück Treibholz, während Lauren und Tyler sich mit dem CD-Player beschäftigten, den irgendjemand mitgebracht hatte. Drei Teenager aus dem Reservat saßen mit im Kreis, unter ihnen der Junge, der Jacob hieß, und der Älteste, der als ihr Wortführer aufgetreten war.

Ein paar Minuten nachdem Angela mit zu den Gezeitenbecken aufgebrochen war, schlenderte Jacob zu mir rüber und setzte sich auf ihren Platz. Er sah aus wie vierzehn, vielleicht auch fünfzehn, und hatte lange Haare, die im Nacken von einem Gummiband zusammengehalten wurden. Seine Haut war schön – glatt und rostbraun; die Augen waren dunkel und saßen oberhalb der hohen Backenknochen tief in ihren Höhlen. Seine Kinnpartie hatte ihre kindlichen Rundungen noch nicht völlig abgestreift. Insgesamt ein sehr hübsches Gesicht. Dann allerdings machte er mit seiner ersten Frage den ganzen positiven Eindruck mit einem Schlag zunichte.

»Du bist Isabella Swan, oder?«

Es war, als ginge der erste Schultag noch einmal von vorne los.

»Bella«, seufzte ich.

»Ich bin Jacob Black«, sagte er und reichte mir freundschaftlich seine Hand. »Dein Transporter hat vorher meinem Dad gehört.«

»Oh«, sagte ich erleichtert und schüttelte seine schmale Hand. »Du bist Billys Sohn. Wahrscheinlich sollte ich mich an dich erinnern.«

»Nein, ich bin der Jüngste in der Familie – du erinnerst dich wahrscheinlich eher an meine älteren Schwestern.«

»Rachel und Rebecca!« Plötzlich war die Erinnerung wieder da. Charlie und Billy hatten uns drei bei meinen Besuchen in Forks oft zusammengebracht, damit wir uns nicht langweilten und sie in Ruhe angeln konnten. Wir waren aber zu schüchtern, um uns richtig anzufreunden. Und als ich dann elf war, hatte ich oft genug schlechte Stimmung verbreitet – und das war das Ende der Angelausflüge.

»Sind sie auch hier?« Ich schaute zu den Mädchen unten am Wasser hinüber und fragte mich, ob ich sie erkennen würde.

»Nein.« Jacob schüttelte den Kopf. »Rachel hat ein Stipendium von der Washington State bekommen, und Rebecca hat einen samoanischen Surfer geheiratet und lebt jetzt auf Hawaii.«

»Verheiratet. Wow.« Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Zwillinge waren gerade mal ein gutes Jahr älter als ich.

»Und, gefällt dir der Transporter?«, fragte er.

»Ich find ihn großartig. Er läuft super.«

»Schon, aber er ist echt langsam«, erwiderte er lachend. »Ich war heilfroh, als Charlie ihn gekauft hat. Mein Dad hat mir nämlich nicht erlaubt, an einem anderen Auto zu basteln, solange eins vor der Tür stand, an dem es seiner Meinung nach rein gar nichts auszusetzen gab.«

»So langsam ist er nun auch nicht«, warf ich ein.

»Hast du schon mal versucht, schneller als sechzig Meilen pro Stunde zu fahren?«

»Das nicht«, gab ich zu.

»Ist auch besser so.« Er grinste.

Ich musste auch grinsen. »Er ist prima bei Unfällen«, verteidigte ich den Transporter.

»Das auf jeden Fall – ich glaub, selbst ein Panzer könnte ihn nicht plattmachen«, stimmte er lachend zu.

»Und du baust selber Autos zusammen?«, fragte ich beeindruckt.

»Wenn ich Zeit habe. Und die nötigen Ersatzteile. Du weißt nicht zufällig, wo ich einen Hauptbremszylinder für einen 86er VW Käfer kriegen kann?«, fügte er spaßeshalber hinzu. Er hatte eine angenehm raue Stimme.

»Tut mir leid«, sagte ich lachend, »in letzter Zeit hab ich keinen gesehen, aber ich halt die Augen offen.« Als ob ich wüsste, wie so etwas aussah. Es war unheimlich leicht, sich mit ihm zu unterhalten.