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Die Kellnerin tauchte auf, als hätte sie jemand gerufen. Oder als hätte sie uns beobachtet.

»Alles in Ordnung? Habt ihr noch einen Wunsch?«, fragte sie Edward.

»Danke, wir würden gern zahlen.« Seine Stimme war gedämpft und weniger freundlich als vorher, noch angestrengt von unserem Gespräch. Das schien sie etwas aus der Bahn zu werfen. Er blickte auf und sah sie erwartungsvoll an.

»Äh … j-ja klar«, stotterte sie, zog eine kleine schwarze Ledermappe aus der Vordertasche ihrer schwarzen Schürze und reichte sie ihm. »Bitte schön.«

Er hatte den Schein schon in der Hand, schob ihn in die Mappe und gab sie ihr sofort zurück.

»Stimmt so.« Er lächelte und erhob sich. Ich rappelte mich umständlich auf.

Sie warf ihm ein letztes verführerisches Lächeln zu. »Einen schönen Abend noch.«

Ohne seinen Blick von mir abzuwenden, bedankte er sich. Ich musste mir ein Lächeln verkneifen.

Er ging dicht neben mir zur Tür, immer noch darauf bedacht, mich nicht zu berühren. Ich dachte daran, was Jessica über sich und Mike gesagt hatte – dass sie kurz vor dem ersten Kuss standen. Ich seufzte. Edward schien das zu hören, denn er blickte neugierig zu mir herunter. Ich heftete meinen Blick auf das Pflaster und war dankbar dafür, dass er offensichtlich nicht in der Lage war, meine Gedanken zu lesen.

Er öffnete die Beifahrertür, hielt sie mir auf und schloss sie sanft, nachdem ich eingestiegen war. Ich sah zu, wie er vor dem Auto zur Fahrerseite herumging, und war wieder einmal verblüfft von der Anmut seiner Bewegungen. Vielleicht sollte ich daran längst gewöhnt sein, doch ich war es nicht. Überhaupt hatte ich nicht das Gefühl, dass Edward zu der Sorte Mensch gehörte, an die man sich irgendwann gewöhnte.

Als er saß, ließ er den Motor an und drehte die Heizung hoch. Es war sehr kalt geworden – mit dem schönen Wetter war es wohl vorbei. Doch mir war warm in seiner Jacke; und wenn ich mich unbeobachtet fühlte, atmete ich ihren Duft ein.

Scheinbar ohne sich umzusehen, manövrierte Edward den Volvo zwischen den vorbeifahrenden Autos hindurch auf die Gegenfahrbahn und brauste los in Richtung Freeway.

»Und jetzt«, sagte er bedeutungsvoll, »bist du dran.«

FÜR IMMER SIEBZEHN

»Darf ich dich noch eine Sache fragen?«, bat ich, während Edward viel zu schnell beschleunigte und die ruhige Straße entlangraste. Es kam mir vor, als würde er überhaupt nicht auf den Verkehr achten.

Er seufzte.

»Eine«, willigte er ein und kniff seine Lippen zu einer strengen Linie zusammen.

»Also … du hast doch gesagt, dass du wusstest, dass ich den Buchladen nicht betreten habe und stattdessen weiter in südlicher Richtung gegangen bin. Kannst du mir sagen, woher?«

Er schaute weg und überlegte.

»Ich dachte, mit den Ausweichmanövern sei Schluss«, maulte ich.

Fast lächelte er.

»Na schön, wie du willst. Ich bin deinem Geruch gefolgt. Aber dann hab ich die Spur wieder verloren.« Er schaute auf die Straße und ließ mir Zeit, meine Gesichtszüge zu kontrollieren. Mir fiel keine akzeptable Erwiderung ein, doch ich speicherte, was ich eben gehört hatte, sorgfältig ab, um später darauf zurückzukommen. Dann konzentrierte ich mich, so gut es ging. So schnell war ich nicht bereit, ihn von der Angel zu lassen – jetzt, da er mir endlich verriet, was ich wissen wollte.

»Und dann hast du meine erste Frage noch nicht beantwortet«, spielte ich auf Zeit.

Er schaute mich missbilligend an. »Welche?«

»Wie das geht, das Gedankenlesen. Kannst du die Gedanken von jedem lesen, egal wo? Wie machst du das? Und kannst nur du das oder auch die anderen aus deiner Familie?« Ich kam mir albern vor – als würde ich jemanden fragen, wie die Zauberei im Märchen funktioniert.

»Das ist mehr als eine«, stellte er fest. Ich verschränkte nur meine Finger und blickte ihn erwartungsvoll an.

»Nein, nur ich. Und ich kann auch nicht jeden hören, und überall. Ich muss halbwegs in der Nähe sein. Je vertrauter die … ›Stimme‹ ist, desto weiter kann ich sie hören. Trotzdem nicht mehr als ein paar Meilen weit.« Er überlegte. »Es ist ein bisschen so, als wäre man in einem riesigen Saal voller Menschen, die alle auf einmal reden. Alles ist ein einziges Summen – ein Hintergrundrauschen aus Stimmen. Bis man sich auf eine konzentriert, dann tritt sie klar hervor und man hört die Gedanken der Person.

Die meiste Zeit blende ich das alles aus«, fuhr er fort. »Es lenkt ziemlich ab. Und es ist einfacher, normal« – bei dem Wort runzelte er die Stirn – »zu erscheinen, wenn man nicht versehentlich auf die Gedanken von jemandem antwortet anstatt auf seine Worte.«

»Was meinst du, warum du mich nicht hören kannst?«, fragte ich neugierig.

Er schaute mich mit einem rätselhaften Blick an.

»Ich weiß es nicht«, sagte er leise. »Ich kann mir nur vorstellen, dass dein Gehirn irgendwie anders arbeitet als die der anderen. Als würden deine Gedanken auf Kurzwelle gesendet, aber ich kann nur UKW empfangen.« Der Gedanke schien ihn zu amüsieren – er grinste.

»Mein Gehirn funktioniert also nicht richtig, ist es das? Ich bin ein Freak?« Seine Worte nagten ungewöhnlich stark an mir, wahrscheinlich, weil seine Spekulation ins Schwarze traf. Ich hatte so etwas schon immer vermutet und war unangenehm berührt, es bestätigt zu bekommen.

Er musste lachen. »Ich höre Stimmen, und du machst dir Sorgen, ein Freak zu sein! Keine Angst, es ist nur eine Theorie …« Seine Miene verhärtete sich. »Womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären.«

Ich seufzte. Wo sollte ich bloß anfangen?

»Wie war das – Schluss mit den Ausweichmanövern?«, drängte er sanft.

Zum ersten Mal nach einer halben Ewigkeit löste ich meinen Blick von seinem Gesicht, um nach Worten zu suchen. Dabei fiel mein Blick auf den Tacho.

»Meine Güte!«, schrie ich. »Nicht so schnell!«

»Was ist denn?« Er war erschrocken, doch am Tempo änderte sich nichts.

»Du fährst hundert Meilen pro Stunde!« Ich schrie noch immer und warf einen panischen Blick aus dem Seitenfenster, doch es war zu dunkel, um viel zu erkennen. Die Straße war nur in der langgezogenen Bahn des bläulichen Scheinwerferlichts sichtbar. Der Wald, der sie zu beiden Seiten säumte, sah aus wie eine schwarze Wand – und hart wie eine Stahlwand würde er auch sein, wenn wir bei diesem Tempo von der Straße abkamen.

»Entspann dich, Bella.« Er verdrehte die Augen und dachte nicht daran, das Tempo zu drosseln.

»Willst du uns umbringen?«, fragte ich eindringlich.

»Es wird uns nichts passieren.«

Ich versuchte meine Stimme zu dämpfen. »Warum hast du’s denn so eilig?«

»Das ist meine normale Geschwindigkeit«, sagte er und schaute mich mit seinem schiefen Lächeln an.

»Guck nach vorn!«

»Bella, ich hatte noch nie einen Unfall – ich hab noch nicht einmal einen Strafzettel bekommen.« Er grinste und tippte sich an die Stirn. »Eingebauter Radardetektor.«

»Sehr witzig«, giftete ich. »Charlie ist Polizist, falls du das vergessen hast. Man hat mir beigebracht, die Verkehrsregeln zu beachten. Und außerdem, wenn du den Volvo um einen Baum wickelst, kannst du wahrscheinlich einfach aussteigen und fortgehen.«

»Wahrscheinlich«, stimmte er mit einem kurzen, harten Lachen zu. »Aber du nicht.« Er seufzte, und ich sah mit Erleichterung, wie die Nadel allmählich auf achtzig zurückging. »Zufrieden?«

»Fast.«

»Ich hasse es, langsam zu fahren.«

»Das soll langsam sein?«

»Das waren jetzt genug Bemerkungen zu meinem Fahrstil«, wischte er meine Frage weg. »Ich warte immer noch auf deine neueste Theorie.«

Ich biss mir auf die Lippen. Eine Sekunde lang ließ er seinen Blick auf mir ruhen; seine honigfarbenen Augen waren unerwartet sanft.

»Ich lache nicht«, versprach er.

»Ich hab eher Angst, dass du sauer bist.«

»So schlimm?«

»Ziemlich.«