Celia sprach deutlich, aber leise und mit Absicht nicht besonders eindringlich. Die Erklärung, die sie zusammen mit Childers Quentin abgefaßt hatte, war danach noch von mehreren Leuten sorgfältig überarbeitet worden. Sie hielt sich im großen und ganzen an den Text und fügte nur ab und zu einen Satz ein.
»Meine Firma möchte hervorheben, daß sie in allem, was Montayne betrifft - in jedem Stadium der Erprobung, Verbreitung und Berichterstattung -, mehr getan hat, als das Gesetz verlangt. Meine Firma hat Montayne sogar, als ernsthafte Zweifel an dem Medikament aufkamen, freiwillig aus dem Handel gezogen, ohne erst den Beschluß der FDA abzuwarten.
Ich möchte etwas weiter ausholen und auf den Ursprung von Montayne eingehen, das von Laboratoires Gironde-Chimie entwickelt wurde, einer französischen Firma mit ausgezeichnetem Ruf und einer langen Geschichte erfolgreicher . . .«
Der Bericht war nicht nur sachlich und präzise, er wurde auch völlig unpersönlich vorgetragen. Auch das hatte man bei den Diskussionen in der Zentrale von Felding-Roth und in der Kanzlei von Childers Quentin in Washington beschlossen.
»Wie wollen Sie die Sache mit Ihrer Kündigung wegen Montayne behandeln?«
»Überhaupt nicht«, hatte sie erwidert. »Meine Kündigung hatte rein persönliche Gründe, war eine Frage des Gewissens. Jetzt bin ich wieder zurückgekehrt und repräsentiere die Firma.«
»Und was ist mit Ihrem Gewissen?«
»Ist noch intakt«, hatte sie scharf erwidert. »Wenn man mich wegen meiner Kündigung befragt, werde ich ehrlich antworten. Ich möchte nur nicht von selbst darauf zu sprechen kommen.«
Celia hatte Quentin auch daran erinnert, daß es für ihre Kündigung keinen wissenschaftlich belegbaren Grund gegeben hatte -dessen war sie sich bewußt, und das war auch der Grund dafür gewesen, daß sie nicht an die Öffentlichkeit gegangen war.
Jetzt informierte sie den Unterausschuß des Senats: »Bis im Juni 1976 ein Bericht aus Australien eintraf, gab es an der Unbedenklichkeit von Montayne überhaupt keine Zweifel. Aber selbst dann schien es noch keinen Grund zur Sorge zu geben, weil eine Untersuchungskommission der australischen Regierung . . .«
Schritt für Schritt beschrieb sie die Geschichte von Montayne. Der Bericht dauerte vierzig Minuten, und Celia schloß mit den Worten: »Meine Firma hat die Auflagen des Untersuchungsausschusses erfüllt und Dokumente vorgelegt, die alles, was ich gesagt habe, bestätigen. Wir sind bereit, auch weiterhin in jeder Hinsicht mit Ihnen zusammenzuarbeiten und Fragen zu beantworten.«
Die Fragen kamen sofort, die erste von Stanley Urbach, dem Anwalt des Komitees, der ein langes schmales Gesicht und dünne Lippen hatte und den Eindruck machte, als würde er nur selten lächeln.
»Mrs. Jordan, Sie haben sich auf den australischen Bericht bezogen, der möglicherweise Zweifel an Montayne hätte wecken können. Das war sieben bis acht Monate, bevor Ihre Firma das Medikament in den Vereinigten Staaten auf den Markt brachte. Ist das richtig?«
Celia rechnete im Kopf nach. »Ja.«
»In Ihrer Erklärung haben Sie zwei weitere nachteilige Berichte erwähnt, einen aus Frankreich, einen anderen aus Spanien, die beide vorlagen, bevor Ihre Firma Montayne in den Vereinigten Staaten auf den Markt brachte. Ist auch das richtig?«
»Nicht ganz, Mr. Urbach. Sie haben die Berichte als nachteilig bezeichnet. Es waren - zu jenem Zeitpunkt - bloße Behauptungen, die von Laboratoires Gironde-Chimie verfolgt und für unbegründet erklärt wurden.« Der Anwalt machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wenn wir Wortklauberei betreiben wollen, dann lassen Sie mich so fragen: Waren die Berichte günstig?«
»Nein, und vielleicht kann ich uns allen etwas Zeit sparen. In der Pharma-Branche hat >nachteiliger Bericht< eine ganz spezielle Bedeutung. Und diese Definition traf auf die Berichte aus Frankreich und Spanien nicht zu.«
Urbach stieß einen Seufzer aus. »Würde sich die Zeugin auf >bedenkliche Berichte< einigen?«
»Einverstanden.« Celia spürte schon jetzt, daß ihr schwierige Zeiten bevorstanden.
Senator Donahue mischte sich ein. »Es ist doch völlig klar, worauf der Anwalt hinaus will. Waren Ihnen - Ihrer Firma -diese drei Berichte bekannt, bevor Sie Montayne hier bei uns auf den Markt brachten?«
»Ja.«
»Und trotzdem haben Sie sich nicht aufhalten lassen und das Medikament verkauft?«
»Senator, bei jedem Medikament gibt es negative Stimmen. Sie müssen alle sorgfältig untersucht und abgewogen werden . . .«
»Ich habe Sie nicht um eine Lektion über die Praktiken der Pharma-Industrie gebeten, Mrs. Jordan. Meine Frage erfordert ein einfaches >Ja< oder >Nein<. Ich wiederhole: Hat Ihre Firma, obgleich sie von diesen Berichten wußte, das Medikament weiter hergestellt und an schwangere amerikanische Frauen verkauft?«
Celia zögerte.
»Wir warten, Mrs. Jordan.«
»Ja, Herr Senator, aber . . .«
»Das >Ja< genügt uns.« Donahue nickte Urbach zu. »Fahren Sie fort.«
»Wäre es nicht besser und vernünftiger gewesen«, fragte der Anwalt des Ausschusses, »wenn Felding-Roth diese Berichte erst noch einmal überprüft und den Start von Montayne verschoben hätte?«
Genau das waren ihre Argumente gewesen! dachte Celia. Und der Grund für ihre Kündigung. Aber hier saß sie als Sprecherin ihrer Firma, und deshalb antwortete sie: »Wenn man es im nachhinein betrachtet, ja. Aber damals folgte die Firma dem Rat der Wissenschaftler und machte weiter.«
»Wessen Rat war das?«
Sie überlegte, bevor sie antwortete. Natürlich war Lord derjenige gewesen, aber sie wollte fair sein. »Der unseres Forschungsleiters Dr. Lord, aber er richtete sich wiederum nach den Daten und Ergebnissen von Gironde-Chimie.«
»Wir werden Dr. Lord später selbst befragen. Inzwischen . . .« Urbach zog seine Notizen zu Rate. »Hatte die Entscheidung, weiterzumachen und Montayne trotz dieser nachteiligen . . . ent-schuldigen Sie bitte, bedenklichen Berichte nicht zu verschieben, irgend etwas mit den erhofften Gewinnen zu tun?«
»Nun, Gewinne sind immer ein Faktor . . .«
»Mrs. Jordan! Ja oder nein?«
Celia seufzte. Was halfs? Jede Frage war eine Falle, ein Schritt in Richtung eines vorgefaßten Beschlusses.
»Ja«, gab sie zu.
»Waren diese Gewinne für Ihre Firma wichtig?«
»Ja, der Meinung war man.«
»Wie hoch schätzte man die Gewinne ein, die man sich versprach?«
Die unbarmherzige Inquisition ging weiter. Und doch fand Ce-lia Zeit, sich zu fragen: Waren sie unfair, wenn sie so dicht an die Wahrheit herankamen? Hatte sie sich nicht, vor gar nicht so langer Zeit, all diese Fragen selbst gestellt? Und war es nicht blanke Ironie, daß sie anstelle von Sam Hawthorne jetzt hier stand, dem man diese Fragen eigentlich hätte stellen sollen? Zum ersten Mal seit Hawaii mußte sie an Andrews warnende Worte denken: »Wenn du zurückgehst . . . dann wird ein Teil der Montayne-Verantwortung auch auf dich fallen.« Wie so oft hatte er recht behalten.
Ihre Befragung wurde zur Mittagspause abgebrochen. »Mrs. Jordan, Sie sind fürs erste entlassen«, erklärte Senator Donahue, »aber halten Sie sich bitte für weitere Fragen zur Verfügung. Nach der Mittagspause wird Dr. Vincent Lord als Zeuge aufgerufen.«