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SENATOREN STELLEN BEI ARZNEIMITTELN UM 1118 PROZENT ÜBERHÖHTE PREISE FEST

Washington Evening Star

SENATSAUSSCHUSS BEZIFFERT DIE GEWINNSPANNE BEI ARZNEIMITTELN MIT 7079 PROZENT

New York Times

RISIKO BEI ARZNEIMITTELN FESTGESTELLT

Miami Herald

HOHER GEWINN BEI TRANQUILIZERN

Chlorpromazin in den USA sechsmal so teuer wie in Paris

New York Times

Es wurde bekannt, daß Arzneimittel, die im Ausland entwickelt worden waren, in jenen Ländern weitaus billiger verkauft wurden als in den USA. Das war, wie hervorgehoben wurde, absurd, denn den amerikanischen Firmen, die die Arzneimittel vertrieben, waren absolut keine Kosten für die Entwicklung entstanden.

In französischen Apotheken kosteten zum Beispiel 50 Tabletten Chlorpromazin 51 Cents - im Vergleich zu 3.03 Dollar in den Vereinigten Staaten. Auch der Preis von Reserpin war in den USA dreimal so hoch wie in Europa, wo das Präparat entwickelt worden war.

Eine weitere merkwürdige Differenz zeigte sich bei dem in den USA hergestellten Penicillin, das in Mexico nur zwei Drittel von dem kostete, was dafür in seinem Ursprungsland verlangt wurde. Wie behauptet wurde, waren die hohen US-Preise das Resultat ungesetzlicher Preisabsprachen zwischen den Herstellerfirmen.

TIERNAHRUNG GRÜNDLICHER GEPRÜFT ALS ARZNEIMITTEL

Los Angeles Times

VORTRAG EINES FDA-BEAMTEN VON WERBETEXTER

UMGESCHRIEBEN

Werbeslogan von Pharma-Firma für offizielle Rede verwendet

New York Times

Es wurde bekannt, daß eine Rede, die der Chef einer Abteilung der Food and Drug Administration vor einem internationalen Antibiotika-Symposium halten wollte, zuvor an Pfizer, eine Arzneimittelfirma, geschickt worden war, um deren Zustimmung einzuholen. Ein Werbetexter schrieb den Text um und baute einen Hinweis auf Sigmamycin, ein Pfizer-Produkt, ein. Später kaufte die Arzneimittelfirma 260.000 Nachdrucke der Rede und tat so, als handele es sich um eine Empfehlung der FDA.

Die negativen Schlagzeilen in den regionalen und überregionalen Zeitungen und die Kommentare in Rundfunk und Fernsehen nahmen kein Ende.

Alles in allem war es »nicht gerade ein sehr ruhmreiches Jahr für das Gebiet, auf dem ich arbeite«, sagte Celia im Dezember zu Andrew.

Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich im Mutterschaftsurlaub, weil Ende Oktober ihr zweites Kind zur Welt gekommen war, wieder ganz nach Plan. Wie Andrew vorausgesagt hatte, wurde es ein Junge. Sie nannten ihn Bruce.

Ihr Leben wurde seit einigen Monaten durch eine junge Engländerin, Winnie August, erleichtert, die bei ihnen wohnte und sich während ihrer Abwesenheit um die Kinder kümmerte. Andrew hatte sie durch eine Agentur gefunden, die in medizinischen Zeitschriften warb. Sie war neunzehn, hatte vorher als Verkäuferin in London gearbeitet und wollte, wie sie es ausdrückte, »mal einen Arbeitsurlaub machen, um herauszufinden, was die Amis für Leute sind, und dann vielleicht ein, zwei Jahre unten bei den Australiern verbringen«. Sie war fröhlich, flink und brachte zu Andrews großer Freude jeden Morgen in Windeseile das Frühstück auf den Tisch. »Reine Übungssache. Hab' ich zu Hause immer für meine Mutter gemacht«, erklärte sie, als er ihr deshalb Komplimente machte. Winnie mochte Kinder und vergötterte Lisa. Andrew und Celia hofften sehr, daß sich Winnies Abreise nach Australien noch möglichst lange hinauszögern würde.

Ein anderer Vorfall, auf den Celia aufmerksam wurde, ereignete sich Ende 1960. Für das deutsche Mittel Thalidomid, das in den USA und Kanada unter dem Namen Kevadon bekannt war, wurde bei der FDA der Antrag auf Zulassung zum Verkauf gestellt. Nach Aussagen der pharmazeutischen Fachblätter hatte die Merrell Company, die die Lizenz für Nordamerika erworben hatte, großangelegte Pläne mit Thalidomid-Kevadon, weil sie glaubte, dieses Präparat würde sich in den USA genauso gut verkaufen lassen wie in Europa. Die Firma drängte die FDA, ihre Zustimmung möglichst rasch zu erteilen. Inzwischen wurden Proben des Medikaments - offiziell, um es zu »testen«, in Wirklichkeit aber ohne Einschränkung - von begeisterten Merrell-Vertre-tern an über tausend Ärzte verteilt.

Diese Nachricht erinnerte Celia an die Unterhaltung, die sie acht Monate zuvor mit Sam Hawthorne geführt halte, nachdem er innerhalb der Firma eine gewisse Verstimmung über Celias Vorschlag verspürt hatte, Thalidomid nur an alten Leuten testen zu lassen. Sie überlegte kurz, ob man es ihr wohl noch immer übelnahm, schob den Gedanken dann aber als unwichtig bei-seite.

Andere Dinge beschäftigten sie.

Mitte Dezember bereits, früher als nach Lisas Geburt, kehrte Celia an ihren Arbeitsplatz bei Felding-Roth zurück. Einerseits, weil es in der Abteilung für Verkaufstraining ziemlich viel zu tun gab; die Firma wurde erweitert, und es kamen hundert neue Vertreter sowie - auf Celias Drängen - einige Vertreterinnen hinzu, wenn es auch nur ein halbes Dutzend war. Ein anderer Grund für ihre Entscheidung war aber auch das ansteckende Gefühl nationaler Erregung. Im November war John F. Kennedy zum Präsidenten gewählt worden, und es hatte, nicht zuletzt dank geschickter Rhetorik, den Anschein, als sei dies der Beginn einer neuen, kreativen Ära.

»Ich möchte einfach dazugehören«, gestand Celia Andrew. »Die Leute reden von einem >Neubeginn< und von einer geschichtlichen Wende<, es heißt, es sei eine Zeit, um jung zu sein, um Verantwortung zu übernehmen. Wenn ich jetzt die Arbeit wiederaufnehme, dann bedeutet das, daß ich daran teilhabe.«

»Soso«, hatte Andrew fast gleichgültig gesagt, was ungewöhnlich war. Dann, als habe er es gemerkt, fügte er hinzu: »Ich habe nichts dagegen.«

Aber Andrews Gedanken waren ganz woanders, bei einem Problem, das ihn persönlich betraf.

Es ging um Dr. Noah Townsend, Andrews Seniorpartner und angesehener Chefarzt des St. Bede's Hospitals. Andrew hatte etwas Häßliches und Unerfreuliches über Noah in Erfahrung gebracht, das die Frage aufwarf, ob der ältere Arzt überhaupt noch fähig war, seinen Beruf auszuüben.

Dr. Townsend war drogensüchtig.

9

Noah Townsend, der jetzt achtundfünfzig Jahre alt war, hatte über viele Jahre den tüchtigen, erfahrenen Arzt verkörpert, wie er im Buche steht. Er war überaus gewissenhaft und behandelte alle Patienten, ob arm oder reich, mit derselben Sorgfalt. Er war eine vornehme Erscheinung, stets höflich und würdevoll. Infolgedessen florierte seine Praxis, seine Patienten mochten ihn und blieben ihm treu - aus gutem Grund, denn sie waren bei ihm in den besten Händen. Seine diagnostischen Fähigkeiten waren bemerkenswert. Townsends Frau Hilda hatte Andrew erzählt: »Ich war mit Noah auf einer Party; er erblickte am anderen Ende des Raums einen völlig fremden Menschen und sagte zu mir: >Dieser Mann da drüben ist sehr krank und weiß es nicht.< Oder ein anderes Maclass="underline" >Diese Frau dort - ich weiß nicht, wie sie heißt - wird in sechs Monaten sterben.< Und er hat immer recht gehabt. Immer.«

Townsends Patienten waren derselben Meinung. Manche erzählten sich Anekdoten über seine zutreffenden Diagnosen und nannten ihn den »Zauberdoktor«. Einer brachte ihm aus Afrika die Maske eines Medizinmannes mit, die Townsend stolz in der Praxis aufhängte.

Auch Andrew hatte Respekt vor den Fähigkeiten des älteren Kollegen. Zwischen den beiden hatte sich eine wirkliche Freundschaft entwickelt, und Townsend verhielt sich seinem wesentlich jüngeren Kollegen gegenüber in jeder Hinsicht großzügig. Andrew bewunderte besonders, daß Noah Townsend systematisch alles las, was auf dem medizinischen Sektor publiziert wurde, um sich auf dem laufenden zu halten, was bei den wenigsten Ärzten seines Alters üblich war. Dennoch war Andrew schon seit mehreren Monaten aufgefallen, daß Townsend zeitweise unkonzentriert wirkte und gelegentlich undeutlich artikulierte. Und dann hatte es Anfang des Jahres ein paar Vorfälle gegeben, bei denen sich Noah höchst merkwürdig verhalten hatte. Andrew war beunruhigt, auch wenn er weiterhin glaubte, daß alles auf Überanstrengung und Übermüdung zurückzuführen sei.