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Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln und musterte mich auf diese bewundernde Art, die mir langsam vertraut wurde. Ich war nicht die Einzige, der das auffiel.

»Du kennst Bella, Jacob?«, fragte Lauren – in einem, wie ich fand, überheblichen Tonfall – von der anderen Seite des Feuers.

»Eigentlich kennen wir uns, seit ich geboren wurde«, erwiderte er gutgelaunt und lächelte mich erneut an.

»Wie schön.« Sie klang, als ob sie das alles andere als schön fand, und kniff ihre blassen, trüben Augen zusammen.

»Bella«, fuhr sie fort und beobachtete aufmerksam mein Gesicht. »Tyler und ich dachten gerade, dass es eigentlich schade ist, dass niemand von den Cullens heute dabei ist. Warum ist eigentlich keiner auf die Idee gekommen, sie einzuladen?«, fragte sie, doch es klang verlogen.

»Du meinst die Familie von Dr. Carlisle Cullen?«, fragte – sehr zu Laurens Verdruss

– der ältere Junge, noch bevor ich etwas erwidern konnte. Er war fast schon erwachsen, und seine Stimme war sehr tief.

»Ja, kennst du sie?«, fragte sie herablassend und wandte sich ihm halb zu.

Er ignorierte ihre Frage. »Die Cullens kommen nicht hierher«, sagte er in einem Ton, der das Thema beendete.

Um Laurens Aufmerksamkeit wiederzugewinnen, fragte Tyler sie nach ihrer Meinung zu einer CD, die er in der Hand hielt. Das lenkte sie ab.

Überrascht musterte ich den Jungen mit der tiefen Stimme, doch sein Blick war auf den Wald in unserem Rücken gerichtet. Er hatte gesagt, dass die Cullens nicht hierherkamen, doch sein Ton hatte noch etwas anderes zum Ausdruck gebracht – dass sie nicht durften, dass es ihnen nicht gestattet war hierherzukommen. Sein Auftreten hinterließ ein komisches Gefühl bei mir, das ich zu ignorieren versuchte, doch ohne Erfolg.

»Und, treibt dich Forks schon in den Wahnsinn?«, fragte Jacob und holte mich aus meiner Versunkenheit.

»Oh, ich würde sagen, das ist noch untertrieben.« Ich verzog mein Gesicht, und er grinste mitfühlend.

Die Bemerkung über die Cullens ging mir nicht aus dem Sinn, und plötzlich hatte ich eine Idee. Eine ziemlich blöde Idee, aber was Besseres fiel mir nicht ein. Ich hoffte, dass Jacob noch zu unerfahren mit Mädchen war, um meinen ganz sicher erbarmungswürdigen Flirt-Versuch zu durchschauen.

»Wollen wir ein bisschen am Strand spazieren gehen?«, fragte ich und versuchte Edwards Verführerblick – aus gesenkten Augen nach oben blinzeln – zu imitieren. Er konnte unmöglich auch nur annähernd dieselbe Wirkung haben, aber immerhin sprang Jacob bereitwillig auf.

Während wir über die vielfarbigen Steine in nördlicher Richtung liefen, auf den Uferdamm aus Treibholz zu, zogen sich über uns die Wolken endgültig zu einer geschlossenen Decke zusammen. Das Meer verdunkelte sich, die Temperatur sank, und ich schob meine Hände tief in die Taschen meiner Jacke.

»Wie alt bist du eigentlich – so sechzehn?«, fragte ich. Ich versuchte, meine Augenlider so flattern zu lassen, wie ich das bei Mädchen im Fernsehen gesehen hatte, und dabei keinen allzu dämlichen Anblick abzugeben.

»Ich bin gerade fünfzehn geworden«, erwiderte er geschmeichelt.

»Ehrlich?«, fragte ich mit gespielter Überraschung. »Ich hätte gedacht, du bist älter.«

»Ich bin groß für mein Alter«, erklärte er.

»Bist du öfter mal in Forks?«, fragte ich, als hoffte ich auf eine positive Antwort. Ich kam mir idiotisch vor und rechnete jeden Augenblick damit, dass er mich durchschaute und wütend von dannen zog. Vorerst jedoch schien er geschmeichelt zu sein.

»Leider nicht«, erwiderte er geknickt. »Aber wenn mein Auto erst mal fertig ist, kann ich so oft kommen, wie ich will. Das heißt, sobald ich meinen Führerschein hab.«

»Wer ist eigentlich der andere Junge, mit dem Lauren gesprochen hat? Er kam mir schon ein bisschen zu alt vor, um mit uns rumzuhängen.« Ich sortierte mich absichtlich bei den Jüngeren ein.

»Das ist Sam, der ist neunzehn«, erklärte er.

»Ich hab das gar nicht so richtig mitbekommen – was hat er noch mal über die Cullens gesagt?«, fragte ich beiläufig.

»Die Cullens? Sie sind nicht erwünscht im Reservat«, bestätigte er, was ich auf Grund von Sams Tonfall bereits vermutet hatte. Während er sprach, wandte er seinen Blick ab und schaute aufs Meer hinaus, in Richtung James Island.

»Warum denn nicht?«

Er blickte mich wieder an und biss sich auf die Lippe. »Ich weiß nicht – eigentlich darf ich darüber nicht reden.«

»Ich erzähl’s nicht weiter, ich bin bloß neugierig.« Ich versuchte mich an einem verführerischen Lächeln und hoffte, dass ich nicht zu dick auftrug.

Doch er erwiderte mein Lächeln – es sah aus, als hätte er angebissen. Er zog eine Augenbraue hoch und ließ seine Stimme noch etwas rauer klingen als zuvor.

»Stehst du auf Schauergeschichten?«, fragte er raunend.

»Und wie!«, sagte ich und strahlte ihn an.

Jacob ging zu einem Treibholzbaum, dessen Wurzeln wie die hageren Beine einer riesenhaften, bleichen Spinne abstanden. Er lehnte sich gegen eine der bizarr geformten Wurzeln, ich setzte mich vor ihm auf den Baumstamm. Er starrte auf die Steine zu seinen Füßen; um seine Lippen spielte ein Lächeln. Ich sah ihm an, dass er sich Mühe geben würde mit seiner Geschichte, und konzentrierte mich darauf, mir mein enormes Interesse nicht anmerken zu lassen.

»Kennst du dich ein bisschen aus mit unseren alten Geschichten, über unsere Herkunft und so – also die der Quileute?«, begann er.

»Nicht so richtig«, gestand ich.

»Also, da gibt’s jede Menge Legenden, manche stammen angeblich noch aus der Zeit der Sintflut. Es heißt, die alten Quileute hätten ihre Kanus auf den Berg gebracht und an den Gipfeln der höchsten Bäume befestigt und auf diese Weise überlebt wie Noah mit seiner Arche.« Er lächelte, um mir zu zeigen, wie wenig er auf diese Geschichten gab. »Einer anderen Legende zufolge stammen wir von den Wölfen ab und sind noch immer mit ihnen verbrüdert. Die Stammesgesetze verbieten es, sie zu töten.«

Er senkte seine Stimme. »Und dann gibt es die Geschichten über die kalten Wesen.«

»Die kalten Wesen?«, fragte ich mit nunmehr echter Neugierde.

»Genau. Die meisten Geschichten über die kalten Wesen stammen aus der Zeit der Wolfslegenden, aber es gibt auch einige, die sind noch gar nicht so alt. Einer Legende zufolge kannte mein Urgroßvater ein paar von ihnen. Er war es, der mit ihnen das Abkommen traf, nach dem sie sich von unserem Land fernzuhalten haben.« Er verdrehte seine Augen.

»Dein Urgroßvater?«, fragte ich, um ihm mehr zu entlocken.

»Er war Stammesältester, genau wie mein Vater. Die kalten Wesen sind die natürlichen Feinde des Wolfes, verstehst du – also, eigentlich nicht des Wolfes an sich, sondern der Wölfe, die sich in Menschen verwandeln, so wie meine Vorfahren. Werwölfe, wie ihr sie nennt.«

»Werwölfe haben Feinde?«

»Nur diesen einen.«

Ich blickte ihn mit ernstem Gesicht an und hoffte, dass er meine Ungeduld für Bewunderung hielt.

»Die kalten Wesen«, fuhr Jacob fort, »sind also traditionell unsere Feinde. Aber der Clan, der während der Zeit meines Urgroßvaters auf unser Territorium kam, war anders. Sie jagten nicht so wie der Rest ihrer Art und galten als ungefährlich für den Stamm. Also schloss mein Urgroßvater einen Waffenstillstand mit ihnen – sie versprachen, unserem Land fernzubleiben, und im Gegenzug würden wir sie nicht an die Bleichgesichter verraten.« Er zwinkerte mir zu.

»Aber wenn sie nicht gefährlich waren, warum …?« Ich bemühte mich, seine Gespenstergeschichte zu verstehen, und versuchte gleichzeitig, mir nicht anmerken zu lassen, wie ernst ich sie nahm.

»Kalte Wesen stellen für Menschen immer ein Risiko dar, selbst wenn sie zivilisiert sind wie dieser spezielle Clan. Man weiß nie, ob sie nicht doch irgendwann zu hungrig werden, um ihrer Natur zu widerstehen.« Er verlieh seiner Stimme einen bedrohlichen Klang.

»Was meinst du mit zivilisiert?«

»Sie behaupteten, keine Jagd auf Menschen zu machen. Offenbar waren sie in der Lage, stattdessen Tiere zu jagen.«