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»Dieses Kind«, informierte der Neurologe die betroffenen Zuhörer, »wird niemals denken können und mit ziemlicher Sicherheit nie auch nur das geringste von dem, was in seiner Umgebung vorgeht, wahrnehmen können.«

Das Gesicht erinnerte Celia an Bruce, vor siebzehn Jahren. Bruce, der ihnen erst vor ein paar Tagen vom Williams College geschrieben hatte.

Liebe Mom, lieber Dad,

das College ist Klasse! Mir gefällt es hier ganz toll. Am meisten gefällt mir, daß sie von einem wollen, daß man denkt, denkt, denkt. . .

Celia war froh, daß es während der Diavorführung nur gedämpftes Licht gab, dann sah sie, daß sie nicht die einzige war, die ein Taschentuch hervorholte, um sich die Augen zu wischen.

Als der Arzt geendet hatte, schien Senator Donahue nur mit Mühe sprechen zu können. Trotz all seiner Großspurigkeit, dachte Celia, geht es auch ihm nahe.

Wie nahe es Donahue auch gegangen sein mochte - am Nachmittag des vierten und letzten Untersuchungstags, als Celia noch einmal in den Zeugenstand gerufen wurde, war von seiner gedämpften Stimmung nichts mehr zu bemerken. Selbst mit seinen eigenen Leuten war der Senator ungeduldig und gereizt. Bevor Celia aufgerufen wurde, flüsterte Quentin ihr zu: »Nehmen Sie sich in acht. Scheint, daß dem großen Mann eine Laus über die Leber gelaufen ist.«

Urbach stellte Celia Fragen, die mit einigen Aussagen der anderen Zeugen im Zusammenhang standen.

Er bezog sich unter anderem auf Vincent Lords Behauptung, daß er, wenn er etwas zu sagen gehabt hätte, dafür gewesen wäre, Montayne noch nicht in den Handel zu bringen, und Celia erwiderte: »Wir haben uns inzwischen darüber unterhalten. Ich erinnere mich zwar, daß Dr. Lord damals eine andere Meinung vertrat, aber ich sehe keinen Grund dafür, seine Behauptung zu bestreiten, also lassen Sie es ruhig dabei.«

Zu ihrem Besuch bei Dr. Stavely in der BSM-Zentrale bemerkte Celia: »Da sind wir verschiedener Auffassung. Ich entschloß mich ganz impulsiv, Dr. Stavely aufzusuchen; ich glaubte, daß wir etwas voneinander lernen könnten. Aber das war nicht der Fall.«

»Sind Sie hingegangen, weil Sie die Absicht hatten, über Montayne zu sprechen?« fragte Urbach.

»Nicht unbedingt.«

»Aber Sie haben über Montayne gesprochen?«

»Ja.«

»Hofften Sie, Dr. Stavely und ihre Organisation dazu überreden zu können, ihre Kampagne gegen Montayne einzustellen?«

»Nein, das hatte ich nicht vor. Dieser Gedanke ist mir nicht gekommen.«

»Hatte Ihr Besuch offiziellen Charakter, erfolgte er im Auftrag Ihrer Firma?«

»Nein. Bei Felding-Roth hat niemand davon gewußt, daß ich zu Dr. Stavely gegangen bin.«

Donahue, der neben Urbach saß, schien nicht zufrieden. Er fragte: »Sagen Sie auch die Wahrheit, Mrs. Jordan?«

»Selbstverständlich sage ich die Wahrheit.« Und zornig fügte sie hinzu: »Sie können mich ja an einen Lügendetektor anschließen.«

»Sie stehen hier nicht unter Anklage«, knurrte Donahue.

»Entschuldigen Sie bitte, Herr Senator, das war mir noch gar nicht aufgefallen.«

Mit finsterer Miene gab Donahue Urbach ein Zeichen weiterzumachen.

Die nächste Frage betraf die Felding-Roth-Doktrin.

»Sie haben gehört, daß Dr. Stavely diese Doktrin als eine >schamlose Werbekampagne< bezeichnet hat«, sagte Urbach. »Finden Sie das auch?«

»Natürlich nicht. Die Doktrin bezweckt nichts anderes, als die künftige Firmenpolitik darzulegen.«

»Ach, wirklich! Sie sind also überzeugt, daß sie auf gar keinen Fall werbewirksam ist?«

Celia spürte, daß man ihr eine Falle stellen wollte. Sie beschloß, auf der Hut zu sein.

»Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn dieses ehrliche Bekenntnis am Ende auch in dieser Hinsicht eine Wirkung erzielen sollte, dann lag das jedenfalls nicht in der ursprünglichen Absicht.«

Donahue rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Urbach drehte sich fragend zu ihm um. »Herr Senator?«

Der Vorsitzende schien unentschlossen, ob er unterbrechen sollte oder nicht.

Dann sagte er mürrisch: »Das ist alles eine Frage der Interpretation. Es kommt nur darauf an, ob wir einer selbstlosen, engagierten Frau wie Dr. Stavely glauben sollen oder der Repräsentantin einer Industrie, der es nur um Gewinn geht und der es egal ist, ob sie regelmäßig Leute umbringt oder verunstaltet, nur weil sie Medikamente verkauft, von denen sie schon im voraus weiß, daß sie Schaden anrichten.«

Den Zuhörern stockte der Atem. Selbst Donahues Leute sahen verlegen drein, weil sie spürten, daß er zu weit gegangen war.

»Ist das eine Frage, Herr Senator«, gab Celia in scharfem Ton zurück, »oder ist es nicht vielmehr eine voreingenommene Erklärung Ihrerseits, die sich durch nichts beweisen läßt und die dieses Hearing als eine Scharade enthüllt, bei der das Ergebnis be-reits feststand, noch bevor irgendeiner von uns überhaupt gehört wurde?«

Donahue wies mit dem Finger auf Celia, wie er es schon bei Mace getan hatte. »Ich muß die Zeugin warnen: Sie könnte sich zu einem Verstoß hinreißen lassen, den wir Mißachtung des Kongresses nennen.« »Fordern Sie mich nicht heraus!« Celia war jetzt alles egal. »Ich verlange, daß Sie mir diese Bemerkung erklären!« brüllte der Senator.

Celia ließ nun jede Vorsicht außer acht. Sie hörte kaum, daß Quentin ihr beschwörend zuflüsterte, schüttelte seine Hand ab und sprang auf.

»Ich werde sie Ihnen erklären, indem ich darauf hinweise, daß Sie, der Sie hier über Montayne und Felding-Roth und die FDA zu Gericht sitzen, derselbe sind, der sich vor zwei Jahren öffentlich über eine Verzögerung des Zulassungsverfahrens von Mon-tayne beschwert und sie als lächerlich bezeichnet hat.«

»Das ist eine Lüge! Das ist ein Mißachtung, Madam. Eine derartige Erklärung habe ich nie abgegeben.«

In Celia machte sich ein Gefühl der Befriedigung breit. Dona-hue hatte es vergessen. Das war kaum verwunderlich - er gab ständig Erklärungen über alles mögliche ab. Und seine Helfer hatten es unterlassen, ihn daran zu erinnern, falls sie es überhaupt noch wußten. Quentin hatte sich geirrt.

Vor ihr auf dem Tisch lag ein Aktenordner, den sie bis jetzt ungeöffnet gelassen hatte. Sie hatte ihn nur für alle Fälle mitgebracht. Aber jetzt zog sie ein Bündel Zeitungsausschnitte heraus und nahm den obersten zur Hand.

»Dieser Ausschnitt stammt aus der Washington Post vom 17. September 1976.« Sie blieb stehen, während sie vorlas.

»Bezugnehmend auf das Arzneimittel Montayne, das der FDA seit einiger Zeit zur Prüfung vorliegt und für Frauen während der Schwangerschaft bestimmt ist, bezeichnete es Senator Dennis Donahue heute als ausgesprochen lächerlich<, daß die FDA noch immer keine Entscheidung getroffen habe.«

Und sie fügte hinzu: »Dieser Bericht ist auch in anderen Zeitungen erschienen.«

Celia machte eine Pause, dann fuhr sie fort: »Und da wäre noch etwas, Herr Senator.« Sie zog ein anderes Blatt aus dem Ordner.

Donahue, dessen Gesicht dunkelrot angelaufen war, griff nach seinem Hammer. Aber Senator Jaffee von der Opposition rief: »Lassen Sie die Zeugin zu Ende reden. Ich möchte es hören.«

»Sie haben die Pharma-Industrie beschuldigt, Menschen zu töten«, sagte Celia zu Donahue. »Ich habe hier eine Aufstellung darüber, wofür Sie in den vergangenen achtzehn Jahren bei den Abstimmungen über die Tabaksteuer gestimmt haben. Sie haben sich ausnahmslos für Steuerbegünstigungen ausgesprochen. Und damit, Herr Senator, haben Sie dafür gesorgt, daß der Lungenkrebs inzwischen mehr Menschen umgebracht hat als die pharmazeutische Industrie seit ihrem Bestehen.«

Die letzten Worte gingen im Tumult unter; alle schrien durcheinander, auch Donahue, der mit seinem Hammer auf den Tisch schlug. »Die Sitzung wird vertagt«, rief er.