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»Ich empfehle mit allem Nachdruck«, schrieb er, »in Großbritannien ein Felding-Roth-Forschungsinstitut einzurichten. Das Institut sollte von einem hochqualifizierten englischen Wissenschaftler geleitet werden und völlig unabhängig von unseren Forschungen in den Vereinigten Staaten arbeiten.«

Nach weiteren Einzelheiten fügte er hinzu: »Ich glaube fest daran, daß dieser Forschungszweig neue Quellen erschließen und die Entwicklung wichtiger Arzneimittel beschleunigen würde, die unsere Firma so dringend benötigt.«

Warum gerade England?

Da er die Frage erwartet hatte, fuhr Sann fort: »Großbritannien hat in der technisch-naturwissenschaftlichen Forschung eine jahrhundertealte Tradition. Allein in diesem Jahrhundert kommen einige der größten Entdeckungen, die unser Leben dramatisch verändert haben, aus Großbritannien: Penicillin, Fernsehen, Radar, der Düsenantrieb für Flugzeuge, um nur vier zu nennen.

Aber es waren amerikanische Gesellschaften, die diese Erfindungen entwickelt und kommerziell ausgewertet haben - weil die Amerikaner beide Fähigkeiten in sich vereinen, zu entwickeln und zu vermarkten, was den Briten häufig abgeht. Aber die ursprünglichen Entdeckungen in diesen und anderen Fällen kamen von den Briten. Der Grund dafür mag in den unterschiedlichen Schulsystemen in Großbritannien und Amerika zu finden sein. Jedes System hat seine Stärken. Aber in Großbritannien wird an den Schulen eine akademische und wissenschaftliche Neugier gefördert wie nirgends sonst auf der Welt. Diese Neugier können und sollten wir zu unserem Vorteil nutzen.«

Sam ging auch ausführlich auf die Kosten ein und schloß dann mit den Worten: »Jemand könnte nun einwenden, daß man leichtsinnig und schlecht beraten sei, wenn man in dieser schweren Zeit, in der die Existenz unserer Firma bedroht ist, ein derart großes und aufwendiges Projekt in Angriff nimmt. Ein neues Forschungsinstitut ist sicher eine erhebliche finanzielle Belastung. Aber ich glaube, daß es noch leichtsinniger, daß man noch schlechter beraten ist, wenn man die Dinge weiterhin einfach schleifen läßt und nicht endlich mit positiven, mutigen Plänen für die Zukunft beginnt - und zwar sofort!«

Mit erstaunlicher Geschwindigkeit formierte sich eine starke Opposition gegen Sam Hawthornes Plan.

Sams Vorschlag war, wie jemand es ausdrückte, »kaum aus der Xerox-Maschine raus« und an die Mitglieder des Aufsichtsrats und einige andere Führungskräfte verteilt, als Sams Telefon auch schon zu klingeln begann und die Anrufer massive Einwände erhoben. »Sicher haben die Engländer große wissenschaftliche Leistungen vollbracht«, argumentierte einer, »aber die werden heutzutage von den amerikanischen bei weitem übertroffen, so daß Ihr Argument einfach lächerlich ist, Sam.« Andere konzentrierten sich auf »die absurde und rückständige Idee, ein Forschungszentrum in einem ausgelaugten, heruntergewirtschafteten Land an zusiedeln, das vielleicht früher mal etwas gewesen ist« - wie ein Mitglied des Aufsichtsrats es erregt ausdrückte.

»Man hätte meinen können«, berichtete Sam seiner Frau ein paar Tage später beim Essen, »ich hätte vorgeschlagen, die Unabhängigkeitserklärung rückgängig zu machen und zum Kolonialstatus zurückzukehren.«

Eins lernte Sam schnelclass="underline" daß ihm seine Führungsposition in der Firma keineswegs carte blanche gewährte, daß er nicht einfach tun konnte, was er wollte, und daß er sich schon gar nicht vom Treibsand korporativer Politik lösen konnte.

Ein Experte für Firmenpolitik war der Leiter der Forschungsabteilung, Vincent Lord, der sich sofort zum Gegner von Sams Vorschlag aufschwang. Während er durchaus der Meinung war, daß für die Forschung mehr Geld ausgegeben werden sollte, bezeichnet er die Idee, dies in Großbritannien zu tun, als »naiv« und Sam Hawthornes Ansichten über die britische Wissenschaft als »Kindergartendenken, das sich auf einen Mythos stützt«.

Diese ungewöhnlich harten, ja beleidigenden Worte standen in einer Notiz, die an Sam gerichtet war, und von der ein Freund und Verbündeter von Vincent Lord im Aufsichtsrat eine Kopie bekam. Als Sam die Mitteilung las, geriet er in Wut und suchte Vincent Lord in seiner Abteilung auf. Als er durch die blitzblank gebohnerten, klimatisierten und verglasten Korridore der Forschungsabteilung ging, mußte Sam an die vielen Millionen Dollar denken, die Felding-Roth für die hochmodernen, computergesteuerten, glitzernden und zuweilen geheimnisvollen Geräte ausgegeben hatte, die in angenehmen, geräumigen Labors untergebracht waren und von einer ganzen Armee weißbekittelter Wissenschaftler und Techniker bedient wurden. Was hier zur Verfügung stand, verkörperte den Traum eines jeden Forschers an einem Universitätsinstitut, war aber für einen großen Pharma-Konzern die Norm. Das Geld, das in der Pharma-Industrie in die Forschung floß, war selten knapp bemessen. Umstritten waren höchstens die Vergabekriterien wie in diesem Fall.

Vincent Lord befand sich in seinem holzgetäfelten, mit Büchern vollgestopften, hell erleuchteten Büro. Die Tür stand offen, und Sam Hawthorne ging geradewegs hinein, nachdem er einer Sekretärin im Vorzimmer, die ihn zuerst aufhalten wollte, ihn dann aber erkannte, kurz zugenickt hatte. Dr. Lord saß im weißen Kittel an seinem Schreibtisch und runzelte wie so oft die Stirn, während er einen Artikel las. Erstaunt blickte er auf und starrte Sam mit seinen dunklen Augen hinter den randlosen Brillengläsern an, sein asketisches Gesicht drückte Verärgerung aus.

Sam hatte Lords Mitteilung mitgebracht. Er legte sie auf den Schreibtisch und verkündete: »Ich bin gekommen, um mit Ihnen darüber zu reden.« Der Leiter der Forschungsabteilung machte einen halbherzigen Versuch, sich zu erheben, aber Sam winkte ab: »Ganz formlos, Vince«, sagte er. »Formlos und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.«

Lord warf einen Blick auf das Memorandum und beugte sich kurzsichtig vor, um zu sehen, worum es sich handelte. »Was ge-fällt Ihnen daran denn nicht?«

»Der Inhalt und der Ton.«

»Und was gibt es sonst noch?«

Sam griff nach dem Papier und drehte es herum. »Es ist ganz ordentlich getippt.«

»Ich schätze«, sagte Lord mit ironischem Lächeln, »daß sie jetzt, wo sie der Chef vom ganzen sind, gern von >Ja-Sagern< umgeben sein möchten.«

Sam Hawthorne stieß einen Seufzer aus. Er kannte Vince Lord seit fünfzehn Jahren, hatte sich inzwischen an seine schwierige Art gewöhnt und war bereit, ihm alles mögliche nachzusehen. »Sie wissen, daß das nicht wahr ist«, sagte er daher ruhig. »Ich will nichts als eine vernünftige Diskussion und bessere Gründe für eine Ablehnung, als Sie sie mir gegeben haben.«

»Was heißt hier vernünftig«, sagte Lord und zog eine Schublade auf, der er einen Ordner entnahm. »Ich wende mich in diesem Zusammenhang ganz entschieden gegen eine Erklärung von Ihnen.«

»Welche?«

»Was unsere eigene Forschung betrifft.« Lord las in der Akte und zitierte aus Sams Vorschlag für das britische Institut: »>Wäh-rend unsere Konkurrenz erfolgreich neue Mittel eingeführt hat, haben wir kaum etwas von Bedeutung vorzuweisen. Und es ist auch weit und breit nichts in Sicht.<«

»Beweisen Sie mir das Gegenteil.«

»Wir arbeiten an einer Reihe vielversprechender Entwicklungen«, sagte Lord. »Einige der jungen Wissenschaftler, die ich geholt habe, sind dabei . . .«

»Vince«, unterbrach ihn Sam, »das weiß ich alles. Ich lese schließlich Ihre Berichte. Und ich gratuliere Ihnen zu den jungen Talenten, die Sie eingestellt haben.«

Es stimmt, dachte Sam. Im Lauf der Jahre hatte sich herausgestellt, daß Vincent Lord die Fähigkeit besaß, talentierte junge Wissenschaftler heranzuziehen. Das mochte daran liegen, daß er selbst noch immer einen guten Ruf besaß, wenn ihm auch die ganz große Entdeckung nicht gelungen war, die man seit langem von ihm erwartete. Auch mit Lords Rolle als Leiter der Forschungsabteilung durfte man nicht unzufrieden sein; die gegenwärtige Flaute war ein Mißgeschick, das jede Firma treffen konnte, selbst wenn sie die besten Wissenschaftler beschäftigte.