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»Bella, lauf!«, schrie Mike hinter mir. Aber ich drehte mich nicht um. Mein Blick war auf ein Licht gerichtet, das vom Strand her auf mich zukam.

Und dann trat Edward zwischen den Bäumen hervor. Seine Haut war von einem schwachen Funkeln überzogen, seine Augen leuchteten schwarz und gefährlich. Er hob eine Hand und winkte mich zu sich. Zu meinen Füßen knurrte der Wolf.

Ich machte einen Schritt auf Edward zu. Er lächelte, und ich sah, dass seine Zähne spitz und scharf waren.

»Vertrau mir«, sagte er mit samtweicher Stimme.

Ich machte noch einen Schritt.

Zwischen mir und dem Vampir schoss der Wolf durch die Luft; seine Fangzähne zielten auf Edwards Kehle.

»Nein!«, schrie ich und richtete mich ruckartig auf.

Die Kopfhörer rissen den CD-Player vom Nachttisch, und er fiel polternd auf den Holzfußboden.

Das Licht brannte, und ich saß angezogen und mit Schuhen auf dem Bett.

Schlaftrunken warf ich einen Blick auf die Uhr. Es war halb sechs am Morgen.

Stöhnend ließ ich mich zurück aufs Bett fallen, drehte mich auf den Bauch und schob mir die Stiefel von den Füßen. Doch an Schlaf war nicht zu denken, dafür war ich viel zu aufgewühlt. Also drehte ich mich wieder auf den Rücken, knöpfte meine Jeans auf und zerrte sie mir umständlich von den Beinen, um nicht aufstehen zu müssen. Mein Zopf drückte unangenehm im Nacken, also drehte ich mich zur Seite, zog das Gummi heraus und fuhr mir schnell mit den Fingern durch die verflochtenen Haare. Dann zog ich mir wieder das Kissen über das Gesicht.

Es nutzte natürlich alles nichts. Mein Traum hatte mir genau die Bilder vorgeführt, die ich unbedingt verdrängen wollte. Ich musste mich ihnen stellen.

Ich setzte mich auf. Das Blut schoss mir in die Füße, und ich musste erst mal kurz sitzen bleiben, bis der Schwindel nachließ. Immer der Reihe nach, sagte ich mir und war froh über den erzwungenen Aufschub. Dann stand ich auf und ging ins Badezimmer.

Doch das Duschen dauerte nicht annähernd so lange, wie ich gehofft hatte. Obwohl ich mir extra noch die Haare föhnte, war ich schnell fertig im Bad. In ein Handtuch gewickelt, ging ich zurück in mein Zimmer. Ich wusste nicht, ob Charlie noch schlief oder schon weg war, und warf einen Blick aus dem Fenster – der Streifenwagen war nicht da. Er war mal wieder angeln.

Ich nahm mir Zeit zum Anziehen, suchte mir meinen bequemsten Pullover raus und machte entgegen meiner Gewohnheit sogar mein Bett. Dann ließ es sich nicht länger aufschieben. Ich ging zum Schreibtisch und schaltete meinen alten Computer an.

Ich hasste es, von hier aus ins Internet zu gehen. Mein Modem war hoffnungslos veraltet und der Server miserabel; allein das Einwählen dauerte so lange, dass ich in der Zwischenzeit in die Küche ging, um mir eine Schüssel Cornflakes zu machen.

Ich aß langsam, kaute jeden Bissen sorgfältig, und als ich fertig war, spülte ich Schüssel und Löffel, trocknete sie ab und räumte sie weg. Als ich die Treppe hinaufstieg, zog ich unwillig meine Füße nach. Im Zimmer hob ich zuerst den CD-Player vom Boden auf und platzierte ihn genau in die Mitte des Nachttisches. Ich stöpselte die Kopfhörer aus und verstaute sie in der Schublade. Dann stellte ich dieselbe CD wieder an, drehte aber die Lautstärke runter, bis die Musik nur noch Hintergrundgeräusch war.

Ich seufzte und ging zum Computer. Wie nicht anders zu erwarten, war der Bildschirm mit Werbe-Pop-ups übersät. Ich setzte mich auf meinen Klappstuhl und begann die kleinen Fenster eins nach dem anderen zu schließen. Irgendwann war ich zu meiner Lieblingssuchmaschine vorgedrungen. Ich schloss ein paar weitere Werbefenster und gab ein einziges Wort ein.

Vampir.

Es dauerte natürlich nervenaufreibend lange, und als die Resultate erschienen, gab es jede Menge auszusieben – von Filmen und Fernsehserien über Rollenspiele und Underground-Metal bis hin zu Kosmetikfirmen, die sich auf Gothic Look spezialisiert hatten.

Dann fand ich eine vielversprechende Seite: Vampire A–Z. Ich klickte sie an, wartete ungeduldig und schloss hastig die neuen Werbebanner, die über den Bildschirm huschten. Dann hatte sich die Seite endlich fertig aufgebaut – ein schlichter weißer Hintergrund mit schwarzem Text, seriöse Gestaltung. Auf der Startseite begrüßten mich zwei Zitate:

In der ganzen weiten Schattenwelt der Gespenster und Dämonen gibt es kein Wesen, das so schrecklich ist, das so gefürchtet und verabscheut wird und das doch so eine unheimliche Faszination ausübt wie der Vampir, weder Gespenst noch Dämon, aber

dennoch ein Teil der dunklen Seite der Natur, ausgestattet mit den geheimnisvollen und furchtbaren Eigenschaften von beiden. – Reverend Montague Summers

Wenn es für eine Sache in dieser Welt eine wohlbelegte Zeugenschaft gibt, dann ist es die Existenz der Vampire. Nichts fehlt: weder die offiziellen Berichte noch die beeideten Erklärungen prominenter Persönlichkeiten, Chirurgen, Priester, Beamter; die juristische Beweislast könnte kaum erdrückender sein. Und trotz allem, wen gibt es, der an Vampire glaubt? – Rousseau

Der Rest der Seite war eine alphabetische Auflistung verschiedener Vampirmythen aus aller Welt. Das Erste, was ich anklickte, war der Mythos von Danag, einem philippinischen Vampir, der angeblich vor langer Zeit die Wasserbrotwurzel auf die Inseln brachte und anpflanzte. Dem Mythos zufolge arbeiteten der Danag und die Menschen viele Jahre lang Seite an Seite, doch die friedliche Gemeinschaft endete, als sich eines Tages eine Frau in den Finger schnitt und ein Danag, der ihre Wunde aussaugte, den Geschmack so unwiderstehlich fand, dass er nicht aufhörte, bis ihr Körper blutleer war.

Ich las mir die Beschreibungen sorgfältig durch und suchte nach irgendetwas, das mir bekannt vorkam, wenn schon nicht plausibel. Die meisten Vampirmythen drehten sich offensichtlich um schöne dämonische Frauen und die Kinder, die ihnen zum Opfer fielen; ich hatte das Gefühl, sie dienten dazu, die hohe Sterblichkeitsrate von Kleinkindern zu rechtfertigen und Männern eine Ausrede für ihre Untreue zu liefern. In vielen der Geschichten kamen körperlose Geister und Warnungen vor unsachgemäßen Beerdigungen vor. Es gab nicht viel, was mich an die Filme erinnerte, die ich gesehen hatte; nur sehr wenige Vampire, der hebräische Estrie zum Beispiel und der polnische Upier, tranken überhaupt Blut.

Es gab eigentlich nur drei Einträge, die meine Aufmerksamkeit erregten: der zum rumänischen Varacolaci, einem mächtigen untoten Wesen, das als schöner blasshäutiger Mensch in Erscheinung treten konnte; der zum slowakischen Nelapsi, einer Kreatur, die so stark und schnell war, dass sie in der einen kurzen Stunde nach Mitternacht ein gesamtes Dorf abschlachten konnte, und ein dritter Eintrag, der zum Stregoni benefici.

Er war kurz.

Stregoni benefici: ein italienischer Vampir, der Überlieferung nach auf der Seite des Guten, Todfeind aller bösartigen Vampire.

Es war eine Erleichterung, dass es einen kleinen Eintrag – eine Legende von Hunderten – gab, der von der Existenz guter Vampire sprach.

Alles in allem jedoch fand ich wenig, was mit Jacobs Geschichten oder meinen eigenen Beobachtungen übereinstimmte. Beim Durcharbeiten der Mythen hatte ich in Gedanken eine kleine Liste zusammengestellt, mit der ich das Gelesene verglich: Geschwindigkeit, körperliche Stärke, Schönheit, blasse Haut, Augen, die ihre Farbe wechselten. Dazu Jacobs Kriterien: Bluttrinker, Feinde des Werwolfs, kalthäutig, unsterblich. Es gab sehr wenige Mythen, die ein einziges der Kriterien erfüllten.

Und da war noch eine andere Sache, an die ich mich aus den wenigen Gruselfilmen erinnerte, die ich gesehen hatte, und die durch meine Lektüre bestätigt wurde – Vampire konnten nicht ans Tageslicht kommen, die Sonne würde sie sonst zu Asche verbrennen. Sie schliefen den ganzen Tag in Särgen und kamen nur nachts heraus.

Genervt schaltete ich den Computer aus, ohne die Programme vorher ordnungsgemäß zu schließen. Ich war verärgert, doch zugleich war mir das alles furchtbar peinlich. Da saß ich in meinem Zimmer und recherchierte Vampirlegenden – wie dämlich war das denn! Was war bloß los mit mir? Ich entschloss mich, der Stadt Forks den Großteil der Schuld zuzuschreiben, oder besser gleich der ganzen durchnässten Halbinsel Olympic.