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»Wir werden eine gute Ehe führen. Wir werden dafür sorgen, daß sie funktioniert«, erklärte Celia am zweiten Tag ihrer Hochzeitsreise.
»Wenn du mich fragst . . .« Andrew rollte sich auf dem Badetuch herum und gab seiner Frau einen Kuß auf den Nacken. »Wenn du mich fragst, dann funktioniert sie schon jetzt.«
Sie waren auf Eleuthera, einer der Bahama-Inseln. Über ihnen schien warm die Morgensonne, und dünne Wolkenschleier überzogen den Himmel. Der weiße Sandstrand, an dem sie völlig allein waren, schien sich in unendliche Fernen zu erstrecken. Eine leichte Brise bewegte die Palmwedel und kräuselte direkt vor ihnen die Oberfläche des ruhigen, glasklaren Wassers.
»Wenn du Sex meinst«, sagte Celia, »da sind wir gar nicht mal so schlecht, findest du nicht auch?«
Andrew stützte sich auf den Ellbogen. »Nicht schlecht? Du bist das reinste Dynamit. Wo hast du das eigentlich gelernt . . .?« Er unterbrach sich. »Nein, sag's mir lieber nicht.«
»Dieselbe Frage könnte ich dir stellen«, neckte sie ihn und strich mit der Hand über seinen Schenkel, während ihre Zunge die Konturen seines Mundes nachzog.
Er streckte die Arme nach ihr aus und flüsterte: »Komm! Laß uns zum Bungalow gehen.«
»Warum nicht gleich hier? Oder in dem hohen Gras da drüben ?«
»Damit die Eingeborenen einen Schreck kriegen?«
Sie lachte, als er sie hochzog, und dann liefen sie über den Strand. »Du bist prüde! Ein richtiger Puritaner. Wer hätte das gedacht!«
Andrew führte sie in den malerischen, strohgedeckten Bungalow, in den sie tags zuvor eingezogen waren und der ihnen zehn Tage lang gehören würde.
»Wenn ich ein Puritaner bin, weil ich dich nicht mit den Ameisen und Krebsen teilen will, okay - dann bin ich eben einer.« Während er sprach, zog er seine Badehose aus.
Aber Celia war schneller als er. Sie hatte den Bikini bereits abgestreift und lag schon nackt und noch immer lachend im Bett.
Eine halbe Stunde später, als sie wieder am Strand waren, sagte Celia: »Wie gesagt, wir werden eine . . .«
». . . gute Ehe führen«, beendete Andrew den Satz. »Ich bin ganz deiner Meinung.«
»Und damit sie funktioniert, müssen wir beide zufrieden und ausgefüllt sein.«
Andrew lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Völlig richtig.«
»Deshalb müssen wir Kinder haben.«
»Falls ich dir dabei behilflich sein kann, laß es mich . . .«
»Andrew! Bitte, sei ernst.«
»Kann ich nicht. Dazu bin ich viel zu glücklich.«
»Dann werde ich für uns beide ernst sein.«
»Wieviel Kinder?« fragte er. »Und wann?«
»Ich hab' darüber nachgedacht«, sagte Celia, »und ich glaube, wir sollten zwei haben - das erste so bald wie möglich, das zweite zwei Jahre später. Auf diese Weise hab' ich das Kinderkriegen hinter mir, bevor ich dreißig bin.«
»Wie schön«, sagte er. »Und alles so geordnet. Übrigens, hast du auch schon Pläne für deine alten Tage - nach dreißig, meine ich?«
»Ich werde Karriere machen. Habe ich das noch nicht erwähnt?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Aber wenn du bedenkst, mit welcher Geschwindigkeit wir uns in den Genuß der Ehe gebracht haben, dann gab's auch nicht gerade übermäßig viel Zeit für Diskussionen oder philosophische Betrachtungen.«
»Also«, sagte Celia, »ich habe meine Pläne in bezug auf die Kinder Sam Hawthorne gegenüber erwähnt. Und er meinte, das ließe sich machen.«
»Prächtig, dieser Sam - wer immer das ist!« Andrew runzelte die Stirn. »Warte mal. War der nicht auf unserer Hochzeit, einer von Felding-Roth?«
»Genau. Sam Hawthorne ist mein Chef und regionaler Verkaufsleiter. Er war mit seiner Frau da, Lilian.«
»Klar. Jetzt fällt es mir wieder ein.«
Nun erinnerte Andrew sich an Sam Hawthorne - ein großer, freundlicher Mann von Mitte Dreißig, dessen Haar sich bereits lichtete, mit einem zerfurchten Gesicht, das Andrew an die zerklüfteten Felswände des Mount Rushmore erinnerte. Hawthor-nes Frau Lilian war eine eindrucksvolle Brünette. Andrew, der in Gedanken noch einmal die drei Tage zurückliegenden Ereignisse Revue passieren ließ, sagte: »Du mußt schon entschuldigen, wenn ich im Augenblick ein bißchen durcheinander bin.«
Ein Grund dafür war die Erinnerung an Celia, wie sie, ganz in Weiß und mit kurzem Schleier, in der Empfangshalle des Hotels, das sie für ihre Hochzeit ausgesucht hatten, erschienen war. Die Zeremonie wurde von einem freundlichen Richter durchgeführt, der auch Mitglied des Verwaltungsrates vom St. Bede's Hospital war. Dr. Townsend hatte als Brautführer fungiert.
Noah Townsends äußere Erscheinung paßte ausgezeichnet ins Bild - der Inbegriff eines vertrauenswürdigen Hausarztes. Mit seinen grauen Haaren sah er dem britischen Premierminister Harold Macmillan ähnlich, der in diesen Tagen häufig in den Nachrichten genannt wurde und die Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien zu bessern bemüht war, die sich seit der Suez-Krise in den letzten Jahren stark abgekühlt hatten.
Celias Mutter, eine zierliche, zurückhaltende Dame, die verwitwet in Philadelphia lebte, war ebenfalls zur Hochzeit gekommen. Celias Vater war im Zweiten Weltkrieg gefallen, und deshalb war Townsend als Brautführer eingesprungen.
Andrew schloß die Augen, zum Teil, um sich vor der hellen Sonne zu schützen, vor allem aber, um den Augenblick, in dem Townsend ihm Celia zugeführt hatte, wiederauferstehen zu lassen . . .
In dem Monat nach jenem denkwürdigen Morgen in der Cafeteria des Krankenhauses, an dem Celia ihm mitgeteilt hatte, daß sie die Absicht habe, ihn zu heiraten, war Andrew immer stärker dem erlegen, was er nur als ihren Zauberbann bezeichnen konnte. Wahrscheinlich war es Liebe, schätzte er, auch wenn es ihm stärker und anders vorkam - die Preisgabe des SingleDaseins, für das Andrew immer eingetreten war, und die totale Verschmelzung zweier Lebenswege, was ihn zugleich verwirrte und entzückte. Es gab niemanden auf der Welt, der so war wie Celia. Kein Augenblick mit ihr war langweilig. Sie steckte voller Überraschungen, Ideen und Pläne, die alle der unerschöpflichen Quelle ihres kraftvollen, unabhängigen Wesens entsprangen. Von Anfang an hatte er dieses außerordentliche Glücksgefühl verspürt, als habe er durch irgendeinen Zufall den von allen anderen begehrten ersten Preis gewonnen. Und als er sie seinen Kollegen vorstellte, konnte er spüren, daß alle sie begehrten.
In Andrews Leben hatte es schon andere Frauen gegeben, aber nie für längere Zeit und noch nie eine, die er ernsthaft für eine Ehe in Betracht gezogen hätte. Darum war es um so bemerkenswerter, daß er von dem Augenblick an, als Celia ihm - um es kon-ventionell auszudrücken - »einen Antrag gemacht hatte«, nie den leisesten Zweifel, nicht das geringste Zögern oder gar den Wunsch verspürt hatte, sich zurückzuziehen.
Und dennoch . . . erst in jenem unglaublichen Augenblick, als er Celia in ihrem weißen Hochzeitskleid hereinkommen sah -strahlend, schön, jung, begehrenswert, alles, was sich ein Mann nur wünschen konnte, und noch viel, viel mehr -, erst da explodierte in Andrew etwas, und er wußte, daß er sie liebte, mit einer solchen Sicherheit, wie sie im Leben nur ganz selten vorkommt, wußte, daß er unglaubliches Glück hatte, daß es nie aufhören würde und daß es - trotz der Zeiten, in denen sie lebten - für ihn und Celia nie eine Trennung oder Scheidung geben würde.
Es war das Wort Scheidung gewesen, sagte sich Andrew später, wenn er darüber nachdachte, das ihn zu dem Zeitpunkt, als viele seiner Altersgenossen mit Anfang Zwanzig bereits verheiratet waren, davon abhielt, sich zu binden. Natürlich hatte das Vorbild seiner Eltern zu dieser Einstellung beigetragen; seine Mutter, die - wie Andrew es sah - die geschiedene Frau non grata verkörperte, war ebenfalls zur Hochzeit gekommen. Wie ein alternder Schmetterling war sie von Los Angeles herbeigeflattert und hatte jedem, der ihr zuhörte, erzählt, daß sie das Nest ihres vierten Ehemannes nur verlassen habe, um bei der »ersten Hochzeit« ihres Sohnes dabeizusein. Andrews Vater war ihr zweiter Ehemann gewesen, und als Andrew sich nach ihm erkundigte, hatte sie geantwortet: »Ach, mein armer Junge, ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie er aussah. Ich habe ihn seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, und das letzte, was ich von ihm hörte, war, daß er ein alter Wüstling geworden ist, der mit einer siebzehnjährigen Hure in Paris zusammenlebt.«