Выбрать главу

Celia spürte die Trauer in seinen Worten.

Andrews Vater war gestorben; die Nachricht hatte sie nur durch Zufall, mehrere Monate nach seinem Tode, erreicht.

Lisa war inzwischen sieben Jahre alt und ging in die zweite Klasse. Sie war schon jetzt eine kleine Persönlichkeit, nahm die Schule ernst und war besonders stolz auf ihr ständig wachsendes Vokabular, wenn sie es auch manchmal überforderte. Als sie Ce-lia von einer Geschichtsstunde erzählte, in der sie die Anfänge der Vereinigten Staaten durchgenommen hatte, sagte sie: »Wir haben die amerikanische Konstipation gelernt, Mommy«, und ein anderes Mal, als sie einen Kreis erklären wollte: »Das Äußere ist der Umgang.«

Bruce, jetzt fast fünf Jahre alt, war im Gegensatz zu seiner Schwester zart und sensibel, was jedoch durch seinen drolligen Sinn für Humor kompensiert wurde. Das veranlaßte Celia einmal, Andrew gegenüber zu bemerken: »Brucie ist leicht verletzbar. Er wird mehr Schutz brauchen als Lisa.«

»Dann muß er tun, was ich getan habe«, erwiderte Andrew, »und eine starke, gute Frau heiraten.« In seiner Stimme schwang Zärtlichkeit mit, und Celia ging zu ihm und umarmte ihn.

»Ich erkenne in Brucie sehr viele von deinen Eigenschaften.«

Natürlich stritten sie sich auch gelegentlich; im Verlauf ihrer achtjährigen Ehe hatte es ein oder zwei wirklich ernste Auseinandersetzungen gegeben, aber nicht mehr, als zwischen Eheleuten normal war, und die kleinen Wunden, die dabei geschlagen wurden, verheilten schnell. Beide wußten, daß sie eine gute Ehe führten, und taten alles, um sie zu bewahren.

Die Kinder waren dabei, als sie im Fernsehen die Unruhen in Watts verfolgten.

»Mein Gott!« sagte Andrew leise, als die schrecklichen Szenen abliefen - Brandstiftung, Plünderungen, Verwüstungen, Brutalität und Mord, heftige Kämpfe zwischen erbitterten Schwarzen und belagerten Polizisten in dem heruntergekommenen abgeriegelten Elendsviertel, das Charcoal Alley hieß. Ein Alptraum aus Armut und Unglück, den die Welt zu ignorieren pflegte, außer in Augenblicken wie diesem, da Watts dramatischen Stoff fürs Fernsehen lieferte. »Mein Gott!« wiederholte Andrew. »Kannst du dir vorstellen, daß das unser Land ist, indem so etwas geschieht?«

Sie waren alle so vertieft, daß Celia erst gegen Ende auf Bruce aufmerksam wurde, der am ganzen Körper zitterte und bebte und leise in sich hineinschluchzte, während ihm Tränen über das Gesicht liefen.

Sie nahm ihn in die Arme und drängte Andrew: »Stell das Ding ab.«

Aber Bruce rief: »Nein, Daddy! Nein!« Und sie sahen weiter zu, bis die schrecklichen Szenen vorüber waren.

»Sie haben die Leute geschlagen, Mommy!« protestierte Bruce später.

Celia, die ihn noch immer tröstend in den Armen hielt, antwortete: »Ja, Brucie, das haben sie getan. Es ist traurig, und es ist nicht richtig. Aber manchmal passiert es eben.« Sie zögerte und fügte dann hinzu: »Und du wirst noch erfahren, daß Dinge, wie wir sie gerade gesehen haben, häufig passieren.«

Später, als die Kinder im Bett waren, sagte Andrew: »Es war alles entsetzlich deprimierend, aber du hast Brucie die richtige Antwort gegeben. Viel zu viele von uns leben wie in einem Kokon. Früher oder später muß auch Brucie lernen, daß es da draußen eine andere Welt gibt.«

»Ja«, sagte Celia nachdenklich. »Ich wollte mit dir schon lange darüber reden. Ich glaube, ich habe auch wie in einem Kokon gelebt.«

Ein Lächeln glitt über Andrews Gesicht. »Handelt es sich dabei vielleicht um einen rezeptfreien Kokon?«

»So ungefähr. Ich weiß, daß du manches von dem, was ich getan habe, nicht gebilligt hast, Andrew - Zum Beispiel Healtho-therm und System 500. Du hast nie viel dazu gesagt. Hat es dir sehr viel ausgemacht?«

»Vielleicht ein bißchen.« Er zögerte. »Ich bin stolz auf dich, Ce-lia, und auf das, was du tust, und deshalb werde ich auch froh sein, wenn du eines Tages zu den rezeptpflichtigen Arzneimitteln bei Felding-Roth zurückkehrst, von denen wir beide wissen, daß sie sehr viel wichtiger sind. Aber inzwischen gibt es ein paar Dinge, mit denen ich mich abgefunden habe. Zum Beispiel, daß die Leute auch weiterhin Schlangenöl kaufen werden, egal, ob du oder andere es herstellen. Also macht es keinen Unterschied, wer es tut. Wenn die Menschen keine rezeptfreien Säfte mehr kauften und statt dessen zu den Ärzten gingen, könnten wir den Ansturm gar nicht bewältigen.«

»Denkst du nicht nur so, weil es mich betrifft?« fragte Celia zweifelnd.

»Und wenn schon. Du bist schließlich meine Frau, und ich liebe dich.«

»Das gilt auch umgekehrt.« Sie beugte sich zu ihm und gab ihm einen Kuß. »Du kannst aufhören, vernünftig zu denken, Liebling. Ich war lange genug bei den Rezeptfreien. Morgen werde ich um meine Versetzung bitten.«

»Ich hoffe, daß es auch klappt.«

Andrews Gedanken aber waren ganz woanders.

Die Fernsehbilder aus Watts gingen ihm nicht aus dem Kopf. Genausowenig wie ein persönliches Problem, das nichts mit Ce-lia oder seiner Familie zu tun hatte - ein Problem, das in quälte und sich nicht lösen lassen wollte.

»Das Dilemma ist«, sagte Sam Hawthorne am nächsten Tag zu Celia, »daß Sie zu erfolgreich waren - jedenfalls erfolgreicher, als irgend jemand erwartet hätte. Sie sind eine Gans, die goldene Eier legt, deshalb hat man sie bei Bray & Commonwealth gelassen.« Sie saßen in Sams Büro in der Zentrale von Felding-Roth -ein Treffen, das auf Celias Bitte zustande gekommen war und bei dem sie um ihre Versetzung gebeten hatte.

»Ich habe hier etwas, das Sie interessieren wird«, sagte Sam. Er zog zwischen verschiedenen Akten einen Ordner hervor und schlug ihn auf. Von ihrem Platz aus konnte Celia erkennen, daß er Bilanzen enthielt.

»Das ist noch nicht im Umlauf, aber der Aufsichtsrat wird es bald zu sehen bekommen.« Sam legte den Finger auf eine Zahl. »Als Sie zu Bray & Commonwealth wechselten, lagen die Gewinne aus diesem Geschäftsbereich bei zehn Prozent aller Fel-ding-Roth-Einnahmen. In diesem Jahr werden es fünfzehn Pro-zent sein, mit steigender Tendenz.« Sam klappte den Ordner zu und lächelte. »Natürlich hat Ihnen der rückläufige Absatz bei rezeptpflichtigen Medikamenten ein bißchen geholfen. Trotzdem ist es eine gewaltige Leistung, Celia. Herzlichen Glückwunsch!«

»Danke«, sagte Celia erfreut. Sie hatte erwartet, daß die Zahlen günstig sein würden, aber auf ein solches Ergebnis war sie nicht gefaßt. Sie überlegte kurz. »Ich glaube, daß die Rezeptfreien ihren Erfolgskurs beibehalten werden, und Bill Ingram hat sich sehr gut eingearbeitet. Und da es - wie Sie gerade sagten - um die rezeptpflichtigen Produkte nicht so gut steht, könnte ich mich dort vielleicht ein wenig nützlich machen.«

»Das werden Sie auch«, sagte Sam. »Ich verspreche es Ihnen. Vielleicht haben wir sogar etwas ganz besonders Interessantes für Sie. Aber ein paar Monate müssen Sie sich noch gedulden.«

3

In Leonard Sweetings Büro standen sich der Verwaltungsdirektor des St. Bede's Hospital und Andrew gegenüber. Es herrschte eine gespannte Atmosphäre. Es war ein Freitag, kurz vor Mittag.

»Dr. Jordan«, sagte Leonard Sweeting mit strenger Stimme und ernstem Gesichtsaudruck, »bevor Sie weiterreden, möchte ich Ihnen raten, sich gut zu überlegen, was Sie sagen, und auch an die möglichen Folgen zu denken.«

»Verdammt noch mal!« stieß Andrew hervor. Nach einer schlaflosen Nacht drohte er jeden Augenblick aus der Haut zu fahren. »Glauben Sie denn, das hätte ich nicht schon getan?«

»Davon ging ich aus. Ich wollte nur ganz sicher sein.« Wie gewöhnlich zog Sweeting die dicken, buschigen Augenbrauen hoch, während er sprach.

»Also gut - fangen wir noch mal an, Leonard, und diesmal mache ich es ganz offiziell.« Andrew wählte seine Worte sorgfältig. »Mein Partner, Dr. Noah Townsend, hält sich im Augenblick oben auf der Station zur Visite auf. Soviel ich weiß, steht Dr. Townsend unter dem Einfluß von Drogen, er ist süchtig. Meiner Meinung nach ist er nicht fähig zu praktizieren und stellt damit ein Risiko für die Patienten dar. Wie ich erfahren habe, ist in dieser Woche ein Krankenhauspatient gestorben, weil Noah Townsend ein Fehler unterlaufen ist, als er unter Drogen stand.«