»Und welche Rolle spielst du dabei?« Er funkelte mich an.
»Ich? Ich mach bei den Vampiren mit, was denn sonst?«
Er lächelte. »Hauptsache, du musst nicht tanzen.«
»Genau.«
Er kaufte zwei Eintrittskarten und schob mich in Richtung Tanzfläche. Ich stemmte mich gegen seinen Arm und machte mich schwer.
»Ich hab Zeit«, drohte er. »Den ganzen Abend, wenn’s sein muss.«
Irgendwann hatte er mich dort hingeschleppt, wo die anderen vier schon elegant herumwirbelten, wenn auch auf eine Art, die weder in die Gegenwart noch zur Musik passte. Mutlos schaute ich ihnen zu.
»Edward.« Meine Kehle war so trocken, dass ich nur ein Flüstern herausbekam. »Ich kann wirklich nicht tanzen!« Panik stieg in mir auf.
»Aber ich, Dummerchen«, flüsterte er zurück. Er legte meine Arme um seinen Nacken und stellte mich auf seine Füße.
Und dann wirbelten auch wir umher.
»Ich fühl mich wie eine Fünfjährige«, sagte ich lachend, nachdem wir minutenlang mühelos über die Tanzfläche geglitten waren.
»So siehst du aber nicht aus«, murmelte er und zog mich für einen Moment an seine Brust, so dass meine Füße in der Luft baumelten.
Alice kreiselte an uns vorbei. Unsere Blicke begegneten sich, und sie lächelte mir ermutigend zu. Ich lächelte zurück. Erstaunt merkte ich, dass es mir tatsächlich Spaß machte … ein bisschen zumindest.
»Okay, ich hab’s mir schlimmer vorgestellt«, gab ich zu.
Doch Edward blickte verärgert zur Tür.
»Was ist denn?«, fragte ich und folgte seinem Blick. Unsere Drehungen erschwerten die Orientierung, doch schließlich sah ich, was ihm nicht passte. Jacob Black, nicht im Smoking, aber mit weißem Hemd und Krawatte, lief über die Tanzfläche und wollte anscheinend zu uns. Seine Haare waren wie üblich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Nach der ersten Überraschung kam ich nicht umhin, ihn zu bemitleiden – es war offensichtlich, dass er sich geradezu schmerzhaft unwohl fühlte in seiner Haut. Mit zerknirschter Miene kam er auf mich zu.
Edward gab ein kaum hörbares Knurren von sich.
»Lass ihn in Ruhe!«, zischte ich.
»Er möchte ein Schwätzchen mit dir halten«, sagte er bissig.
Dann stand Jacob vor uns; seine Verlegenheit war nicht zu übersehen.
»Hey, Bella, ich hatte gehofft, dass du hier bist.« Es klang, als hätte er genau das nicht gehofft. Doch sein Lächeln war so liebenswürdig wie immer.
»Hi, Jacob.« Ich lächelte zurück. »Was gibt’s?«
»Darf ich?«, fragte er, an Edward gewandt, und trat auf mich zu. Ich war verblüfft, dass er nicht zu ihm aufschauen musste – er war mindestens zehn Zentimeter gewachsen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte.
Edwards Gesicht war beherrscht, sein Blick ausdruckslos. Statt einer Antwort stellte er mich vorsichtig auf den Boden und trat einen Schritt zurück.
»Danke«, sagte Jacob freundschaftlich.
Edward nickte nur und schaute mir eindringlich in die Augen. Dann drehte er sich um und ging.
Jacob legte seine Hände an meine Hüften, ich hob meine zu seinen Schultern.
»Wow, Jake, wie groß bist du denn?«
»Eins fünfundachtzig«, sagte er stolz.
Eigentlich tanzten wir gar nicht – mein Gipsbein machte das unmöglich –, sondern wippten nur unbeholfen hin und her, ohne unsere Füße zu heben. Aber das war okay; er war schlaksig und linkisch und tanzte wahrscheinlich genauso schlecht wie ich.
»Und, wie kommt’s, dass du hier bist?«, fragte ich, doch ich musste die Neugier vortäuschen, denn nach Edwards Reaktion konnte ich es mir schon denken.
»Du wirst es nicht glauben, aber mein Dad gibt mir zwanzig Dollar dafür«, gestand er beschämt.
»Verstehe«, murmelte ich. »Na ja, ich hoffe, du hast wenigstens ein bisschen Spaß. Schon einen Blick auf jemanden geworfen?«, erkundigte ich mich scherzhaft und deutete mit dem Kopf auf ein paar Mädchen, die wie ein Sortiment buntes Konfekt aufgereiht an der Wand standen.
»Ja«, sagte er seufzend. »Aber sie ist schon vergeben.«
Er blickte mir flüchtig in die Augen, dann schauten wir beide verschämt zur Seite.
»Du siehst übrigens sehr hübsch aus«, fügte er schüchtern hinzu.
»Danke, äh – und weshalb wollte Billy, dass du herkommst?« Doch ich kannte die Antwort bereits.
Jacob schien nicht sonderlich froh zu sein über meine Frage. Wieder war ihm sichtlich unwohl; er schaute zur Seite. »Er meinte, es sei ein ›sicherer‹ Ort, um mit dir zu reden. Ganz ehrlich, langsam glaub ich, er verliert den Verstand.«
Halbherzig stimmte ich in sein Lachen ein.
»Na ja, und er will mir den Hauptbremszylinder kaufen, den ich brauche, wenn ich dir etwas ausrichte«, gestand er kleinlaut und grinste verlegen.
»Na dann los – ich will schließlich, dass dein Auto fertig wird.« Ich grinste zurück. Wenigstens glaubte Jacob nichts von alldem, das machte die Situation halbwegs erträglich. Ich sah, dass Edward an der Wand lehnte und mich mit ausdrucksloser Miene beobachtete. Ein Mädchen aus der Klassenstufe unter uns taxierte ihn schüchtern, doch er schien es gar nicht zu bemerken – trotz seines pinkfarbenen Kleides.
Jacob schlug beschämt die Augen nieder. »Nicht sauer sein, okay?«
»Ich wüsste nicht, warum ich auf dich sauer sein sollte«, beteuerte ich. »Ich werde noch nicht mal auf Billy sauer sein. Sag einfach, was du mir sagen sollst.«
»Also – o Gott, das ist so dämlich … tut mir leid, Bella. Okay – er will, dass du mit deinem Freund Schluss machst. ›Bitte!‹, soll ich dir sagen.« Verächtlich schüttelte Jacob den Kopf.
»Er ist also immer noch abergläubisch, was?«
»Und wie. Er war irgendwie völlig … außer sich, als er hörte, dass du in Phoenix einen Unfall hattest. Er wollte nicht glauben –« Verlegen verstummte er.
Meine Augen verengten sich. »Dass ich die Treppe runtergefallen bin?«
»Ich weiß, es ist verrückt«, sagte Jacob schnell.
»Er glaubt, dass Edward was mit meinem Unfall zu tun hatte.« Ich wusste, ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Und ich war sauer, trotz meines Versprechens.
Jacob traute sich nicht, mir in die Augen zu sehen. Wir hatten es mittlerweile ganz aufgegeben, im Rhythmus der Musik zu schaukeln, obwohl seine Hände noch immer an meinen Hüften lagen und meine um seinen Hals geschlossen waren.
»Jacob, wahrscheinlich wird Billy mir das nicht glauben, aber ich will, dass du es weißt.« Mein ernster Ton ließ ihn aufhorchen; er schaute mich wieder an. »Edward hat mir das Leben gerettet. Ohne ihn und seinen Vater wäre ich jetzt tot.«
»Ich weiß«, beteuerte er, doch ich hörte, dass meine Aufrichtigkeit ihn berührt hatte.
Vielleicht würde er Billy wenigstens davon überzeugen können.
»Hey, tut mir leid, dass du das machen musstest«, sagte ich aufmunternd. »Aber die Ersatzteile waren’s doch wert.«
Er wich meinem Blick aus. »Hmmm«, brummte er, immer noch ziemlich geknickt.
»Sag bloß, da ist noch mehr.« Ich konnte es nicht fassen.
»Nein, vergiss es«, murmelte er. »Ich besorg mir ’nen Job und spar mir das Geld selber zusammen.«
Ich schaute ihm in die Augen, bis er meinen Blick erwiderte. »Spuck’s aus, Jacob.«
»Es ist zu peinlich.«
»Egal. Erzähl’s mir.«
»Okay … aber es ist echt peinlich.« Er schüttelte den Kopf. »Ich soll dir sagen … nein, ich soll dich warnen, dass« – er malte Gänsefüßchen in die Luft – »›wir dich nicht aus den Augen lassen‹. Das ist nicht mein Plural, sondern seiner.« Er hielt den Atem an und wartete auf meine Reaktion.
Es klang wie aus einem Mafiafilm. Ich brach in schallendes Lachen aus.
»Du Ärmster! Tut mir leid, dass du dazu gezwungen warst.«
»Na ja, es gibt Schlimmeres«, wehrte er ab und grinste erleichtert. Sein Blick glitt anerkennend über mein Kleid. »Und, was soll ich ihm ausrichten?«, fragte er frohlockend. »Dass er sich gefälligst um seinen eigenen Kram kümmern soll?«
»Nein«, antwortete ich seufzend. »Richte ihm meinen Dank aus. Ich weiß, dass er es gut meint.«