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»Und was hat das jetzt mit den Cullens zu tun?«, fragte ich so beiläufig wie möglich. »Sind sie auch wie diese kalten Wesen, die dein Urgroßvater kannte?«

»Nein.« Er machte eine dramatische Pause. »Es sind dieselben.«

Er musste glauben, dass mein ängstlicher Gesichtsausdruck auf seine Erzählkünste zurückzuführen war. Zufrieden lächelnd sprach er weiter.

»Die Gruppe ist seitdem größer geworden, eine Frau und ein Mann sind dazugestoßen, aber ansonsten sind es dieselben. Schon vor der Zeit meines Urgroßvaters kannte man ihren Anführer, Carlisle. Als dein Volk hier ankam, war er bereits wieder verschwunden.« Er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken.

»Und was sind das für Wesen?«, fragte ich schließlich. »Die kalten Wesen – was sind sie?«

Er lächelte düster.

»Bluttrinker«, erwiderte er mit frostiger Stimme. »Bei euch nennt man sie Vampire.«

Ich blickte starr auf die schäumende Brandung – ich hatte keine Ahnung, wie viel mein Gesicht preisgab.

»Du hast ja Gänsehaut«, sagte er entzückt und lachte.

»Du kannst eben gut erzählen«, sagte ich, ohne meinen Blick von den Wellen abzuwenden.

»Ziemlich abgefahren, oder? Kein Wunder, dass mein Dad nicht will, dass wir darüber reden.«

Ich hatte meinen Gesichtsausdruck immer noch nicht so weit unter Kontrolle, dass ich ihn anschauen konnte. »Keine Sorge, ich verrat dich nicht.«

»Ich schätz mal, ich hab grad das Abkommen gebrochen«, lachte er.

»Ich nehm das Geheimnis mit ins Grab«, versprach ich und erschauderte auf einmal.

»Ganz im Ernst, erzähl Charlie lieber nichts davon. Er war schon sauer genug auf meinen Dad, als er hörte, dass ein paar von uns sich nicht mehr im Krankenhaus behandeln lassen, seit Dr. Cullen dort arbeitet.«

»Keine Sorge.«

»Und, hältst du uns jetzt für einen Haufen abergläubischer Eingeborener, oder was?«, fragte er scherzhaft, doch es lag auch eine Spur von Besorgnis in seiner Stimme. Mein Blick war weiterhin auf das Meer gerichtet.

Ich drehte mich zu ihm um, lächelte und versuchte, so normal wie möglich zu wirken.

»Quatsch. Aber ich halte dich für einen ziemlich guten Geschichtenerzähler. Hier – ich hab immer noch Gänsehaut.« Ich zeigte ihm meinen Arm.

»Cool.« Er lächelte.

Dann hörten wir Steine knirschen – jemand kam. Gleichzeitig schossen unsere Köpfe hoch, und wir sahen in einiger Entfernung Mike und Jessica, die auf uns zuliefen.

»Da bist du ja, Bella«, rief Mike erleichtert und winkte.

»Ist das dein Freund?«, fragte Jacob, dem der eifersüchtige Unterton in Mikes Stimme nicht entgangen war. Ich war erstaunt, dass es derart offensichtlich war.

»Ganz bestimmt nicht«, flüsterte ich. Ich war Jacob wahnsinnig dankbar und wollte ihn nicht enttäuschen. Ich zwinkerte ihm zu, achtete aber darauf, dass Mike es nicht sehen konnte. Er lächelte – meine alberne Koketterie hatte ihn in Hochstimmung versetzt.

»Also, sobald ich meinen Führerschein hab …«, setzte er an.

»Dann musst du mich besuchen. Wir können mal zusammen was machen.« Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich das sagte; mir war bewusst, dass ich ihn benutzt hatte. Andererseits mochte ich Jacob tatsächlich. Er war jemand, mit dem ich mir gut vorstellen konnte befreundet zu sein.

Mike hatte uns inzwischen erreicht, Jessica war ein paar Meter hinter ihm. Ich sah, wie er Jacob musterte und mit sichtlicher Befriedigung registrierte, dass er jünger war als wir.

»Wo treibst du dich denn rum?«, fragte er überflüssigerweise.

»Jacob hat mir ein paar Geschichten aus der Gegend hier erzählt«, beeilte ich mich zu sagen. »Es war echt interessant.«

Ich schenkte Jacob ein breites Lächeln, er grinste zurück.

Mike stutzte, als er merkte, wie vertraut wir miteinander waren. »Wir packen zusammen«, sagte er dann. »Es sieht nach Regen aus.«

Wir schauten alle zum Himmel, der sich immer mehr verfinsterte. Es sah tatsächlich nach Regen aus.

»Okay.« Ich sprang auf. »Ich komme.«

»War schön, dich mal wiederzusehen«, sagte Jacob, und ich wusste, dass sich darin ein kleiner Seitenhieb gegen Mike verbarg.

»Fand ich auch. Wenn Charlie das nächste Mal Billy besucht, komm ich mit«, versprach ich.

Sein Grinsen wurde noch breiter. »Das wäre toll!«

»Und danke«, fügte ich ernsthaft hinzu.

Wir stapften zum Parkplatz; ich zog mir die Kapuze über den Kopf. Die ersten Tropfen fielen und hinterließen schwarze Flecken auf den Steinen. Als wir beim Suburban ankamen, waren die anderen schon beim Einladen. Ich verkündete, dass ich schon auf dem Hinweg vorne gesessen hatte, und schlüpfte zu Angela und Tyler auf den Rücksitz. Angela schaute hinaus in den anschwellenden Sturm, und Lauren, die vorne in der Mitte saß, drehte sich zu uns um und nahm Tyler in Beschlag – ich konnte also in Ruhe meinen Kopf an den Sitz lehnen, meine Augen schließen und mich mit aller Kraft darauf konzentrieren, nicht nachzudenken.

ALBTRAUM UND SONNENSCHEIN

Ich sagte Charlie, ich hätte massenweise Hausaufgaben und keinen Hunger. Im Fernsehen lief ein Basketballspiel, das ihn begeisterte – ich kapierte echt nicht, was so toll daran sein sollte –, also fiel ihm nichts Ungewöhnliches an meiner Miene oder meiner Stimme auf.

Sobald ich in meinem Zimmer war, schloss ich die Tür ab. Ich durchwühlte meinen Schreibtisch, bis ich meine alten Kopfhörer fand, und stöpselte sie in meinen kleinen CD-Player. Ich suchte eine CD heraus, die mir Phil zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie war von einer seiner Lieblingsbands, was ich nicht ganz nachvollziehen konnte – für meinen Geschmack setzten sie ein bisschen zu sehr auf Bassgitarre und kreischende Stimmen. Ich legte die CD ein und ließ mich aufs Bett fallen. Dann setzte ich die Kopfhörer auf, drückte auf »Play« und drehte die Lautstärke hoch, bis mir die Ohren schmerzten. Ich schloss die Augen, aber es war immer noch zu hell, also zog ich mir zusätzlich ein Kissen übers Gesicht.

Ich vertiefte mich in die Musik, versuchte die Texte zu verstehen und die komplizierten Schlagzeugrhythmen zu entschlüsseln. Beim dritten Durchlauf kannte ich alle Refrains und stellte zu meiner Überraschung fest, dass ich die Band eigentlich doch ziemlich gut fand, trotz des Krachs. Ich nahm mir vor, mich noch mal bei Phil zu bedanken.

Es funktionierte. Die schmetternden Beats verhinderten, dass ich nachdenken konnte

– was der ganze Zweck der Übung war. Ich hörte die CD wieder und wieder an, bis ich alle Titel mitsingen konnte und schließlich einschlief.

Ich öffnete die Augen und befand mich an einem vertrauten Ort. Unterschwellig war mir bewusst, dass ich träumte. Ich erkannte das grüne Licht des Waldes und hörte, wie irgendwo in der Nähe die Wellen gegen die Felsen schlugen. Und ich wusste, ich würde die Sonne sehen, wenn ich den Weg zum Ozean fand. Ich wollte dem Geräusch folgen, doch plötzlich war Jacob Black da, griff nach meiner Hand und zog mich in die entgegengesetzte Richtung, auf den dunkelsten Teil des Waldes zu.

»Jacob? Was ist los?«, fragte ich. Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben, und er zerrte mit aller Kraft, um meinen Widerstand zu überwinden. Aber ich wollte nicht ins Dunkle gehen.

»Lauf weg, Bella, schnell!«, flüsterte er voller Entsetzen.

»Hierher, Bella!« Ich erkannte Mikes Stimme, der mich aus der Finsternis, aus den Tiefen der Baumwelt rief, doch ich konnte ihn nicht sehen.

»Warum? Ich will nicht!«, rief ich und stemmte mich mit aller Kraft gegen Jacobs Griff; ich musste die Sonne finden.

Auf einmal ließ Jacob meine Hand los, jaulte auf und fiel zitternd auf den fahlen Waldboden. Starr vor Schreck sah ich zu, wie es ihn gewaltsam durchzuckte.

»Jacob!«, schrie ich. Doch er war verschwunden und an seiner Stelle stand ein großer, rötlich brauner Wolf mit schwarzen Augen. Er hatte den Blick von mir abgewandt; seine Augen waren auf die unsichtbare Küste gerichtet. Das Fell auf seinen Schultern sträubte sich, seine Fangzähne waren entblößt, und aus seiner Kehle drang ein tiefes Knurren.