»Danke, Alex«, sagte sie. »Im Augenblick sind wir für die kleinste Aufmunterung dankbar.«
Um die Einziehung zu beschleunigen, hatte Celia angeordnet, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, noch bevor die FDA-Auflage ausgesprochen war. Sofort nach der offiziellen Verlautbarung wurde allen Ärzten per Brief geraten, das Medikament nicht länger zu verschreiben. Nach zwei Wochen war das Medikament aus den Regalen verschwunden. Celia hatte sich bemüht, die Rücknahme von Hexin W als freiwillige Entscheidung hinzustellen, aber die FDA bestand darauf, ihre Autorität unter Beweis zu stellen. Da noch immer ein Verfahren wegen der verspäteten Unterrichtung ausstand, rieten ihr die Anwälte, es nicht zu einem Streit kommen zu lassen.
Eine Weile blieb es um diese Berichte still, aber ein paar Wochen später meldete Pink Sheet, eine wöchentlich erscheinende Pharma-Rundschau:
In der Sache Felding-Roth und Hexin W hat die FDA ihre Untersuchungsergebnisse in bezug auf die verspätet eingereichten, angeblich nachteiligen Berichte an das Justizministerium weitergereicht, allerdings wurde nichts darüber verlautbart, ob es zu einem Verfahren kommen wird.
»Wie ich vertraulich erfahren habe«, sagte Childers Quentin während eines Telefongesprächs zu Celia, bei dem auch Bill Ingram und ein Firmenanwalt anwesend waren, »sind die Meinungen innerhalb der FDA geteilt.«
Auf Celias Bitten hin hatte Quentin in Washington die Fühler ausgestreckt, um festzustellen, was vor sich ging. Er berichtete von Zeit zu Zeit, was er in Erfahrung gebracht hatte; die Meldung im PinkSheet war der Anlaß seines heutigen Anrufs.
Quentin fuhr fort: »Zu der einen Partei gehören der Leiter und einige andere, die geneigt sind, die Sache langsam angehen zu lassen, weil sie wissen, daß Gerichtsverfahren eine heikle Sache sind und sich als Bumerang erweisen können, falls auch bei der FDA eine Nachlässigkeit aufgedeckt wird. Noch etwas - der Leiter war von Ihrer Ehrlichkeit sehr beeindruckt, Celia.« Quentin machte eine Pause. »Allerdings gibt es eine zweite FDA-Front, die von einem leitenden Beamten angeführt wird; und der besitzt Macht, ist ein Bürokrat und wird auch noch dort sein, wenn der Leiter, der ja nur kommissarisch tätig ist, längst wieder fort ist. Er gehört zu dem Flügel, der von einem Mann namens Gideon Mace angeführt wird, und Mace verlangt strenge Maßnahmen. Sie erinnern sich vielleicht an ihn. Damals auf dem Capitol Hill.«
»Ich erinnere mich sehr gut an ihn«, sagte Celia. »Dr. Mace scheint eine ziemliche Wut auf Felding-Roth zu haben, aber ich habe keine Ahnung, warum.«
»Können wir irgend etwas tun?« fragte Bill Ingram.
»Ja«, sagte Quentin. »Stillhalten, abwarten und hoffen. Es gibt in Washington Dinge, in die man sich einmischen kann, und manchmal hat man dabei sogar Glück, aber ein Verfahren gehört nicht dazu.«
Sie beließen es dabei und warteten. Es war nervenaufreibend.
Noch nervenaufreibender war das Auftauchen von Untersuchungsbeamten der Bundespolizei in der Geschäftszentrale von Felding-Roth, die einen vom US-Bundesgerichtshof in Newark ausgestellten Durchsuchungsbefehl vorlegten.
Hexin W war Anfang Oktober zurückgerufen worden. Mitte November suchte der Staatsanwalt von New Jersey auf Anweisung des Justizministeriums um die Erlaubnis nach, »alle Akten, Berichte, Korrespondenzen und andere Dokumente zu beschlagnahmen, die mit dem Präparat Hexin W zu tun haben«.
Es war eine Maßnahme ex parte, von der Felding-Roth vorher nichts wußte; daher war kein Firmenvertreter anwesend, als der Durchsuchungsbefehl beantragt und ausgestellt wurde.
Die Durchsuchungs- und Beschlagnahme-Taktik war für Celia und viele andere ein Schock, genauso wie die Anwesenheit der Beamten, die mehrere Tage blieben und am Ende ein Dutzend Kartons mit Akten in einem Lastwagen verstauten und davonfuhren. Zu dem beschlagnahmten Material gehörte der Inhalt von Aktenschränken in der Forschungsabteilung, einschließlich Vincent Lords Büro.
Lord versuchte, gegen das Eindringen in sein Büro zu protestieren, hatte aber keinen Erfolg.
Seit dem Tag, an dem Celia in Lords Büro die gesetzwidrig zurückgehaltenen Berichte entdeckt hatte, war der Leiter der Forschungsabteilung den anderen Firmenangehörigen, vor allem Celia, aus dem Weg gegangen. Jeder wußte, daß Lords Tage bei Felding-Roth gezählt waren. Aber ebenso wußten alle, daß die Firma bis zum Abschluß des Falls keine andere Wahl hatte, als gemeinsam mit Vincent Lord eine geschlossene Front zu bilden. Während Lord sich still verhielt, entwarf Celia einen Plan, um die Forschungsabteilung neu zu strukturieren, unter einem Leiter, der die Oberaufsicht hatte, und Abteilungsleitern, die spezielle Bereiche unter sich hatten, einschließlich der neuen Labors für Gentechnik. Für die Leitung der neuen Abteilung schwebten ihr einige geeignete Kandidaten vor.
Nach der Aktion im November war es bis zum Jahresende still. Kurz vor Weihnachten berichtete Childers Quentin: »Offiziell läuft die Untersuchung., aber sie haben eine Menge anderes zu tun, und Hexin W brennt ihnen nicht gerade unter den Nägeln.«
»Je länger sich die Sache hinzieht«, meinte Bill Ingram dazu, »um so größer ist die Chance, daß das Ganze ohne großes Aufhe-ben beigelegt wird.«
»Darauf läuft es meistens hinaus«, sagte Quentin. »Trotzdem würde ich mich nicht darauf verlassen.«
Der erste Tag des neuen Jahres brachte frohe Nachrichten. Das Gerücht, daß Martin Peat-Smith geadelt werden sollte, erwies sich als wahr. In London meldete die Times, die Ehrung sei in Anerkennung »herausragender Dienste an der Menschheit und der Wissenschaft« erfolgt.
Die offizielle Verleihung des Adelstitels durch die Königin sollte in der ersten Februarwoche im Buckingham Palace stattfinden. Celia, die Martin telefonisch gratulierte, sagte: »Andrew und ich werden in der Woche davor nach England kommen und anschließend für Sie und Yvonne eine Party geben.«
Und so flogen Celia und Andrew Ende Januar in Begleitung von Lilian Hawthorne nach London. Celia hatte sie dazu überredet. Seit Sams Tod vor siebeneinhalb Jahren war Lilian selten verreist. Aber Celia hatte sie darauf hingewiesen, daß dies in gewisser Weise auch ein Gedenken an Sam war, da das Harlower Institut seine Idee gewesen war und er Martin für die Leitung ausgesucht hatte.
Celia, Andrew und Lilian wohnten in einem Hotel, das gerade »in« war - Fortyseven Park Street in Mayfair.
Lilian, die vor ihrem sechzigsten Geburtstag stand, sah noch immer erstaunlich gut aus, und bei einem Besuch, den die drei dem Harlower Institut abstatteten, war Rao Sastri trotz des beträchtlichen Altersunterschieds offenbar sehr von ihr angetan.
Sastri führte Lilian durch die Labors, und danach verabschiedeten sie sich, um zusammen essen zu gehen. Celia war amüsiert, als sie erfuhr, daß die beiden sich für die kommende Woche an einem Abend verabredet hatten - zum Essen und zu einem Theaterbesuch. Am Montag, zwei Tage vor Martins Ehrung, bekam Celia einen Anruf von Bill Ingram. »Tut mir leid, aber ich habe schlechte Nachrichten«, begann er. »Eben hat Childers Quentin angerufen. Er sagt, in Washington sei die Hölle los.«
Die Nachrichten betrafen die FDA, Dr. Gideon Mace, das Ju-stizministerium, Senator Dennis Donahue und Hexin W.
»Wie Quentin meint«, sagte Ingram, »scheint Mace es satt zu haben, noch länger der Tatenlosigkeit des Justizministeriums zuzusehen. Daher hat er persönlich und ohne offiziellen Auftrag sämtliche Hexin-W-Unterlagen zum Capitol Hill getragen und einem von Donahues Helfern übergeben. Der hat sie Donahue gezeigt, für den sie ein rechtes Weihnachtsgeschenk waren. >Auf so was hab' ich schon lange gewartete, soll er gesagt haben.«