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Ihre Zuhörer waren zum größten Teil Vertreter sowie Inspektoren und Bezirksleiter, alle von Außenposten der Firma, von Alaska bis Florida, Hawaii, Kalifornien, den Dakotas, Texas, New Mexico, Maine und vielen anderen Gegenden. Für die meisten war es der einzige direkte Kontakt, den sie alle zwei Jahre mit ihren Vorgesetzten in der Geschäftszentrale hatten. Es war eine Zeit des kameradschaftlichen Zusammenseins und frisch auflebender Begeisterung. Neue Ideen und Produkte wurden vorgestellt und bei manchen sogar Idealismus und Hingabe wiedergeweckt. Es herrschte lärmende gute Laune, Lust auf Frauen und Alkohol - Dinge, wie sie zu jeder Verkaufstagung in jeder anderen Branche an jedem anderen Ort auch gehören.

»Als ich eingeladen wurde, vor Ihnen zu sprechen«, erklärte Celia ihren Zuhörern, »schlug man mir vor, einige Erfahrungen, die ich als Vertreterin gesammelt habe, zu beschreiben, und das will ich tun. Man hat mich davor gewarnt, allzu Ernstes oder Kontroverses vorzubringen. Aber darauf kann ich leider nicht verzichten. Wir alle wissen, daß es sich bei unserer Tätigkeit um ein ernstes Geschäft handelt. Wir sind Teil eines Unternehmens, das wichtige, lebenswichtige Produkte auf den Markt bringt. Daher sollten wir uns bemühen, ernst zu sein. Und genau das will ich tun. Aber ich glaube auch noch etwas anderes: Ich glaube, daß gerade wir, die wir an der vordersten Front tätig sind, fähig sein sollten, offen, ehrlich und wenn nötig kritisch miteinander umzugehen.«

Während sie sprach, war sich Celia nicht nur der vielen Vertreter unter den Zuhörern bewußt, sondern auch einer kleineren Gruppe, die auf den reservierten Plätzen in den beiden vorderen Reihen saß: die Führungskräfte von Felding-Roth - der Vorsitzende des Aufsichtsrats, der Präsident, der Vizepräsident, der Leiter der Verkaufsabteilung und ein Dutzend andere. Sam Haw-thorne, dessen fast kahler Kopf wie ein Leuchtturm herausragte, saß mitten unter ihnen.

Eli Camperdown saß ganz vorn in der Mitte, wie es sich für den Präsidenten geziemte, neben ihm der alte und gebrechliche Vorsitzende des Aufsichtsrats, Floyd VanHouten, der die Firma vor zehn Jahren geleitet und geformt hatte. Heute beschränkten sich VanHoutens Pflichten offiziell hauptsächlich darauf, den Sitzungen des Direktoriums vorzustehen, aber er hatte trotzdem noch immer einen starken Einfluß.

»Ich habe den Ausdruck >kritisch< benutzt«, sagte Celia ins Mikrofon, »und genau das beabsichtige ich zu sein - auch wenn es dem einen oder anderen unter Ihnen nicht gefallen wird. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Ich möchte einen positiven Beitrag zu dieser Veranstaltung leisten und nicht nur als Schmuckstück dienen. Außerdem bewegt sich alles, was ich sagen werde, innerhalb der Grenzen des Themas, das man mir gestellt und das im Programm mit >Der Verkauf von Arzneimitteln aus der Sicht einer Frau< angeführt ist.«

Die Aufmerksamkeit aller war jetzt auf sie gerichtet. Im Saal war es mucksmäuschenstill.

Das war ihre größte Sorge gewesen - ob sie das geweckte Interesse würde wachhalten können. Als sie am Morgen nach dem Spaziergang auf der Park Avenue die volle, rauchige, lärmerfüllte Vorhalle betreten hatte, in der sich die Teilnehmer versammelten, hatte Celia zum ersten Mal, seit sie zugestimmt hatte, den Vortrag zu halten, Nervosität verspürt. Sie mußte sich eingestehen, daß die Felding-Roth-Verkaufstagung, jedenfalls im Augenblick, eben doch eine männliche Angelegenheit war - mit jovialem Schulterklopfen, zweideutigen Witzen und polterndem Gelächter, vermischt mit mehr oder weniger - aber eher weniger - originellen Gesprächen. Celia konnte schon nicht mehr zählen, wie oft sie »Tag, lange nicht gesehen, was?« gehört hatte, als wäre es eine neue, eben erfundene Redensart.

»Genau wie Ihnen«, fuhr sie fort, »liegt auch mir sehr viel an dieser Firma, für die wir arbeiten, und an der pharmazeutischen Industrie, zu der wir gehören. Beide haben in der Vergangenheit Gutes geleistet und werden das auch in Zukunft tun. Aber es gibt einige Dinge, die nicht ganz in Ordnung sind, ganz und gar nicht in Ordnung, vor allem beim Verkauf. Ich möchte Ihnen gern sagen, welche Dinge das meiner Meinung nach sind und wie man sie ändern könnte.«

Celia warf einen Blick zu der Reihe hinüber, in der die Geschäftsleitung saß, und entdeckte auf mehreren Gesichtern Unbehagen; ein paar Zuhörer rutschten unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Ganz offensichtlich waren ihre Worte nicht gerade das, was man erwartet hatte.

Sie blickte in eine andere Richtung und versuchte, sich zu konzentrieren.

»Bevor wir heute morgen hierherkamen, haben wir alle die Wimpel und den Ausstellungsstand für Lotromycin gesehen -ein hervorragendes Heilmittel, ein ganz großer Durchbruch in der Medizin, und ich für meinen Teil bin stolz darauf, es verkaufen zu dürfen.«

Die Männer klatschten, und es waren ein paar freundliche Zurufe zu hören. Celia machte eine Pause. Die Stände in der Vorhalle stellten ein Dutzend der wichtigsten Präparate von Felding-Roth zur Schau, aber sie hatte das Lotromycin erwähnt, weil sie persönlich damit zu tun hatte.

»Wenn Sie sich eine der Broschüren ansehen - manche von Ihnen werden das schon getan haben -, dann werden Sie feststellen, daß darin die Anwendung von Lotromycin durch meinen Mann beschrieben ist. Er ist Arzt - Internist. Mein Mann hat mit diesem und einigen anderen Mitteln ausgezeichnete Erfahrungen gemacht. Er hat aber auch schlechte Erfahrungen mit Arzneimitteln und mit Vertretern gemacht, die ihn getäuscht haben, weil sie ihm über die Medikamente falsche Informationen gaben. Er steht mit dieser Erfahrung nicht allein. Andere Ärzte - viel zu viele, wie ich aus Berichten, die ich gesammelt habe, weiß - teilen diese Erfahrung. Das ist etwas in unserem Geschäft, das sich ändern sollte und das geändert werden kann.«

Celia war sich darüber im klaren, daß sie sich nun auf gefährlichem Boden befand. Sie sah die Zuhörer an und überlegte ihre Worte sorgfältig, bevor sie fortfuhr:

»Als Folge seiner Erfahrungen als Arzt teilt mein Mann, wie er mir sagte, die Pharma-Vertreter in drei Gruppen ein - in diejenigen, die ihm ehrlich Auskunft über die Produkte ihrer Firmen geben, einschließlich nachteiliger Nebenwirkungen; in jene, die nicht informiert sind und ihm keine richtige Auskunft über das Präparat geben können, für das sie werben; und in diejenigen, die ihm alles mögliche, ja sogar Lügen auftischen, nur um ihn dazu zu bringen, seinen Patienten das Mittel zu verschreiben, das sie anbieten.

Ich würde gern sagen, daß die erste dieser drei Gruppen - die Vertreter, die informiert und ehrlich sind - die größte Gruppe ist, und daß die anderen beiden kaum vorkommen. Leider aber ist das nicht der Fall. Die zweite und dritte Gruppe überwiegen, umfassende und richtige Information ist selten. Das trifft auf alle Firmen im pharmazeutischen Bereich zu, auch auf uns.«

Celia konnte jetzt Anzeichen von Bestürzung erkennen, nicht nur unter den vorn sitzenden leitenden Angestellten, sondern auch weiter hinten. Das allgemeine mißmutige Gemurmel wurde übertönt von einem: »He, was soll das denn?«

Sie hatte diese Reaktion vorausgesehen und einkalkuliert. Als sie weitersprach, war ihre Stimme kräftig und durchdringend.

»Ich bin überzeugt, daß Sie sich jetzt zwei Fragen stellen. Erstens: >Woher will sie das alles wissen, und kann sie es überhaupt beweisen?< Und zweitens: >Warum erzählt sie uns das gerade jetzt, zu einem Zeitpunkt, an dem wir glücklich und zufrieden sind und uns wohl fühlen und keine unangenehmen Dinge hören wollen?<«

Wieder eine Stimme aus den Reihen der Zuhörer: »Verdammt richtig, genau das würden wir gern wissen!«

»Das sollen Sie auch!« gab Celia zurück. »Sie haben das Recht auf eine Antwort, und ich werde sie Ihnen geben.«

»Hoffentlich eine gute!«

Auf noch etwas hatte Celia gesetzt - darauf, daß sie, welche Reaktionen ihre Rede auch hervorrufen mochte, Gelegenheit haben würde, sie zu Ende zu bringen. Das schien der Fall zu sein. Obwohl in den Reihen der Geschäftsführung Stirnrunzeln und Mißbilligung vorherrschten, stand niemand auf, um ihr das Wort zu entziehen.