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Als er sie fragend ansah, fügte sie hinzu: »Lisa hat dir heute abend gutgetan; du hast dich richtig entspannt, mehr als in den letzten Wochen. Du hast Sorgen, nicht wahr?«

»Kann man das denn sehen?« fragte er überrascht.

»Liebling, wir sind seit vier Jahren verheiratet!«

»Es waren die schönsten vier Jahre meines Lebens«, sagte er gerührt. Während er seinen Scotch trank, betrachtete er den Weihnachtsbaum, und Celia wartete schweigend ab. Schließlich sagte er: »Wenn es so deutlich zu sehen war, warum hast du mich dann nicht gefragt, was los ist?«

»Ich wußte, daß du es mir zu gegebener Zeit von selbst sagen würdest.« Celia trank einen Schluck von ihrem Daiquiri. »Möchtest du es mir jetzt erzählen?«

»Ja«, antwortete er langsam. »Ja, ich glaube, das möchte ich.«

»Mein Gott!« sagte Celia leise, als Andrew geendet hatte. »Du lieber Gott!«

»Du siehst«, sagte er, »daß ich gute Gründe habe, nicht gerade fröhlich zu sein.«

Sie ging zu ihm hinüber, legte ihm die Arme um den Hals, lehnte ihr Gesicht an seines und hielt ihn fest. »Mein armer, armer Liebling. Was für eine Last hast du mit dir herumgetragen! Ich hatte ja keine Ahnung. Es tut mir so leid für dich.«

»Vielleicht sollte dir - Noah mehr leid tun.«

»Das tut er auch. Das tut er wirklich. Aber du bist mir am wichtigsten, und ich werde nicht zusehen, daß du dich weiter so quälst.«

»Dann sag mir, was ich tun soll«, erwiderte er schroff.

»Ich weiß, was du tun mußt.« Celia ließ ihn los und sah ihn an. »Du mußt es jemandem erzählen, Andrew, nicht nur mir.«

»Und wem - zum Beispiel?«

»Jemandem aus dem Krankenhaus. Jemandem, der Autorität besitzt - der etwas unternehmen kann, um Noah zu helfen.«

»Celia, das kann ich nicht! Wenn ich das täte, gäbe es Gerede, auch außerhalb des Krankenhauses. Noah würde sein Ansehen einbüßen; er würde seinen Posten als Chefarzt verlieren, und der Himmel weiß, was mit seiner Approbation geschähe. Auf jeden Fall würde es ihn zerstören. Ich kann es nicht, ich kann es einfach nicht tun.«

»Und was nun?«

»Ich wünschte, ich wüßte es«, sagte er düster.

»Ich möchte dir helfen«, erklärte Celia. »Das möchte ich wirklich, und ich habe eine Idee.«

»Ich hoffe, sie ist besser als die vorige.«

»Ich bin nicht sicher, daß die vorige so schlecht war. Aber wenn du Noahs Namen nicht erwähnen willst, warum sprichst du dann nicht mit irgend jemandem rein theoretisch über die Angelegenheit. Horch sie aus, sprich ganz allgemein über das Thema, versuch herauszufinden, wie die anderen im Krankenhaus darüber denken.«

»Denkst du an jemand Bestimmtes?«

»Warum nicht der Verwaltungsdirektor?«

»Len Sweeting? Ich weiß nicht recht.« Andrew ging im Zimmer auf und ab, überlegte, dann blieb er neben dem Weihnachtsbaum stehen. »Nun, es ist zumindest eine Idee. Danke. Ich werde darüber nachdenken.«

»Ich hoffe, Sie und Celia hatten ein schönes Weihnachtsfest«, sagte Leonard Sweeting.

»Ja«, versicherte Andrew, »das hatten wir.«

Sie befanden sich im Büro des Verwaltungsdirektors hinter geschlossenen Türen. Sweeting saß hinter seinem Schreibtisch, Andrew ihm gegenüber.

Der Verwaltungsdirektor war ein ehemaliger Rechtsanwalt, groß und schlank wie ein Basketballspieler, der dem ungewöhnlichen Hobby des Hufeisenwerfens nachging und schon mehrere Wettbewerbe gewonnen hatte. Manchmal behauptete er, es sei leichter gewesen zu siegen, als die Ärzte dazu zu bringen, irgendeinem Vorschlag zuzustimmen. Er hatte die Tätigkeit im Krankenhaus aufgenommen, als er noch nicht dreißig war, und jetzt, mit Ende Vierzig, schien er genausoviel zu wissen wie manche Mediziner. Andrew hatte Len Sweeting anläßlich der erfolgreichen Anwendung von Lotromycin vor vier Jahren recht gut kennengelernt und respektierte ihn.

»Sie sagten, Sie hätten ein Problem, Andrew. Etwas, wobei Sie meinen Rat brauchten.« Sweetings buschige Augenbrauen bewegten sich beim Sprechen wie vibrierende Bürsten auf und ab.

»Es handelt sich um einen Freund von mir, einen Arzt in Florida«, log Andrew. »Er arbeitet dort in einem Krankenhaus und hat etwas entdeckt, mit dem er nicht fertig wird. Mein Freund hat mich gebeten, ihm zu sagen, wie wir uns in einer solchen Situation verhalten würden.«

»In was für einer Situation?«

»Es hat mit Drogen zu tun.« Andrew entwarf kurz eine Geschichte, die seiner eigenen glich, war aber darauf bedacht, nicht zu deutliche Parallelen zu ziehen.

Während er sprach, bemerkte er, wie Sweeting ihn aufmerk-sam musterte; die anfängliche Freundlichkeit war verschwunden. Er runzelte die Stirn und stand schließlich abrupt auf.

»Andrew, ich habe genügend eigene Probleme und kann mich nicht auch noch um die anderer Krankenhäuser kümmern. Aber ich werde Ihnen einen Rat geben: Sagen Sie Ihrem Freund, daß er sehr, sehr vorsichtig sein soll. Er bewegt sich auf gefährlichem Boden, vor allem, wenn er einen Kollegen beschuldigt. Und nun müssen Sie mich, bitte, entschuldigen . . .«

Er wußte es. Blitzartig erkannte Andrew, daß Len Sweeting genau wußte, wovon er sprach und über wen. Die Geschichte mit dem Freund in Florida hatte Sweeting keinen Augenblick hinters Licht führen können. Weiß der Himmel woher, dachte Andrew, aber er weiß es schon länger als ich. Er wollte nur nichts damit zu tun haben. Alles, was er wollte, war, Andrew so schnell wie möglich loszuwerden.

Und noch etwas. Wenn Sweeting es wußte, dann mußten es auch noch andere im Krankenhaus wissen. Ganz bestimmt waren Kollegen darunter, die ranghöher und dienstälter waren als Andrew. Und auch sie unternahmen nichts.

Andrew stand auf, um zu gehen; er kam sich ziemlich naiv und dumm vor. Len Sweeting begleitete ihn zur Tür. Er gab sich jetzt wieder ganz freundlich, legte ihm sogar den Arm um die Schultern.

»Tut mir leid, daß ich Sie so schnell vertreiben muß, aber ich erwarte gleich wichtige Besucher - Geldgeber, von denen wir uns ein paar Millionen Dollar für unser Krankenhaus erhoffen. Wir benötigen diese Spenden dringend. Übrigens - Ihr Chef wird auch dabeisein. Noah ist eine ungeheure Hilfe, wenn es darum geht, Gelder flüssigzumachen. Scheint Gott und die Welt zu kennen und ist sehr beliebt. Manchmal frage ich mich, wie das Krankenhaus ohne unseren Dr. Townsend überhaupt existieren könnte.«

Das war es also. Die Botschaft, unverblümt und unmißverständlich, lautete: Hände weg von Noah Townsend! Wegen seiner Verbindungen zu Geldgebern war er für das St. Bede's Hospital viel zu wertvoll, als daß man ihn in irgendeinen Skandal hätte verwickeln wollen. Laßtesuns vertuschen, Jungs; wenn wirso tun, als gäbe es das Problem gar nicht, verschwindet es vielleicht von allein.

Und wenn Andrew je versuchen sollte, das, was Sweeting ihm gerade durch die Blume gesagt hatte, zu verbreiten, würde der Verwaltungsdirektor entweder leugnen, daß die Unterhaltung je stattgefunden hatte, oder behaupten, man habe ihn falsch verstanden.

Noch am selben Tag sagte sich Andrew, daß ihm gar nichts anderes übrigblieb, als zu tun, was alle anderen auch taten - nämlich nichts.

Er beschloß jedoch, Noah Townsend von jetzt an, so gut er konnte, zu beobachten und dafür zu sorgen, daß Noahs Praxis und seine Patienten nicht darunter litten.

Als Andrew Celia von den Ereignissen berichtete und ihr seinen Entschluß mitteilte, sah sie ihn mit einem seltsamen Ausdruck an. »Es ist deine eigene Entscheidung, und ich kann verstehen, warum du so entschieden hast. Trotzdem - es könnte sein, daß du es einmal bereuen wirst.«