Выбрать главу

Er machte es sich in dem kleinen Wohnzimmer in seinem Ledersessel bequem, während Yvonne sich zu seinen Füßen auf den Teppich hockte. Trotz aller Anstrengungen hatte sie zu ihrem Kummer noch immer nicht an Gewicht verloren, obgleich Martin ihr schon oft klargemacht hatte, daß es ihn nicht störte; ihm gefiel Yvonnes fülliger Körper.

»Es bestehen gute Chancen für dich, am tierärztlichen Institut aufgenommen zu werden. Du könntest von uns finanzielle Unterstützung bekommen, und falls das nicht klappt, fällt mir bestimmt etwas anderes ein.«

»Aber zuerst muß ich doch die Examen bestehen«, wandte sie ein.

»Ja, und ich weiß auch, welche du brauchst. Es sind drei - in Chemie, in Physik und in Zoologie, Biologie oder Botanik. Für dich wäre wohl Zoologie am vernünftigsten.«

Etwas zweifelnd fragte sie: »Würde das bedeuten, daß ich meinen Job aufgeben muß?«

»Nicht unbedingt, solange du dich auf die Examen vorbereitest. Du kannst am Abend und an den Wochenenden lernen. Ich helfe dir. Wir werden zusammen arbeiten.«

»Ich kann es kaum glauben«, sagte Yvonne atemlos. »Und ich verspreche dir, tüchtig zu lernen.«

Martin lächelte. »Ich weiß. Und mit deinem erstaunlichen Gedächtnis wirst du die Examen mühelos bestehen. Allerdings mußt du lernen, die Texte nicht herunterzubeten, sondern es in deinen eigenen Worten zu sagen. Sonst werden die Prüfer mißtrauisch.«

Yvonne sprang auf und fiel ihm um den Hals.

Bei Felding-Roth hielt die leichte Euphorie, die sich kurz nach Celias Rückkehr ausgebreitet hatte, nicht lange an.

Die Nachricht vom Überfall auf das Institut in Harlow hatte sie erschüttert. Und dann ereignete sich in Boonton eine Tragödie, die alles andere in den Schatten stellte.

Es war ein Unfall - wenigstens wurde es von der Polizei in Boonton so aufgenommen -, und er ereignete sich an einem Wochentag, genau drei Wochen nach Celias Rückkehr in die Firma.

Ein paar Minuten vor neun Uhr morgens traf Celia mit ihrem Firmenwagen auf dem »Laufsteg« des Felding-Roth-Parkhauses ein. Celias Fahrer hatte den Wagen links an die Rampe gefahren, denn er hatte - wie er später aussagte - im Rückspiegel Mr. Haw-thornes Rolls-Bentley dicht hinter sich erkannt. Da er wußte, daß der Präsident auf seinen Parkplatz an der Außenwand rechts von der Stelle, wo Celias Wagen hielt, fahren würde, hatte er darauf geachtet, genügend Zwischenraum zu lassen.

Celia sah Sams Wagen erst, als der Chauffeur ihr zum Aussteigen die Tür aufhielt. In diesem Augenblick tauchte die ausgeprägte Kühlerhaube auf der Parkpalette auf.

Da sie mit Sam zusammen zum Direktionslift gehen wollte, blieb Celia abwartend stehen.

Und dann passierte es.

Mit einem plötzlichen Aufheulen des Motors und begleitet vom Quietschen der Reifen schoß der schwere Wagen wie ein silbergrauer Pfeil an Celia und dem Fahrer vorbei, über Sams Parkplatz hinweg in die dahinterliegende Wand hinein. Die schulterhohe Mauer, die nach oben hin offen war und die Parkpalette begrenzte, brach ein, und der Wagen stürzte fünfzehn Meter in die Tiefe.

Zunächst - es kam Celia wie eine Ewigkeit vor - herrschte Stille. Dann war von unten, außerhalb ihrer Sichtweite, ein schwerer Aufschlag, das Geräusch von berstendem Metall und zersplitterndem Glas zu hören.

Der Chauffeur lief zu der Öffnung in der Wand, und Celias er-ster Impuls war, ihm zu folgen. Aber sie unterdrückte ihn. Ihre Gedanken rasten. Über das Autotelefon rief sie Feuerwehr und Krankenwagen an den Schauplatz.

Dann setzte sie sich mit der Telefonzentrale von Felding-Roth in Verbindung und gab Anweisung, daß jeder verfügbare Mediziner - die Firma beschäftigte mehrere - sofort zur Unglücksstelle kommen sollte. Erst danach ging sie zu dem klaffenden Loch, durch das Sams Wagen gestürzt war, und blickte hinunter.

Was sie sah, erfüllte sie mit Entsetzen.

Ganz offensichtlich war der Wagen zuerst auf die Kühlerhaube gefallen. Die Wucht des Aufpralls nach dem fünfzehn Meter tiefen Fall hatte die Karosserie wie eine Ziehharmonika zusammengedrückt. Aus dem Wrack stieg Rauch auf, aber es hatte noch kein Feuer gefangen. Ein verbogenes Rad drehte sich wie wild um sich selbst.

Zum Glück war der Wagen an einer Stelle aufgeprallt, wo niemand vorbeikommen konnte. Lediglich ein paar Büsche und Gras waren in Mitleidenschaft gezogen.

Inzwischen liefen mehrere Leute auf das zerstörte Fahrzeug zu, und Celia hörte Sirenen näher kommen. Es schien allerdings ausgeschlossen, daß der Fahrer den Sturz überlebt hatte.

Es dauerte mehr als eine Stunde, bis Sams Körper aus dem Wrack befreit war, eine grausige Aufgabe, mit der sich die Rettungsmannschaft der Feuerwehr nicht gerade beeilte, da ein Arzt bereits bestätigt hatte, was offensichtlich war - Sam war tot.

Celia, die die Sache in die Hand genommen hatte, teilte Lilian so schonend wie möglich die Unglücksnachricht mit und riet ihr dringend davon ab, an den Unfallort zu kommen.

Celia bot Lilian an, sie zu besuchen, aber Lilian antwortete nach langem Schweigen, daß sie allein sein wolle. Ihre Stimme schien von weit her zu kommen. Was müssen Frauen doch alles ertragen, dachte Celia.

»Bitte geben Sie mir Bescheid, wo Sam hingebracht wird«, brachte Lilian mühsam heraus.

Celia versuchte auch, Juliet und ihren Mann Dwight anzuru-fen, konnte aber beide nicht erreichen.

Als nächstes ließ sie den für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Julian Hammond in ihr Büro kommen. »Geben Sie sofort eine Pressemeldung über Sams Tod heraus. Beschreiben Sie es als tragischen Unfall. Ich möchte, daß das Wort >Unfall< betont wird, um alle Spekulationen von vornherein zu unterbinden. Sie könnten in etwa sagen, daß vermutlich das Gaspedal geklemmt hat und der Wagen außer Kontrolle geraten ist.«

»Aber das wird uns doch niemand abnehmen«, protestierte Hammond.

Celia, die am liebsten laut geweint hätte, konnte sich gerade noch beherrschen und fuhr ihn an: »Sparen Sie sich Ihre Worte! Tun Sie, was ich Ihnen sage, und zwar sofort!«

Der letzte Dienst, den sie Sam erweisen konnte, dachte sie, nachdem Hammond gegangen war, bestand darin, ihm zu ersparen, vor der Öffentlichkeit als Selbstmörder zu gelten.

Aber für alle, die ihm nahestanden, gab es an Sams Selbstmord keinen Zweifel. Am wahrscheinlichsten schien es, daß Sam seine Schuldgefühle wegen Montayne nicht verwinden konnte, und als er die Garagenwand vor sich gesehen hatte, war ganz plötzlich der Gedanke aufgetaucht, seinem Leben ein Ende zu setzen. Typisch für Sam war, meinten seine Freunde, daß er dabei berücksichtigt hatte, daß er niemanden in Gefahr brachte.

Celia quälte sich mit Fragen und Schuldgefühlen. Hatte Sam sich schon lange mit diesem Gedanken getragen, oder war es ein spontaner Einfall gewesen, als er sie, Celia, so selbstsicher und beherrscht dort stehen sah, Celia, die eine Position in der Firma einnahm, die eigentlich ihm zugestanden hätte . . .? Celia brachte es nicht fertig, die Frage, auf die sie nie eine Antwort bekommen würde, zu Ende zu denken.

Und auch etwas anderes wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Gleich am ersten Tag nach ihrer Rückkehr hatte er in seinem Büro gesagt: ». . . und da ist noch etwas, von dem Sie nichts wissen.« Und einen Augenblick später: »Das werde ich Ihnen nie sagen.«

Was war das für ein Geheimnis? Celia versuchte es zu erraten, aber es gelang ihr nicht. Sam hatte es mit ins Grab genommen.

Auf Wunsch der Angehörigen fand Sams Beerdigung im engsten Familienkreis statt. Celia war die einzige Firmenangehörige. Andrew begleitete sie.

Als sie auf dem unbequemen Klappstuhl in der Kapelle des Bestattungsinstituts saß und ein Geistlicher, der Sam gar nicht gekannt hatte, mit salbungsvoller Stimme religiöse Phrasen von sich gab, bemühte sich Celia, die Gegenwart aus ihren Gedanken zu verbannen und sich die Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen.

VorzwanzigJahren - alsSam sie alsPharma- Vertreterin eingestellt hatte . . . Sam auf ihrer Hochzeit. . . ihr Entschluß, ihm auf der Leiter des Erfolgs zu folgen . . . die New Yorker Verkaufstagung, als er seinen Job riskiert und sie verteidigt hatte: »Ich stehe hier, um mich auszählen zu lassen. Wenn wir Mrs. Jordan jetzt fortschicken, sind wir alle kurzsichtige Narren« . . . Sam, wie er die Opposition besiegte, ihre Beförderung zur Verkaufsleiterin für rezeptfreie Produkte, später ihren Einsatz für den lateinamerikanischen Verkauf durchsetzte: »Die Zukunft lieg im internationalen Geschäft« . . . Sam, der Anglophile, der in bezug auf das britische Forschungsinstitut Weitblick bewiesen hatte: »Celia, ich möchte, daß Sie meine rechte Hand werden« . . . Sam, der für einen Irrtum mit seinem guten Ruf bezahlt hatte -und jetzt mit seinem Leben.