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»Finden Sie?«

»Ja«, erwiderte er mit Nachdruck.

»Na schön«, sagte Celia. »Angenommen, ich bin eine gute Geschäftsfrau. Und angenommen, alles, was Sie gesagt haben, ist wahr. Ist es aber nicht genau das, was Sie auch wollen? Die Antwort auf die Alzheimersche Krankheit! Das Gehirnpeptid, nach dem Sie suchen! Wissenschaftlichen Ruhm! Fühlen Sie sich dadurch etwa betrogen?«

»Nein«, sagte Martin, »betrogen fühle ich mich nicht.« Er setzte sein typisches Lächeln auf, das aber etwas schief geriet. »Ich hoffe, Sie werden gut bezahlt, Celia. Als plumpe Amerikanerin, wie Sie sich selbst bezeichnet haben, machen Sie sich ganz toll.« Er stand auf und griff nach der Stange. »Es wird Zeit für die Rückfahrt.«

Schweigend fuhren sie flußabwärts. Martin stakte mit wütender Entschlossenheit, und Celia grübelte darüber nach, ob sie zu weit gegangen war. Als sie sich der Stadt und dem Bootshafen näherten, ließ Martin den Kahn einfach treiben. Von seinem Sitz im Heck sah er Celia ernst an.

»Ich weiß noch keine Antwort. Ich weiß nur, daß Sie mich beunruhigt haben«, sagte er. »Aber eine Antwort habe ich noch nicht.«

Es war früher Abend, als Martin Celia in Cambridge am Bahnhof absetzte und sie sich förmlich, fast ein wenig angestrengt verabschiedeten. Celias Zug fuhr geradezu quälend langsam und hielt in fast jedem Ort, so daß es schon nach halb zwölf Uhr nachts war, als sie endlich wieder in King's Cross Station in London eintraf. Sie nahm ein Taxi zum Berkeley-Hotel und kam kurz vor Mitternacht dort an. Während der Fahrt hatte Celia sich die Ereignisse des Tages noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Was sie am tiefsten getroffen hatte, war Martins Anschuldigung: Sie sind ziemlich skrupellos, stimmt 's ? War sie wirklich skrupellos? Celia betrachtete sich wie in einem Spiegel und mußte zugeben, daß es womöglich zutraf. Dann korrigierte sie sich: Nicht >womöglich<, sondern ganz sicher. Aber war nicht ein bißchen Skrupellosigkeit nötig? Vor allem für eine Frau, die Karriere machen, die es so weit bringen wollte wie sie?

Außerdem, beruhigte sie sich, war Skrupellosigkeit nicht mit Unehrlichkeit gleichzusetzen - jedenfalls nicht zwangsläufig. Im wesentlichen war es die Verpflichtung sich selbst gegenüber, in geschäftlichen Dingen hart zu sein, Entscheidungen zu treffen, zum Kern einer Sache vorzudringen und sich allzu große Sorgen um die Mitmenschen abzugewöhnen. Wenn sie in Zukunft noch mehr Verantwortung zu tragen hatte, würde sie weit härter, weit skrupelloser sein müssen als bisher. Wenn aber Skrupellosigkeit zum Geschäft gehörte, warum hatte Martins Bemerkung sie dann so verletzt? Wahrscheinlich, weil sie ihn mochte und achtete und deshalb wollte, daß er in bezug auf sie ähnlich empfand. Tat er das? Celia dachte kurz darüber nach, dann kam sie zu dem Schluß: Offenbar nicht, nachdem sie am Nachmittag die Karten offen auf den Tisch gelegt hatte.

Aber war Martins Meinung über sie wirklich von Bedeutung? Die Antwort lautete: Nein! Ein Grund dafür war, daß Martin mit seinen zweiunddreißig Jahren noch immer etwas von einem Kind an sich hatte. Irgend jemand hatte einmal über Wissenschaftler gesagt: Sie verbringen die meiste Zeit ihres Lebens damit, sich immerfort weiterzubilden, so daß sie kaum noch für andere Dinge Zeit haben, und in gewisser Hinsicht bleiben sie Kinder.

Das traf auch ein wenig auf Martin zu. Celia war sicher, daß sie viel mehr von der Welt wußte als er.

Aber was war dann wichtig? Nicht Martins persönliche Gefühle und auch nicht die von Celia, sondern wie es heute ausge-gangen war. Und was das betraf - Celia seufzte -, da war sie nicht gerade optimistisch. Sicher hatte sie alles verpatzt, indem sie zu plump vorgegangen war - wie Sam sich ausgedrückt hätte. Je länger sie darüber nachdachte, desto weniger gefiel ihr, was sie getan hatte, und um so deprimierter wurde sie. In niedergeschlagener Stimmung kam sie im Hotel an.

Im Foyer des Berkeley-Hotels wurde sie vom Portier begrüßt. »Hatten Sie einen angenehmen Tag, Mrs. Jordan?«

»Ja, danke.« Aber in Gedanken fügte sie hinzu: Nur teilweise.

Der Portier gab ihr den Schlüssel und mehrere Nachrichten, die für sie abgegeben worden waren. Sie würde sie später in ihrem Zimmer lesen. Als sie sich gerade umdrehen wollte, sagte der Portier: »Übrigens, Mrs. Jordan - vor ein paar Minuten kam ein Anruf für Sie. Ich habe ihn selbst entgegengenommen. Der Herr sagte, Sie würden es schon verstehen.«

Müde und desinteressiert warf Celia einen Blick auf das Blatt, das er ihr reichte, dann starrte sie fassungslos auf die Nachricht. Sie lautete:

FÜR ALLES GIBT ES EINE GUTE ZEIT, AUCH FÜR PLUMPE

AMERIKANERINNEN MIT GESCHENKEN. DANKE. ICH NEHME AN. MARTIN.

Zur Mißbilligung des Portiers hallte durch das Foyer des vornehmen Hotels Celias lauter und durchdringender Schrei.

»Hurra!«

11

Ein paar Tage vor Celias Fahrt nach Cambridge waren Sam und Lilian Hawthorne zu einem kurzen Besuch nach Paris aufgebrochen und am Samstag von dort aus direkt nach New York geflogen. Daher erreichte Celia Sam erst am Montag um halb vier Uhr nachmittags, Londoner Zeit, telefonisch in seinem Büro bei Fel-ding-Roth in New Jersey.

Als sie ihm Martin Peat-Smiths Entscheidung mitteilte, war er begeistert.

»Wie haben Sie das nur fertiggebracht, Celia?«

Sie hatte die Frage erwartet und sagte vorsichtig: »Ich bin nicht sicher, ob es Ihnen gefallen wird.« Dann berichtete sie von ihrer Unterhaltung mit Martin und daß mehr als alles andere das Geld ihn dazu gebracht hatte, seine Meinung zu ändern. »Verdammt«, stöhnte Sam am anderen Ende der Leitung. »Und ich hatte Ihnen geraten, auf keinen Fall von Geld zu reden. Wie konnte ich mich nur so täuschen?«

»Sie konnten es nicht wissen«, beruhigte sie ihn. »Aber ich hab' ein bißchen nachgeforscht und ein paar von Martins Problemen zutage gefördert. Übrigens hat er mich daraufhin skrupellos genannt.«

»Macht nichts! Sie haben erreicht, was wir wollten. Eigentlich hätte ich selbst darauf kommen sollen, aber Sie hatten den besseren Durchblick und mehr Ausdauer.«

UndAndrew, um mich beraten zu lassen, ergänzte Celia in Gedanken. Laut sagte sie: »Hören Sie auf, Sam, sich Vorwürfe zu machen! Das ist doch nicht nötig.«

»Also gut, aber versprechen Sie mir eins.«

»Was denn?« fragte sie.

»Wenn es je dazu kommen sollte, daß Sie und ich bei einer wichtigen Sache unterschiedlicher Meinung sind, müssen Sie mich an diesen Vorfall erinnern, bei dem Sie recht hatten und ich nicht.«

»Ich hoffe, dazu wird es nie kommen«, sagte Celia.

»Ich habe übrigens auch eine gute Nachricht«, erklärte Sam. »Als ich in der letzten Woche in Paris war, habe ich für Felding-Roth die amerikanischen Patente für ein neues französisches Medikament erworben. Es ist noch im Experimentierstadium und wird erst in frühestens zwei Jahren zur Verfügung stehen. Aber es sieht außerordentlich vielversprechend aus.«

»Gratuliere! Wie heißt es denn?«

»Es heißt Montayne«, sagte Sam. »Und Sie werden noch viel davon hören.«

Bis Anfang 1973 fuhr Celia noch fünfmal nach England. Bei zwei Reisen begleitete Andrew sie, bei einer anderen kamen Lisa und Bruce mit. Andrew lernte auch Martin kennen, und die beiden Männer waren sich sofort sympathisch. »Das einzige, was Martin noch fehlt«, sagte Andrew zu Celia, »ist eine Frau wie du. Ich hoffe, er findet sie.«

Nachdem Martin sich für Felding-Roth entschieden hatte, traf er seine Anweisungen in bezug auf Laboreinrichtungen und Personal mit großer Entschiedenheit. Als Stellvertreter engagierte er einen Chemiker, Dr. Rao Sastri, einen jungen Pakistani, der auf Nukleinsäuren spezialisiert war. Außer ihm gab es noch andere Spezialisten, zum Beispiel einen Experten für Zellkulturen und einen Fachmann für die elektrophoretische Trennung von Proteinen und Nukleinsäuren. Die Aufsicht über Hunderte von Ratten und Kaninchen, die für die Versuche benötigt wurden, führte eine Frau.