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Eine persönliche bemerkung des autors an seine leser

Als 1979 mein Buch Hochspannung veröffentlicht wurde, kündigte ich das Ende meiner schriftstellerischen Tätigkeit an. Ich war müde. Mein Leben war erfüllt. Ich war und bin den Millionen Lesern in der ganzen Welt dankbar, die mein Leben auf vielerlei Weise bereichert haben und die es mir auch ermöglichten, mich zur Ruhe zu setzen.

In den Jahren, die mir noch verblieben, wollte ich mehr Zeit mit meiner lieben Frau Sheila verbringen, mit ihr zusammen verreisen, angeln gehen, mehr Bücher lesen, mich bei Musik entspannen und alle möglichen anderen Dinge tun, zu denen ein Schriftsteller sonst nicht kommt.

Was ich nicht wußte, daß meine Herzkranzgefäße an sechs Stellen verstopft waren und ich dem Tode nahe war - diese Diagnose stellte mein Freund und Arzt Dr. Edward Robbins aus San Francisco und riet zu einer sofortigen Operation. Die Operation -ein vierfacher Bypass - wurde von Dr. Denton Cooley und seinen Kollegen, denen ich von ganzem Herzen danke, im Texas Heart Institute durchgeführt.

Sheila war mir eine große Stütze, wie sie es während unserer langen und glücklichen Ehe immer gewesen ist. Und es ist kein Zufall, daß die Celia dieses Romans dem Namen nach Ähnlichkeit mit Sheila hat.

Die Folge meiner wiederhergestellten Gesundheit war ein Übermaß an Energie - so daß Sheila eines Tages sagte: »Ich finde, du solltest wieder ein Buch schreiben.«

Ich habe ihren Rat befolgt. Bittere Medizin ist das Ergebnis. 5. April 1984 A. H.

Wenn die Krankheit verzweifelt ist, kann ein verzweifelt Mittel nur helfen, oder keins.

Shakespeare, Hamlet

Wir werden mit einem unaufhörlichen Fluß großtuerischer Medikamente überschwemmt, und hier ist schon wieder eins.

Thomas Sydenham, M. D. (1624-1689)

Prolog:1985

In der ersten Klasse der 747, eine halbe Stunde nach dem Abflug von London, ergriff Dr. Andrew Jordan die Hand seiner Frau und hielt sie fest.

»Hör auf, dir Sorgen zu machen«, sagte er eindringlich. »Vielleicht passiert ja nichts.«

»Irgend etwas wird passieren. Dafür wird Dennis Donahue schon sorgen.«

Andrew verzog das Gesicht, als sie den Senator aus New England erwähnte. »Ich hatte mich schon so auf den Lunch gefreut. Und jetzt mußt du mir den Appetit verderben.«

»Das ist kein Scherz, Andrew. Vergiß nicht, daß es Tote gegeben hat - durch Arzneimittel.«

»Aber du hattest doch gar nichts damit zu tun.«

»Trotzdem. Wenn es einen Prozeß gibt, wird man auch mich belangen. Vielleicht komme ich sogar ins Gefängnis.«

Er bemühte sich, sie ein wenig aufzuheitern. »Es ist ja noch nichts passiert. Und wenn, dann verspreche ich dir, dich jeden Tag zu besuchen und dir Kuchen mitzubringen, in den Metallsägen eingebacken sind.«

»Ach, Andrew!« Ihr Lächeln war liebevoll und traurig zugleich.

Wie gut es doch tat, dachte er, seine Frau nach neunundzwanzig Ehejahren noch so voller Bewunderung ansehen zu können! Wie schön, intelligent und stark sie war! Und seine Empfindung war frei von jeglicher Sentimentalität - all diese positiven Eigenschaften, und noch viele mehr, hatte er schon tausendmal an ihr wahrgenommen.

»Das ist aber nett«, bemerkte eine weibliche Stimme neben ihnen.

Andrew blickte auf. Die Stimme gehörte einer jungen Flugbegleiterin, die beobachtete, wie sie sich bei den Händen hielten.

»Die Liebe überkommt zuweilen auch ältere Menschen«, erklärte er mit todernster Miene.

»Tatsächlich?« Die Stewardeß ging auf seinen spöttischen Ton ein. »Das hätte ich nicht gedacht. Noch ein bißchen Sekt?«

»Ja, bitte.«

Er merkte, daß ihn das Mädchen musterte, und wußte, ohne eitel zu sein, daß er noch immer gut aussah, selbst für jemanden, der seine Tochter hätte sein können. Was hatte dieser Londoner Klatschkolumnist in der vergangenen Woche über ihn geschrieben? »Der weißhaarige, gutaussehende distinguierte Arzt und Ehemann von . . . etc., etc.« Andrew hatte dazu geschwiegen, aber es hatte ihm gefallen.

Nachdem der Sekt eingeschenkt war, lehnte Andrew sich zurück. Er genoß die Privilegien der ersten Klasse, selbst wenn sie ihm heute weniger wichtig erschienen als sonst. Natürlich verdankten sie diese Annehmlichkeiten im wesentlichen dem Geld seiner Frau. Auch wenn sein eigenes Einkommen als vielbeschäftigter Internist mehr als ausreichend war, bezweifelte er doch, daß sie sich damit den Luxus eines Fluges erster Klasse zwischen London und New York hätten leisten können, ganz gewiß aber nicht den Privatjet, mit dem seine Frau und zuweilen auch er in Nordamerika herumreisten.

Richtiger wäre es, ermahnte er sich, zu sagen: Bis jetzt herumgereist waren. Wie es weitergehen würde, war völlig ungewiß.

Allerdings hatte es in bezug auf Geld in ihrer Ehe nie irgendwelche Probleme gegeben. Von Anfang an hatte seine Frau Wert darauf gelegt, daß alles, was sie besaßen, ihnen beiden gehörte. Sie hatten stets ein gemeinsames Bankkonto gehabt, und obgleich Andrew inzwischen viel weniger dazu beisteuerte als sie, war keiner je auf die Idee gekommen, es gegeneinander aufzurechnen. Er ließ seine Gedanken schweifen, während die 747 leise brummend über den Atlantik nach Westen flog.

»Andrew«, sagte seine Frau. »Du bist mir eine große Hilfe und immer für mich da. Du bist so stark!«

»Komisch«, erwiderte er. »Eigentlich hatte ich dich immer für stark gehalten.«

»Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Stärke. Ich bin auf deine angewiesen.«

Im Flugzeug machte sich die übliche Geschäftigkeit bemerkbar, die dem Servieren des Essens vorausgeht. Die Tischchen wurden heruntergeklappt und mit weißen Leinentüchern und Silberbesteck gedeckt.

Nach einer Weile sagte seine Frau: »Was auch geschieht, ich werde kämpfen.«

»Hast du das nicht immer schon getan?«

Wie üblich dachte sie erst gründlich nach. »In den nächsten Tagen suche ich mir einen Anwalt. Er muß tüchtig sein, aber eher zurückhaltend. Ein übertriebenes Auftreten wäre nicht günstig.«

»So ist's recht.« Er drückte ihre Hand.

»Wirst du bei Gericht neben mir sitzen?« fragte sie lächelnd.

»Jeden Tag. Die Patienten müssen eben sehen, wie sie zurechtkommen, bis alles vorbei ist.«

»Das würdest du nie übers Herz bringen - aber ich hätte dich wirklich gern in meiner Nähe.«

»Es gibt schließlich auch noch andere Ärzte. Das läßt sich bestimmt arrangieren.«

»Und vielleicht«, sagte seine Frau, »vielleicht geschieht doch noch ein Wunder, wenn ich den richtigen Anwalt finde.« Andrew stocherte mit dem Messer in einer Portion Kaviar, die soeben serviert worden war. Mochten sie auch in Schwierigkeiten stecken, es bestand kein Grund, sich das hier entgehen zu lassen.

»Könnte durchaus sein«, sagte er und verteilte den Kaviar auf einer Scheibe Toast. »Es hat bei uns beiden mit einem Wunder angefangen. Und seitdem sind weitere Wunder geschehen. Warum sollte es also nicht auch diesmal eines geben - ganz speziell für dich?«

»Das wäre wirklich ein Wunder.«

»Und es wird geschehen«, versicherte er.

Andrew schloß die Augen. Der Sekt und die Flughöhe hatten ihn schläfrig gemacht. Und während er sich dem Gefühl der Müdigkeit überließ, erinnerte er sich an das erste Wunder.

Es war lange her.

TEIL EINS

1957-1963

1

»Ihre Frau wird sterben, John«, sagte Dr. Jordan leise. »Sie hat nur noch wenige Stunden zu leben.« Er sah in das blasse, gequälte Gesicht des schmächtigen jungen Mannes, der in seiner Arbeitskleidung vor ihm stand. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anderes sagen. Aber ich dachte, Sie würden die Wahrheit hören wollen.«