Выбрать главу

Für die Koordination der Tests, die an mehreren voneinander entfernt liegenden Orten durchgeführt wurden, hatte man innerhalb wie außerhalb der Firma zusätzliche Hilfskräfte hinzuziehen müssen. Aber nun war es geschafft. In der Geschäftszentrale von Felding-Roth waren gewaltige Datenmengen gesammelt worden, und bevor sie zusammen mit dem Antrag auf Zulassung an die FDA weitergeleitet wurden, hatte Lord das Material so eingehend wie möglich geprüft.

Wegen seines starken persönlichen Engagements war die Arbeit für ihn ein Vergnügen - das ihm aber beim Lesen einer Serie von Krankenberichten schlagartig verging. Was er dort las, versetzte ihn zunächst in Sorge, dann in Bestürzung und schließlich in Wut.

Die Berichte stammten von einem Dr. Yaminer, der in Phoenix, Arizona, praktizierte. Lord kannte Yaminer nicht persönlich, wußte aber ein wenig über ihn Bescheid.

Yaminer war Internist. Er hatte eine große Privatpraxis und arbeitete auch ständig an zwei Krankenhäusern. Wie viele andere Ärzte, die mit dem Testprogramm von Hexin W zu tun hatten, war er von Felding-Roth vertraglich verpflichtet worden, die Wirkung des Medikaments an einer Gruppe von Patienten zu beobachten - in diesem Fall bei einhundert Personen. Zuvor mußte die Zustimmung der Patienten eingeholt werden, was aber in der Regel keine Schwierigkeiten bereitete.

Der Auftrag war zu Bedingungen erteilt worden, wie sie bei Pharma-Firmen, die ein neues Medikament ausprobieren wollten, allgemein üblich waren. Yaminer hatte schon mehrfach mit Felding-Roth und anderen pharmazeutischen Unternehmen zusammengearbeitet.

Ärzte, die sich für derartige Testzwecke verpflichten ließen, konnten dafür zwei Gründe haben. Einige waren an den Forschungen selbst interessiert, fast alle aber freuten sich über das beträchtliche Honorar, das es dafür gab.

Für ein bißchen zusätzliche, über mehrere Monat verteilte Arbeit konnte ein Arzt zwischen fünfhundert und tausend Dollar pro Patient kassieren, je nachdem, um welche Firma es sich handelte und wie wichtig das Medikament war. Für seine Tests und Beobachtungen im Fall von Hexin W hatte Yaminer 85.000 Dollar erhalten. Die Selbstkosten des Arztes waren dabei gering.

Aber das System hatte eine Schwäche.

Weil die Angelegenheit so lukrativ war, gaben manche Ärzte der Versuchung nach, mehr Aufträge anzunehmen, als sie gewissenhaft bewältigen konnten. Das führte zu Verkürzungen des Verfahrens und - erstaunlich häufig - zur Fälschung der Daten. Zu Betrug.

Lord war überzeugt, daß Dr. Yaminer mit seinen Berichten über die Wirkung von Hexin W einen Betrug begangen hatte.

Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder hatte Yaminer die Untersuchungen, die er an den namentlich aufgeführten Patienten hätte vornehmen sollen, nicht vorgenommen, oder ein Teil, wenn nicht die meisten der hundert von ihm genannten Patienten existierten gar nicht, außer in der Phantasie des Arztes. Er hatte sie, genauso wie die Test-»Ergebnisse«, erfunden.

Lords Erfahrung nach war letzteres am wahrscheinlichsten.

Wie war er darauf gekommen?

Erstens hatte Yaminer seinen Bericht in aller Eile angefertigt und war unvorsichtig gewesen. Lord war aufmerksam geworden, weil er auf den Formularen an verschiedenen Tagen eine große Ähnlichkeit der Handschrift bemerkt hatte. Gewöhnlich unterschieden sich diese Eintragungen nicht nur durch die Handschrift, sondern auch durch das Schreibgerät. Selbst wenn ein Arzt jeden Tag denselben Stift benutzte, sah das Geschriebene selten immer identisch aus.

Aber das war noch kein Beweis. Immerhin war es möglich, daß Yaminer sich vorher Notizen gemacht und sie dann ordentlich auf die Blätter übertragen hatte. Für einen vielbeschäftigten Arzt war das allerdings unwahrscheinlich. Daher sah sich Lord die Sache genauer an, und er fand noch mehr.

Zu den Tests gehörte einer, der den pH-Wert von Urin, also den Säure- oder Alkaligehalt, messen sollte. Der Durchschnittswert lag zwischen fünf und acht. Aber jede Messung - an verschiedenen Tagen vorgenommen - konnte unterschiedliche Ergebnisse haben, das hieß, daß ein Wert von vier am Dienstag bei derselben Person am Mittwoch nicht unbedingt wieder auftreten mußte. Anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, daß die pH-Werte an fünf aufeinanderfolgenden Tagen identisch waren, lag bei eins zu vier.

In Dr. Yaminers Berichten aber kamen wiederholt Tag für Tag identische pH-Werte vor. Sehr unwahrscheinlich, selbst bei einem einzigen Fall. Und ganz unmöglich bei fünfzehn Patienten, wie Lord in Yaminers Studie feststellen mußte.

Um absolut sicher zu sein, wählte Lord fünfzehn andere Patienten aus und verglich die Werte der Blutuntersuchungen. Wieder stieß er auf Werte, die sich mit unnatürlicher Häufigkeit wiederholten.

Er brauchte nicht weiterzusuchen. Jedem medizinischen Prüfer würde das, was Lord gefunden hatte, als Beweis für eine Fälschung genügen.

Im ganzen gesehen nahm sich der Bericht von Dr. Yaminer außerordentlich positiv aus. Aber das Medikament stand auch ohne ihn gut da, wie alle anderen Studien zeigten.

Lord war klar, was jetzt eigentlich seine Pflicht war.

Er mußte sofort die FDA benachrichtigen und dort die Akten vorlegen. Dann würde Dr. Yaminers Arbeit offiziell überprüft und er mit ziemlicher Sicherheit für schuldig befunden werden. Das war schon passiert, und manche Ärzte waren im Gefängnis gelandet.

Aber Lord wußte auch noch etwas anderes.

Wenn er die FDA in die Sache hineinzog und Yaminers Arbeit für ungültig erklärt würde, mußte alles noch mal von vorn beginnen. Darüber würde ein ganzes Jahr vergehen und die Einführung von Hexin W sich um eben diese Zeitspanne verzögern.

Lord verfluchte Yaminer wegen seiner Dummheit und des Dilemmas, in das er selbst dadurch geraten war.

Was sollte er tun?

Wäre die Sache in Verbindung mit einem Medikament passiert, bei dem Anlaß zu Zweifel bestand, redete Lord sich ein, hätte er nicht eine Sekunde gezögert. Er hätte Yaminer den FDA-Wölfen vorgeworfen und wäre beim folgenden Prozeß als Zeuge aufgetreten.

Bei Hexin W aber gab es keinerlei Zweifel. Mit oder ohne gefälschten Bericht - es war ein nützliches, erfolgreiches Medikament.

Warum sollte er die falsche Studie also nicht einfach mit den richtigen durchgehen lassen? Er war überzeugt, daß es bei der FDA niemand merken würde; bei dem gewaltigen Umfang des Antrags war es jedenfalls höchst unwahrscheinlich. Und selbst wenn ein FDA-Mitarbeiter Yaminers Bericht überprüfte, gab es noch lange keinen Grund anzunehmen, daß ihm die Fälschung auffallen würde. Nicht jeder war in diesen Dingen so bewandert wie Vincent Lord.

Lord hätte die Studie am liebsten ganz weggelassen, aber das ging nicht. Yaminers Name war in den Unterlagen, die sich bereits bei der FDA befanden, aufgeführt.

Lord war der Gedanke, daß Yaminer ungestraft davonkommen sollte, verhaßt, aber eine andere Möglichkeit schien es nicht zu geben.

Lord unterzeichnete also die Yaminer-Studie und legte sie auf einen Aktenberg, den er bereits durchgesehen hatte. Aber er würde dafür sorgen, nahm er sich vor, daß dieser Schweinehund nie wieder einen Auftrag von Felding-Roth bekam. In seiner Abteilung gab es eine Akte über Yaminer. Lord suchte sie heraus und stopfte die Notizen, die er sich gemacht hatte, hinein. Wenn er sie je benötigen würde, wußte er, wo sie sich befanden.

Lord hatte die Situation richtig eingeschätzt.

Der Antrag wurde eingereicht und nach erfreulich kurzer Zeit genehmigt.

Nur etwas machte Vincent Lord ein wenig nervös. Dr. Gideon Mace war inzwischen zum Leiter des National Center forDrugs and Biologics ernannt worden. Im Vergleich zu früher hatte sich Mace herausgemacht - er trank nicht mehr, führte eine gute Ehe und genoß an seinem Arbeitsplatz einen guten Ruf. Sein Auftritt vor dem Senatsausschuß schien ihm nicht geschadet zu haben. Er war - im Gegenteil - schon bald darauf befördert worden.