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Der Teeraum, so schmucklos und unaufwendig wie das ganze Gebäude, war mit langen Tischen und Holzstühlen ausgestattet und völlig überfüllt. Hier saßen Wissenschaftler beiderlei Geschlechts und jeder Altersgruppe, aber die Gesprächsfetzen, die Celia und Sam aufschnappten, waren entschieden unwissenschaftlich. Bei dem einen Gespräch ging es um Parkplätze - ein älteres Fakultätsmitglied erregte sich darüber, daß ein jüngerer bevorzugt worden war und ihm seinen angestammten Platz weggenommen hatte. Neben ihm berichtete ein bärtiger, weißbekittelter Mann begeistert von einem »sensationellen« Kauf, den er bei einem Weinhändler in Cambridge getätigt hatte; er empfahl den Meursault, den er auf Lager hatte. Eine andere Gruppe diskutierte einen neuen Film, der gerade im Kino lief - »Der Pate« mit Marlon Brando und Al Pacino. Nach einigen komplizierten Manövern und dem Austausch von Plätzen gelang es Martin Peat-Smith, für seine Gäste in einer Ecke Platz zu finden.

»Ist das hier immer so?« fragte Celia.

Martin schien amüsiert. »Normalerweise schon. Fast alle treffen sich hier. Es ist die einzige Gelegenheit, die wir haben, uns zu sehen.«

»Mir scheint, in diesem Gebäude gibt es nicht viele Möglichkeiten, sich zurückzuziehen«, sagte Sam.

Martin zuckte die Achseln. »Das kann manchmal störend sein. Aber man gewöhnt sich daran.«

»Sollte man sich daran gewöhnen?« fragte Sam. Und als er keine Antwort erhielt, fuhr er mit gesenkter Stimme fort: »Martin, ich frage mich, ob Sie vielleicht daran interessiert wären, dieselbe Arbeit, die Sie jetzt hier tun, unter besseren Bedingungen und mit optimaleren Mitteln durchzuführen.«

Ein leises Lachen umspielte Martins Lippen, als er fragte: »Bessere Bedingungen? Wo denn?«

»Wie Sie zu Recht vermuten«, sagte Sam, »schlage ich Ihnen gerade vor, zu Felding-Roth überzuwechseln. Sie brauchten Großbritannien nicht einmal zu verlassen, denn wir planen . . .«

»Entschuldigen Sie bitte!« unterbrach Martin ihn besorgt. »Darf ich Sie etwas fragen?«

»Natürlich.«

»Ist das Angebot Ihrer Firma, meine Arbeiten zu unterstützen, an diese Bedingungen geknüpft?«

Sam schüttelte den Kopf. »Absolut nicht. Die finanzielle Unterstützung ist Ihnen bereits sicher, und es sind keine anderen Bedingungen daran geknüpft als die, über die wir uns geeinigt haben. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«

»Danke. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.« Das jungenhafte Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich glaube, es würde uns beiden Zeit sparen, wenn ich Ihnen etwas erklärte.«

»Lassen Sie hören«, sagte Celia.

»Ich bin Akademiker und Wissenschaftler und beabsichtige, es auch zu bleiben«, erklärte Martin. »Ich will nicht die Gründe dafür aufzählen, aber einer der wichtigsten ist meine Freiheit. Damit meine ich die Freiheit, den Forschungen nachzugehen, die ich mir auswähle, ohne jeglichen kommerziellen Druck.«

»Bei uns hätten Sie Freiheit . . .«, begann Sam. Aber er verstummte, als Martin den Kopf schüttelte.

»Es gäbe kommerzielle Zwänge - seien Sie ehrlich . . .«

»Nun, gelegentlich vielleicht«, gab Sam zu. »Schließlich sind wir ein Unternehmen.«

»Genau. Aber hier muß ich keine kommerziellen Rücksichten nehmen. Hier zählt nur die reine Wissenschaft, die Suche nach neuem Wissen. Und ich möchte, daß es so bleibt. Wollen Sie noch etwas Tee?«

»Danke, nein«, sagte Celia. Auch Sam schüttelte den Kopf.

Draußen auf der Tennis Court Road, als sie neben dem gemieteten Jaguar standen, sagte Martin zu Sam: »Danke für alles, auch für das Angebot, bei Ihnen zu arbeiten. Und Ihnen auch, Ce-lia. Aber ich werde in Cambridge bleiben, denn abgesehen von diesem Gebäude hier« - er deutete mit dem Kopf nach hinten und verzog das Gesicht - »ist es eine wunderbare Stadt.« »Es war mir ein Vergnügen«, sagte Sam. »Und was die Arbeit betrifft, so kann ich Sie gut verstehen, wenn ich auch Ihre Entscheidung natürlich bedauere.« Er stieg in den Wagen.

Celia kurbelte das Seitenfenster herunter. »Cambridge ist wirklich eine wunderbare Stadt, Martin. Ich war noch nie hier. Und ich wünschte, ich hätte Zeit, es mir genauer anzusehen.«

»Warten Sie!« sagte Martin. »Wie lange bleiben Sie denn noch in England?«

Sie überlegte. »Wahrscheinlich zwei Wochen.«

»Sie könnten doch noch mal herkommen! Es ist nicht weit Dann könnte ich Ihnen die Stadt zeigen.«

»Das würde ich sehr gern tun«, erklärte Celia.

Während Sam den Motor anließ, verabredeten sich Martin und Celia für den übernächsten Sonntag - in zehn Tagen.

Als Celia und Sam nach London zurückfuhren, schwiegen beide, jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt. Erst als sie Cambridge weit hinter sich gelassen hatten und wieder auf der A 10 südwärts fuhren, sagte Celia ruhig: »Sie wollen ihn haben, nicht wahr; Sie wollen ihn als Leiter unseres Forschungsinstituts.«

»Natürlich.« Sams Antwort war knapp und bündig. Die Enttäuschung war ihm anzumerken. »Er ist hervorragend, fast ein Genie, und er ist der Beste von allen, die ich gesehen habe, seit wir hier sind. Aber verdammt noch mal, Celia, wir kriegen ihn nicht! Er ist Akademiker, und das wird er immer bleiben. Sie haben gehört, was er gesagt hat, und nichts wird seine Meinung ändern können.«

»Ich weiß nicht«, sagte Celia nachdenklich. »Ich weiß es wirklich nicht.«

10

In den darauffolgenden Tagen waren Sam und Celia mit weiteren Vorbereitungen für den Ausbau des Felding-Roth-Forschungsin-stituts in Harlow beschäftigt. Diese Aktivitäten waren zwar nötig, befriedigten sie aber nicht. Die Enttäuschung darüber, daß Dr. Martin Peat-Smith, der ihrer Meinung nach beste Institutslei-ter, sich niemals entscheiden würde, aus dem akademischen Bereich zur Industrie überzuwechseln, deprimierte sie.

In der Woche nach ihrem Besuch in Cambridge erklärte Sam: »Ich habe mich wieder mit mehreren Kandidaten getroffen, aber keiner hat das Kaliber von Peat-Smith. Seit ich ihn kenne, bin ich für keinen anderen mehr offen.«

Als Celia Sam daran erinnerte, daß sie Martin am kommenden Sonntag in Cambridge wiedersehen würde, nickte Sam düster. »Natürlich, tun Sie, was Sie können, aber ich bin nicht sehr optimistisch. Er ist ein Mann, der weiß, was er will. Und erwähnen Sie um Gottes willen nicht, was er bei uns verdienen würde. Er weiß, daß es im Vergleich zu dem, was er jetzt bekommt, eine Menge ist. Das brauchen wir ihm nicht erst zu sagen. Aber wenn Sie davon reden und den Anschein erwecken, als glaubten wir, er sei käuflich, wird er uns für zwei weitere protzige Amerikaner halten, die meinen, daß man für Dollar alles kaufen kann.«

»Aber, Sann«, entgegnete Celia, »wenn Martin zu Felding-Roth käme, müßten Sie doch ohnehin mit ihm über das Gehalt reden.«

»Irgendwann, ja, aber nicht gleich zu Beginn, denn Geld würde nie den Ausschlag geben. Glauben Sie mir, Celia, ich weiß, wie sensibel diese Akademiker sein können, und wenn auch nur die geringste Chance besteht, daß Martin seine Meinung noch ändert, dann wollen wir sie uns durch plumpes Vorgehen nicht verderben.«

»Nur interessehalber«, sagte Celia, »wie hoch ist denn die Summe?«

Sam überlegte. »Nach meinen Informationen verdient Martin ungefähr 2400 Pfund im Jahr; das sind etwa 6000 Dollar. Arn Anfang würden wir ihm vier- oder fünfmal soviel zahlen - sagen wir, fünfundzwanzig- bis dreißigtausend Dollar plus Bonus.«

Celia stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich wußte nicht, daß der Unterschied so groß ist.«

»Aber die Akademiker wissen es. Und obwohl sie es wissen, ziehen sie noch immer die Universität vor, glauben, daß sie dort mehr intellektuelle Freiheit haben und daß die Naturwissen-schaft sich an der Universität eine größere >Reinheit der For-schung< bewahrt hat. Sie haben doch gehört, was Martin über kommerziellen Druck< gesagt hat und wie sehr er dergleichen verabscheut.«