»Erstens sind nicht nur Männer eingeladen, und zweitens möchte die Firmenleitung, daß Sie einen Vortrag halten.«
»Aber gern«, sagte Celia. »Das dachte ich mir«, bemerkte Sam trocken. »Und jetzt zum Thema. Ich habe mit Eli Camperdown gesprochen, und er und die anderen würden gern etwas über Ihre Verkaufserfahrungen hö-ren - als Frau. Das Thema, das vorgeschlagen wurde, heißt: >Der Verkauf von Arzneimitteln aus der Sicht einer Frauc.«
»Das ist zwar nicht direkt was für 'n Kinoplakat«, bemerkte Ce-Ha, »aber ich werd's trotzdem tun.«
»Der Vortrag sollte möglichst locker und humorvoll sein«, fuhr Sam fort. »Nichts Schweres oder Ernstes. Nichts Kontroverses. Und nicht länger als zehn bis fünfzehn Minuten.«
»Ich verstehe«, sagte Celia nachdenklich.
»Wenn Sie wollen, können Sie einen Entwurf einreichen. Ich würde ihn durchsehen und vielleicht ein paar Vorschläge machen.«
»Ich werde mich an dieses Angebot gern erinnern«, sagte Ce-lia, die bereits Ideen für ihre Rede, aber keineswegs die Absicht hatte, irgend etwas einzureichen.
»Die Umsätze in Ihrem Gebiet waren ausgezeichnet«, lobte Sam. »Weiter so!«
»Das habe ich auch vor«, bestätigte Celia, »allerdings wären ein paar neue Produkte dabei sehr hilfreich. Was ist übrigens mit diesem Thalidomid geworden, von dem Mr. Camperdown vor einem Jahr gesprochen hat?«
»Wir haben es fallenlassen. Haben es der Chemie-Grünenthal zurückgegeben.«
»Warum?«
»Unsere Leute von der Forschung meinten, es sei kein gutes Präparat«, erklärte Sam. »Sie haben es in den Altersheimen getestet, die Sie uns vermittelt haben. Als Schlafmittel schien es nicht viel zu taugen.«
»Und das ist das Aus?«
»Was Felding-Roth betrifft, ja. Allerdings hörte ich gerade, daß Merrell es nehmen will. Sie nennen es Kevadon und wollen es hier bei uns und in Kanada ganz groß herausbringen. Bei dem Erfolg, den das Thalidomid in Europa hat, ist das nicht weiter erstaunlich«, fügte er hinzu.
»Sie scheinen darüber nicht gerade glücklich zu sein«, stellte Celia fest. »Glauben Sie, daß unsere Firma einen Fehler gemacht hat?«
Sam zuckte die Achseln. »Mag sein. Aber wir können nur das in den Handel bringen, was unsere Forschungsabteilung gutheißt, und dieses Mittel hat sie abgelehnt.« Er zögerte ein wenig.
»Ich will es Ihnen ruhig sagen, Celia: Manche haben Sie kritisiert, weil sich unsere Tests mit Thalidomid auf alte Menschen beschränkt haben und nicht auf breiterer Basis durchgeführt wurden - wie es Vincent Lord ursprünglich vorgeschlagen hatte.«
»Und Sie? Kritisieren Sie mich auch?«
»Nein. Ich habe Ihnen damals zugestimmt, wenn Sie sich erinnern.«
»Ja, ich weiß.« Celia dachte nach, dann fragte sie: »Und die anderen - sind die wichtig?«
»Für Sie?« Sam schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
An den folgenden Abenden und Wochenenden arbeitete Celia zu Hause an ihrer Rede für die Verkaufstagung. In dem ruhigen, gemütlichen Arbeitszimmer, das sie und Andrew sich teilten, umgab sie sich mit allen möglichen Papieren und Aktennotizen.
»Du heckst da doch irgendwas aus, nicht wahr?« fragte Andrew eines Sonntags, als er ihr zusah.
»Stimmt«, gab sie zu.
»Darf ich erfahren, was?«
»Ich erzähl's dir später«, sagte Celia. »Wenn ich es dir jetzt sage, versuchst du bestimmt, mich davon abzubringen.«
Andrew lächelte und war klug genug, es dabei zu belassen.
7
»Ich weiß, daß die meisten von Ihnen verheiratet sind«, sagte Ce-lia und blickte vom Podium auf das Meer männlicher Gesichter hinunter. »Daher werden Sie auch wissen, wie das mit uns Frauen ist. Wir drücken uns häufig ziemlich unklar aus, geraten leicht durcheinander, und manchmal vergessen wir einfach alles.«
»Aber Sie doch nicht, Kindchen«, sagte jemand in den vorderen Reihen leise, und Celia lächelte.
»Was mir, zum Beispiel, völlig entfallen ist - wie lange ich heute eigentlich sprechen soll. Ich kann mich dunkel erinnern, daß jemand etwas von zehn bis fünfzehn Minuten gesagt hat, aber das kann doch wohl nicht stimmen, oder? Welcher Frau würde es gelingen, sich innerhalb so kurzer Zeit fünfhundert Männern vorzustellen?«
Gelächter klang auf, und aus dem hinteren Teil des Saals rief eine volltönende Stimme: »Laß dir ruhig Zeit, Baby!« Erneutes Gelächter, schrille Pfiffe und: »Völlig richtig!«, »Lassen Sie sich soviel Zeit, wie Sie brauchen!«
Celia beugte sich über das Mikrofon. »Vielen Dank! Ich hatte gehofft, daß jemand das sagen würde.« Sie vermied es, dem Blick von Sam Hawthorne zu begegnen, der nicht weit entfernt saß und sie beobachtete.
Es war Same, der noch am Morgen zu Celia gesagt hatte: »Bei der Eröffnung einer Verkaufskonferenz sticht sie alle der Hafer. Daher geht es am ersten Tag immer ziemlich locker zu. Wir bemühen uns, die Leute ein bißchen aufzumöbeln - erzählen denen, die vom Außendienst kommen, was für tolle Kerle sie sind, was für ein prima Laden Felding-Roth ist und wie froh wir sind, sie bei uns zu haben. An den beiden folgenden Tagen wenden wir uns dann ernsteren Geschäften zu.«
»Gehöre ich zum lockeren Teil?« hatte Celia gefragt, als sie dem Programm entnommen hatte, daß sie am Nachmittag des ersten Tages reden sollte.
»Sicher. Sie sind die einzige Frau, die für uns als Vertreterin tätig ist. Viele haben schon von Ihnen gehört, und alle wollen mal was anderes sehen und hören.«
»Ich werde mich bemühen, sie nicht zu enttäuschen«, erklärte Celia.
Das war, als Sam und Celia kurz nach dem Frühstück im Waldorf gemeinsam mit anderen Tagungsteilnehmern auf der Park Avenue einen Spaziergang machten. In einer Stunde sollte die Konferenz beginnen. Zuvor genossen sie den milden und sonnigen Aprilmorgen. Klare, frische Winde wehten durch Manhattan, und der Frühling kündigte sich mit zahlreichen Tulpen und Narzissen auf den Promenaden der Park Avenue an. Zu beiden Seiten toste der mehrspurige Verkehr, und auf den Gehwegen strömte eine Flut von Büroangestellten an Sam und Celia vorbei, während sie selbst gemächlich dahinschlenderten.
Celia, die am frühen Morgen aus New Jersey gekommen war und die nächsten beiden Nächte im Waldorf bleiben sollte, hatte ihre Garderobe für diese Gelegenheit sorgfältig ausgewählt. Sie trug ein neues, maßgeschneidertes marineblaues Kostüm mit einer weißen Rüschenbluse. Celia wußte, daß sie gut aussah und daß diese Kombination aus Weiblichkeit und geschäftlicher Kühle ihr gut stand. Sie war auch froh, daß sie keine Brille mehr trug. Jetzt gehörten Kontaktlinsen, wie Andrew es auf ihrer Hochzeitsreise vorgeschlagen hatte, zum festen Bestandteil ihres Lebens.
»Sie haben also beschlossen, mir den Entwurf Ihrer Rede nicht zu zeigen«, stellte Sam plötzlich fest.
»Oje!« sagte sie. »Das hab' ich ganz vergessen.«
Sam sprach mit erhobener Stimme, um sich über den Verkehrslärm hinweg verständlich zu machen. »Das mögen andere glauben - ich nicht, denn ich weiß, daß Sie fast nie etwas vergessen.«
Als Celia antworten wollte, brachte er sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Sie brauchen nichts zu sagen. Ich weiß, daß Sie anders sind als die meisten, die für mich arbeiten, und das bedeutet auch, daß Sie die Dinge auf Ihre Weise anpacken, und bis jetzt haben Sie sich fast nie geirrt. Aber ich muß Sie warnen, Celia - wagen Sie sich nicht zu weit vor. Seien Sie vorsichtig. Verderben Sie sich nicht alles, indem Sie zuviel auf einmal wollen oder zu rasch vorgehen.«
Als sie umkehrten, die Park Avenue überquerten und zurück ins Waldorf gingen, war Celia schweigsam und nachdenklich. Ging das, was sie an diesem Nachmittag vorhatte, zu weit? Überlegte sie.
Jetzt, da die Verkaufstagung begonnen hatte und sie der gesamten Verkaufsmannschaft von Felding-Roth im Astor Room des Wa/dorf gegenüberstand, wurde ihr klar, daß sie dabei war, es herauszufinden.