Er nahm die Packung, überflog die Information über die Zusammensetzung und lachte. »Warum nicht, Liebling? Wenn du dieses alte ölige Zeug unbedingt verwenden willst, wird es Bru-cie kaum schaden. Helfen wird es ihm allerdings auch nicht, aber vielleicht fühlst du dich dann besser - als eine Mutter, die etwas tut« Andrew machte die Packung auf und untersuchte die Tube. Noch immer amüsiert sagte er: »Vielleicht ist das der springende Punkt, um den es bei Healthotherm geht. Es ist gar nicht für die Kinder; in Wirklichkeit ist es für ihre Mütter.«
Celia wollte schon in Lachen ausbrechen, dann hielt sie inne und sah Andrew merkwürdig an. Zwei Gedanken gingen ihr durch den Kopf: Sie würde ihr kritisches Denken für eine Weile ablegen müssen; daran bestand gar kein Zweifel. Und außerdem hatte Andrew gerade eine gute . . . nein! . . . eine prächtige, eine ganz ausgezeichnete Idee gehabt.
»Nein«, sagte Celia über den Tisch hinweg zu den Mitarbeitern der Werbeagentur. »Nein, mir gefällt nichts davon.« Es wirkte wie das plötzliche Verlöschen eines Feuers. Wenn es im Konferenzraum der Agentur einen Temperaturanzeiger gegeben hätte, dachte Celia, dann wäre er von »warm« auf »frostig« gesunken. Sie spürte, wie die vier Werbeleute hastig überlegten, wie sie reagieren sollten.
Es war ein Dienstag, Mitte Januar. Celia und drei Mitarbeiter von Bray & Commonwealth waren am frühen Morgen von New Jersey zu diesem Treffen bei der Quadrille-Brown-Werbeagentur nach New York gefahren. Sam Hawthorne, der schon am Abend zuvor in New York eingetroffen war, hatte sich zu ihnen gesellt.
Draußen herrschte trübes, stürmisches Wetter. Die Quadrille-Brown-Agentur befand sich im Burlington House in der Avenue of the Americas, auf der der Verkehr dröhnte und eilige Fußgänger gegen eine tückische Mischung aus Schnee und gefrorenem Regen ankämpften.
Anlaß für dieses Treffen im Konferenzraum in der 44. Etage war die Werbekampagne von Bray & Commonwealth - ein ganz normaler Vorgang nach einem Wechsel im Management. Während der vergangenen Stunde hatte man das Programm effektvoll und mit allem zeremoniellen Drum und Dran präsentiert -so daß Celia das Gefühl hatte, auf einem Podium zu stehen, während ein ganzes Regiment vorbeimarschierte. Allerdings kein sehr eindrucksvolles Regiment, wie sie fand. Und das hatte sie zu ihrer Bemerkung veranlaßt, die wie ein Blitz eingeschlagen war.
An dem langen Mahagonitisch schien sich Al Fiocca, ein Mann mittleren Alters und künstlerischer Leiter der Agentur, vor Schmerzen zu winden; er strich sich über seinen Van-Dyke-Bart, scharrte mit den Füßen, wohl weil ihm die Worte fehlten, und überließ den nächsten Zug dem jungen Kenneth Orr. Orr war es auch gewesen, der in seinem schmucken blauen Nadelstreifenanzug mit weicher Stimme bisher das Wort geführt hatte. Dexter Wilson, der Dritte im Bunde und für die Kundenwerbung zuständig, hatte die einzelnen Entwürfe präsentiert. Wilson, ein paar Jahre älter als Orr und vorzeitig ergraut, hatte etwas von der Ernsthaftigkeit eines Baptistenpredigers und sah jetzt besorgt drein, wahrscheinlich, weil es ihn seinen Job kosten konnte, wenn ein Kunde unzufrieden war. Werbeleute verdienten, wie Celia wußte, viel Geld, hatten aber eine unsichere Existenz.
Der Vierte im Agenturquartett, Bladen - Celia hatte sich seinen Vornamen nicht gemerkt -, war Wilsons Assistent. Er schien noch sehr jung zu sein und hatte eifrig dabei geholfen, Tafeln aufzustellen und Entwürfe herumzureichen.
Während der Präsentation kamen und gingen weitere Mitarbeiter der Agentur - insgesamt fast ein Dutzend. Der neueste Entwurf betraf Healthotherm und war schon vor Celias Amtsübernahme in Auftrag gegeben worden.
Außer Celia waren von Bray & Commonwealth Grant Carvill, der Marketingchef, Teddy Upshaw, der Verkaufsleiter, und Bill Ingram, ein junger Produktmanager, anwesend. Carvill, Mitte Fünfzig, ein phlegmatischer Typ, der schon lange bei der Firma tätig war, machte einen tüchtigen, aber phantasielosen Eindruck. Celia hatte beschlossen ihn bald auf einen anderen Posten zu versetzen. Ingram, jungenhaft, mit einem wilden roten Haarschopf, hatte erst vor einem Jahr sein betriebswirtschaftliches Examen in Harvard gemacht und war offenbar sehr eifrig, aber ansonsten eine unbekannte Größe.
Sam Hawthorne stand als Vertreter von Felding-Roth über ihnen allen. Der Direktor der Werbeagentur hatte, als er von Sams Anwesenheit erfuhr, kurz hereingeschaut, um ihn zu begrüßen. Als Sam Celia am Tag zuvor telefonisch mitgeteilt hatte, daß er an der Besprechung teilnehmen werde, erklärte er deutlich: »Ich werde nur dasitzen und zuhören. Sie tragen jetzt eine große Verantwortung und sind noch neu in diesem Geschäft, und da es um einen Haufen Dollar geht, wird den Bossen da oben wohler sein, wenn jemand von der Muttergesellschaft ein Auge darauf hat und Bericht erstatten kann. Aber ich werde mich nicht einmischen, es ist ganz allein Ihre Show.«
Jetzt warf Celia einen Blick zu Sam hinüber. Stimmte er ihrer Bemerkung zu oder nicht? Aber Sams Gesicht war so ausdruckslos wie schon während des ganzen Vormittags.
»Na schön, Mr. Orr«, sagte Celia rasch, »Sie können es sich sparen, darüber nachzudenken, was Sie jetzt tun und wie Sie mich behandeln sollen. Lassen Sie mich ganz offen sagen, warum mir die Anzeigen nicht gefallen und warum ich glaube, daß Ihre Agentur - deren Arbeit ich kenne - sehr viel Besseres leisten kann.«
Sie spürte die Erleichterung der Umsitzenden. Alle Augen, auch die ihrer eigenen Mitarbeiter, waren auf sie gerichtet.
»Wir würden gern Ihre Meinung erfahren, Mrs. Jordan«, sagte Kenneth Orr gewandt. »Wir versteifen uns auf keinen der Vorschläge und entwickeln gern neue Ideen oder richten uns nach Ihren Wünschen.«
»Darüber wäre ich sehr froh«, sagte Celia mit einem Lächeln, »denn ich habe das Gefühl, daß alles, was wir gesehen haben, vor zehn Jahren durchaus in Ordnung gewesen wäre, daß es aber einfach nicht ins heutige Bild paßt. Ich frage mich allerdings, ob das nicht auch in irgendwelchen Anweisungen und Einschränkungen seitens unserer Firma seine Ursache hat.«
Sie merkte, daß Orr und Dexter Wilson sie voller Respekt ansahen. Aber es war der junge Bladen, der herausplatzte: »Verdammt, genauso war's! Immer wenn jemand von uns mit einer tollen Idee kam oder Ihre alten Produkte aufmotzen wollte . . .«
»Das genügt!« unterbrach sein Chef ihn scharf. »Wir geben unseren Kunden nicht die Schuld für Unzulänglichkeiten unserer Werbung. Wir sind Profis, und wir tragen die Verantwortung für das, was wir produzieren. Außerdem spricht man über >alte Produkte nicht in diesem Ton. Bitte entschuldigen Sie, Mrs. Jordan.«
»Was soll das Drumrumgequatsche?« Die Bemerkung kam von Celias Tischseite, bevor sie selbst Gelegenheit hatte, Orr zu antworten. Sie stammte von dem jungen Bill Ingram, dessen Gesicht vor Zorn rot angelaufen war, was gut zu seinen Haaren paßte. »Schließlich sind es doch alte Produkte, weshalb sollte man es dann nicht sagen? Niemand hat verlangt, daß man sie wegwirft, aber bestimmt könnten sie ein wenig Aufmöbelung vertragen. Wenn wir also tatsächlich offen reden wollen, wie Mrs. Jordan gesagt hat, dann sollten wir es auch tun.«