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»Ja«, sagte Celia, »das kann ich mir denken.«

»Als nächstes«, fuhr Ingram fort, »hat Donahue den Generalstaatsanwalt angerufen, um ihn aufzufordern, schleunigst in Aktion zu treten. Bis jetzt hat Donahue - wie Quentin sagt - zu jeder vollen Stunde bei ihm angerufen.«

Celia stieß einen Seufzer aus. »Das ist ganz schön viel auf einmal. Gibt es sonst noch was?«

»Leider ja. Erstens steht jetzt fest, daß es zu einer Gerichtsverhandlung wegen der zurückgehaltenen Berichte von Hexin W kommen wird, mit allem, was sich sonst noch dabei herausstellen mag. Und der Generalstaatsanwalt, der wegen Donahue ein persönliches Interesse entwickelt hat, ist sicher, daß er Anklage erheben wird.«

»Gegen wen?«

»Gegen Vince Lord natürlich. Und - es tut mir leid, das sagen zu müssen, Celia - auch gegen Sie. Man will darauf hinaus, daß Sie die Verantwortung hatten. Quentin sagt, Donahue will Ihren Skalp.«

Celia wußte, warum. Sie mußte daran denken, wie Quentin sie nach der Senatsuntersuchung gewarnt hatte: »Sie haben ihn lächerlich gemacht. . . Wenn er irgendwann in der Zukunft Gelegenheit bekommen sollte, Felding-Roth oder Ihnen, Celia, zu schaden, dann wird er es tun, und zwar mit Vergnügen.«

Dann erinnerte sie sich an etwas, das Ingram gesagt hatte. »Bill, Sie sagten, >mit allem, was sich sonst noch dabei herausstellen mag<. Was haben Sie damit gemeint?«

Diesmal stieß Ingram einen tiefen Seufzer aus. »Das ist ein bißchen kompliziert, aber ich werde mich bemühen, es Ihnen zu erklären. Als die Ergebnisse der klinischen Tests mit Hexin W zusammen mit unserem Antrag in Washington eingereicht wurden, waren auch die üblichen medizinischen Untersuchungen dabei, auch eine Studie von einem Dr. Yaminer aus Phoenix. Jetzt stellte sich heraus, daß sie gefälscht war. Er hat Patienten aufgeführt, die es gar nicht gab.«

»Das tut mir leid«, sagte Celia, »aber so was kommt vor. Andere Firmen haben ähnliche Probleme. Doch wenn man den Betrug bemerkt - falls man ihn bemerkt -, meldet man ihn der FDA, und die holen sich den Arzt.«

»Richtig«, stimmte Ingram zu. »Was man allerdings nicht tun sollte, ist, die Daten mit dem Antrag einzureichen, nachdem man entdeckt hat, daß sie falsch sind.«

»Natürlich nicht.«

»Das hat Vince aber getan. Er hat Yaminers Bericht abgezeichnet und durchgehen lassen.«

»Aber woher will man wissen, daß Vince . . .«, fragte Celia.

»Darauf komme ich gleich. Als bei uns die Durchsuchung war und die Akten beschlagnahmt wurden, haben sie auch welche von Vince mitgenommen. Darunter befand sich eine über Dr. Yaminer. Und in dem Ordner waren handschriftliche Notizen von Vince, aus denen hervorgeht, daß er sehr wohl über Yami-ners Fälschung Bescheid wußte, und zwar bevor er alles an die FDA weitergegeben hat. Die Unterlagen befinden sich jetzt in den Händen der Justizbehörde.«

Celia schwieg. Dazu gab es nichts mehr zu sagen.

»Ich schätze, das ist alles«, sagte Ingram. »Außer . . .«

»Außer was?«

»Na ja ... es ist wegen Dr. Mace, die Art und Weise, wie er uns angreift. Ich erinnere mich, daß Sie einmal sagten, Sie wüßten nicht, warum.«

»Das weiß ich noch immer nicht.«

»Ich glaube, Vince weiß es«, sagte Ingram. »Ich hab' so ein Gefühl. Ich habe ihn beobachtet. Jedesmal wenn der Name von Mace erwähnt wird, zuckt er zusammen.«

Celia dachte über Ingrams Worte nach. Dann fiel ihr plötzlich das Gespräch ein, das sie während der Senatsuntersuchung mit Lord geführt hatte. Sie hatte ihn beschuldigt, im Zeugenstand gelogen zu haben, und . . .

Kurz entschlossen sagte sie: »Ich will ihn sehen. Hier.«

»Vince?«

»Ja. Sagen Sie ihm, es ist ein Befehl. Er soll die nächste Maschine nehmen und sich sofort bei mir melden.«

Jetzt standen sie sich gegenüber, Celia und Vincent Lord.

Sie befanden sich im Wohnzimmer des Hotel-Apartments in Mayfair.

Lord sah müde aus, älter als einundsechzig, und schien unter einer großen Anspannung zu stehen. Er hatte abgenommen, sein Gesicht war noch schmaler als früher, die Gesichtsmuskeln zuckten noch häufiger.

Celia erinnerte sich daran, daß sie vor vielen, vielen Jahren zu Lord gegangen war, um ihn um wissenschaftlichen Rat zu bitten. Sie hatte sich bemüht, freundlich zu sein, und ihm vorgeschlagen, daß sie sich mit Vornamen anredeten, und Lord hatte unfreundlich erwidert: »Es wäre wohl für beide Teile besser, Mrs. Jordan, wenn wir uns jederzeit an unseren unterschiedlichen Status erinnern. «

Gut, dachte Celia, jetzt würde sie seinen Rat befolgen.

»Ich will gar nicht erst über diese schändliche Yaminer-Ge-schichte reden, Dr. Lord«, begann sie kühl, »außer, daß es der Firma Gelegenheit gibt, sich von Ihnen zu trennen und Sie sich bei Ihrer Verteidigung vor Gericht selbst überlassen bleiben - auf Ihre Kosten.«

In Lords Augen blitzte Triumph auf, als er sagte: »Das können Sie nicht, denn Sie werden selbst auch unter Anklage stehen.«

»Wenn ich es will, kann ich es. Und die Verteidigung für mich selbst geht nur mich etwas an, nicht Sie.«

»Wenn Sie es wollen . . .?« Er schien verblüfft.

»Ich will mich jetzt nicht festlegen. Aber wenn die Firma Ihnen bei Ihrer Verteidigung helfen soll, dann muß ich darauf bestehen, alles zu erfahren.«

»Alles?«

»Da gibt es etwas aus früheren Tagen«, sagte Celia, »von dem ich nichts weiß. Es hat, glaube ich, etwas mit Dr. Mace zu tun.«

Sie hatten bis jetzt gestanden. Nun deutete Lord auf einen Sessel. »Darf ich?«

»Bitte.« Auch Celia nahm Platz.

»Nun gut«, sagte Lord, »da gibt es wirklich etwas. Aber es wird Ihnen nicht gefallen. Und wenn Sie es erfahren haben, wird es Ihnen leid tun, davon zu wissen.«

»Heraus damit!«

Er erzählte ihr alles - von den ersten Schwierigkeiten mit Gideon Mace, seiner Umständlichkeit, den Beleidigungen, den langen, unvernünftigen Verzögerungen bei der Genehmigung von Staidpace. Das schließlich ein gutes, lebensrettendes Medikament war . . . Später der Versuch, etwas über Mace in Erfahrung zu bringen . . . Lords Verabredung mit Tony Redmond in der Homosexuellen-Bar in Georgetown ... die Dokumente, die Lord von Redmond gekauft hatte und die Mace überführten, illegale Geschäfte getätigt zu haben. Zweitausend Dollar - eine Ausgabe, die Sam genehmigt hatte, Sam, der später auch zustimmte, diese Informationen nicht vor Gericht aufzudecken, sondern das Beweismaterial zu behalten, wodurch sich Sam und Lord zu Mitwissern einer kriminellen Handlung machten . . . zwei Jahre später, als Mace die Zulassung von Montayne verzögerte, die Entscheidung, auch Sams Entscheidung, Mace zu erpressen . . . das positive Resultat der Erpressung, trotz des Unbehagens, das Mace wegen des australischen Berichts im Zusammenhang mit Montayne verspürte, und trotz seiner ehrlichen Zweifel an dem Medikament . . .

Dann war alles gesagt, und Celia wußte, daß Lord recht gehabt hatte: daß sie sich wünschte, es nicht zu wissen. Aber es war wichtig für sie, für künftige Beschlüsse, die sie als Präsidentin von Felding-Roth fassen mußte.

Gleichzeitig war ihr jetzt vieles klar: Sams Verzweiflung und seine Schuldgefühle, der wirkliche und tiefere Grund für seinen Selbstmord . . . Der Zusammenbruch von Dr. Mace beim Senats-verhör und seine pathetische Antwort, als man ihn fragte, warum er Montayne die Zulassung erteilt habe: »Ich weiß es einfach nicht.« . . . Maces Haß auf Felding-Roth und auf alles, was damit zusammenhing.

Wenn ich Dr. Mace wäre, würde ich diese Firma auch hassen, dachte Celia.

Und nun, nachdem sie diese schlimme Geschichte kannte -was sollte sie tun? Wenn sie ihrem Gewissen folgte, gab es nur einen Weg: die Behörden zu informieren. An die Öffentlichkeit zu gehen. Die Wahrheit zu sagen. Jeder mußte selbst zusehen, wie er da herauskam - Vincent Lord, Gideon Mace, Felding-Roth, sie selbst.