Wie Lord erfuhr, hatte Mace, obwohl er mit dem Hexin-W-Antrag nicht direkt zu tun hatte, Interesse daran gezeigt, wie offenbar an allem, was von Felding-Roth kam. Sicher hatte Mace noch immer einen Haß auf die Firma und wartete nur darauf, sich eines Tages revanchieren zu können.
Aber es passierte nichts, und als die FDA die Zulassung für Hexin W erteilte, schwand Lords Nervosität.
Wie bei Peptid 7 sollte auch Hexin W als Markenbezeichnung beibehalten werden.
»Es geht einem leicht von der Zunge und wird sich auf der Pak-kung gut machen«, erklärte Celia, als man diese Frage diskutierte.
Bill Ingram stimmte zu. »Hoffen wir, daß es uns genausoviel Glück bringt wie Peptid 7.«
Mit oder ohne Glück - Hexin W war sofort ein Erfolg. Die Ärzte, darunter auch angesehene von Universitätskliniken, priesen es als einen wichtigen Beitrag zum medizinischen Fortschritt, der bei der Behandlung schwerkranker Patienten neue therapeutische Möglichkeiten eröffnete. Die medizinischen Fachzeitschriften lobten sowohl das Medikament als auch seine Entdecker.
»Sieht aus, als hättet ihr da wieder einen Renner«, sagte Andrew zu Celia. »Könnte ein Durchbruch werden wie damals das Lotromycin.«
Immer mehr Ärzte verschrieben das Medikament, und Patienten dankten für die Erleichterung, die es ihnen verschaffte. Die Verkaufszahlen von Hexin W schnellten in die Höhe.
Andere pharmazeutische Firmen, die sich zunächst zurückgehalten hatten, erwarben die Lizenz und kombinierten Hexin W mit eigenen Produkten. Medikamente, die wegen ihres zu hohen Giftgehalts nie auf den Markt gekommen waren, wurden aus den Regalen geholt und in der Kombination mit Hexin W neu er-probt.
Eines dieser Medikamente war Arthrigo, ein Mittel gegen Arthritis. Der Inhaber des Patents war Exeter & Stowe Laboratories aus Cleveland, dessen Präsidenten Alexander W. Stowe Celia dem Namen nach kannte. Stowe war früher selbst Wissenschaftler gewesen und hatte vor zehn Jahren zusammen mit einem Partner die Firma aufgebaut. Obwohl sie klein blieb, hatte sie sich einen guten Ruf für hochqualifizierte rezeptpflichtige Produkte erworben.
Nachdem Verhandlungen über einen Lizenzabschluß eingeleitet waren, kam Stowe persönlich in die Zentrale von Felding-Roth. Er war Mitte Fünfzig und strahlte Freundlichkeit aus; er trug zerknitterte Anzüge, hatte zerzauste Haare und machte immer einen leicht abwesenden Eindruck, aber der Eindruck trog. Während eines Gesprächs mit Celia und Vincent Lord erklärte er:
»Unsere Firma hat die Genehmigung der FDA, eine Kombination von Arthrigo und Hexin W auf experimenteller Basis herzustellen. Da beide Medikamente antiarthritische Eigenschaften besitzen, machen wir uns große Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis. Wir werden Sie, sobald Ergebnisse vorliegen, auf dem laufenden halten.«
Das war sechs Monate nach der Einführung von Hexin W.
Ein paar Wochen später, an einem Samstagabend, gaben Celia und Andrew in ihrem Haus in Morristown zu Ehren von Vincent Lord eine Party. Lisa und Bruce waren aus diesem Anlaß ebenfalls nach Hause gekommen.
Es wurde höchste Zeit, erklärte Celia, daß sie sich Lord gegenüber erkenntlich zeigten, einerseits in Anerkennung seiner hervorragenden Leistung, die der Firma zugute kam, aber auch, um deutlich zu machen, daß die Feindschaft zwischen ihnen jetzt vorbei und vergessen war.
Die Party war ein Erfolg und Lord entspannter und fröhlicher, als Celia ihn je gesehen hatte.
Sein schmales Gelehrtengesicht wurde rot vor Freude, als man ihn mit Komplimenten überhäufte. Er lächelte ununterbrochen und unterhielt sich angeregt mit den Gästen, unter denen sich die leitenden Angestellten von Felding-Roth sowie prominente Bürger aus Morristown befanden und einige, die eigens aus New York gekommen waren. Celia hatte sogar Martin Peat-Smith gebeten zu kommen.
Diese Geste erfreute Lord besonders, ebenso wie Martins Trinkspruch, den er auf Celias Bitte ausbrachte.
»Das Leben eines Forschers«, erklärte Martin, »bietet Herausforderungen und Aufregung. Aber es gibt auch Jahre des Mißerfolgs, Stunden der Verzweiflung und Einsamkeit. Nur jemand, der dies kennengelernt hat, kann verstehen, was Vincent bei seiner Suche nach Hexin W durchgemacht hat. Und doch hat sich sein Genius und sein Engagement darüber hinweggesetzt - bis zur heutigen Feier, bei der wir uns vor einer großen wissenschaftlichen Leistung verneigen.«
»Wenn die Nachricht über all die Erfolge der Firma, von denen heute abend die Rede war, nach draußen gelangt«, bemerkte Lisa, als die Gäste gegangen waren und die Familie unter sich war, »werden die Aktien von Felding-Roth gleich noch mal um ein oder zwei Punkte steigen.«
Lisa, die kurz vor ihrem sechsundzwanzigsten Geburtstag stand und vor vier Jahren Stanford verlassen hatte, arbeitete in einer Investment-Bank an der Wall Street. Im Herbst wollte sie sich auf der Wharton School of Business einschreiben.
»Du solltest deinen Kunden am Montag raten, Felding-Roth-Aktien zu kaufen«, sagte Bruce, zu seiner Schwester gewandt, »und dann am Dienstag gegenüber den Presseagenturen durchsickern lassen, daß Dr. Peat-Smith, der Erfinder von Peptid 7, auf Hexin W ganz scharf ist.«
»Das wäre unmoralisch«, gab sie zurück. »Oder ist bei Verlegern so was üblich?«
Seit seinem Abschlußexamen vor zwei Jahren arbeitete Bruce bei einem New Yorker Schulbuch-Verlag als Lektor für Geschichte. Auch er hatte für die Zukunft große Pläne - die Übersiedlung nach Paris und ein Studium an der Sorbonne.
»Wir befassen uns ununterbrochen mit Ethik«, sagte er. »Das ist auch der Grund, warum Verleger weniger Geld verdienen als Banker.«
»Es ist schön, euch beide wieder zu Hause zu haben«, sagte Ce-lia, »und zu wissen, daß sich nichts geändert hat.«
Für die Präsidentin einer erfolgreichen Firma wurden die Probleme keinesfalls kleiner, fand Celia. Im Vergleich zu der Zeit, als Felding-Roth noch relativ arm gewesen war, waren es jetzt eher mehr geworden. Allerdings waren sie anderer Natur. Außerdem herrschte in der Firma jetzt eine freudige und angeregte Stimmung, die es früher nicht gegeben hatte und die Celia sehr genoß.
Nach Lords Party war sie einige Zeit intensiv mit finanziellen und organisatorischen Dingen beschäftigt und mußte viele Reisen machen. Folglich vergingen fast drei Wochen, bis sie mit Lord wieder über den Lizenzvertrag mit Exeter & Stowe sprechen konnte. Er war aus einem anderen Grund in ihr Büro gekommen, und sie fragte: »Was gibt es Neues von Alex Stowe über Arthrigo und Hexin W?«
»Die klinischen Versuche scheinen gut zu laufen«, erwiderte er. »Es sieht alles sehr positiv aus.«
»Und gibt es irgendwelche ungünstigen Berichte über Hexin W im allgemeinen? Ich hatte schon lange keine mehr auf meinem Schreibtisch.«
»Ich habe Ihnen keine geschickt«, sagte Lord, »weil nichts von Bedeutung dabei war. Nichts, was Hexin W direkt betrifft.«
Celia, die inzwischen an gute Nachrichten gewöhnt war, hatte sich bereits einem anderen Thema zugewandt, daher entging ihr die leichte Unsicherheit in Lords Stimme.
Lord hatte - wieder einmal - nicht die volle Wahrheit gesagt.
19
Die Nachricht traf ganz unauffällig, fast beiläufig ein, und selbst dann war sie noch nicht deutlich zu erkennen. Später kam es Ce-lia vor, als habe sich das Schicksal auf Zehenspitzen hereingeschlichen, doch aus der unauffälligen Degenscheide sollte ein feuriges Schwert fahren.
Es begann mit einem Anruf, als Celia gerade nicht in ihrem Büro war. Bei ihrer Rückkehr erfuhr sie, daß Mr. Alexander Stowe von Exeter & Stowe Laboratories angerufen und um Rückruf gebeten habe.
Nichts deutete darauf hin, daß es sich um etwas Dringendes handelte, und so erledigte sie erst ein paar andere Dinge.
Etwa eine Stunde später ließ sich Celia mit Stowe verbinden. »Hallo, Alex. Ich habe heute morgen an Sie gedacht und mich gefragt, wie das Arthrigo-Hexin-W-Programm wohl vorankommt.«