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Ein Kellner trat an den Tisch. Er benahm sich ähnlich wie Redmond, den er mit »Tony« anredete. Lord bestellte sich einen Gin Tonic.

»Hübsch hier, finden Sie nicht?« bemerkte Redmond, als der Kellner wieder gegangen war. »Es gilt als chic. Die Gäste stammen überwiegend aus Regierungs- und Universitätskreisen.«

»Es ist mir völlig egal, wer hierherkommt«, sagte Lord. »Zeigen Sie mir die Papiere.«

»Haben Sie das Geld mitgebracht?« konterte Redmond.

Lord nickte knapp.

»Ich hoffe, ich kann mich auf Sie verlassen«, sagte Redmond. Auf dem Sitz neben ihm lag eine Aktentasche; er machte sie auf, holte einen großen braunen Umschlag heraus und reichte ihn Lord. »Da ist alles drin.«

Lords Drink wurde serviert, als er sich gerade in den Inhalt des Umschlags vertiefte.

Zehn Minuten später sah er Redmond an und gab widerwillig zu: »Sie waren sehr gründlich.«

»Tatsächlich«, bemerkte Redmond, »das ist das erste freundliche Wort, das ich von Ihnen höre.« Er lächelte verschwörerisch.

Lord saß schweigend da und wog die Möglichkeiten ab.

Was Dr. Gideon Mace betraf, so war die Sache klar. Redmond hatte ihm schon einiges am Telefon angedeutet, und die Papiere hier erklärten den Rest.

Es ging um das amerikanische Patentrecht, um die Prozeduren bei der Genehmigung von Arzneimitteln durch die FDA. Vincent Lord kannte das zur Genüge.

Wenn das Patent für ein wichtiges pharmazeutisches Produkt erlosch - normalerweise siebzehn Jahre nach Erteilung -, war stets eine Reihe kleiner Firmen daran interessiert, es nachzupro-duzieren und zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. Die Gewinne konnten dabei in die Millionen gehen.

Allerdings mußte die Firma bei der FDA einen Antrag auf erneute Zulassung stellen, auch wenn die Behörde dem ursprünglichen Hersteller die Genehmigung vor längerer Zeit bereits erteilt hatte. Dieser verkürzte Antrag auf Neuzulassung wurde kurz VAAN genannt.

Für jedes wichtige Präparat, dessen Patent bald erlöschen würde, stellten ein Dutzend oder mehr Firmen aus den verschiedensten Bereichen Anträge bei der FDA. Und genau wie bei den ursprünglichen Anträgen, wie etwa für Staidpace im Falle von Felding-Roth, dauerten Bearbeitung und Genehmigung ihre Zeit.

Wie die FDA diese Anträge handhabte, war niemandem so recht klar. Klar war lediglich, daß in der Regel zunächst nur eine einzige Genehmigung erteilt wurde. Die anderen folgten später, meist einzeln und in großen zeitlichen Abständen.

Folglich hatte die Herstellerfirma, die als erste die Genehmigung erhielt, einen enormen Vorteil gegenüber der Konkurrenz und aller Wahrscheinlichkeit nach einen hohen Gewinn, der sich auch auf dem Aktienmarkt auswirkte.

Da die Aktien kleinerer Firmen nicht an den großen Börsen gehandelt wurden, gingen ihre Anteile »unter der Hand« weg.

Diese Situation war für jemanden, der »Bescheid wußte« und unlautere Geschäfte machen wollte, natürlich verführerisch. Wer wußte, welche Firma demnächst die Genehmigung zur Herstellung eines patentfreien Arzneimittels erhalten würde, konnte eine Menge Geld verdienen, indem er Aktienanteile der betreffenden Firma »billig« erwarb, bevor die FDA die Genehmigung bekanntgab, und sie kurz darauf wieder »teuer« verkaufte.

Und Dr. Mace, der Zugang zu vertraulichen Informationen der FDA besaß, hatte genau das getan. Zweimal. Die Beweise hielt Vincent Lord in Form von Fotokopien in den Händen:

Quittungen der Börsenmakler, die »gekauft« und »verkauft« hatten, wiesen als Kunden eine Marietta Mace aus. Lord hatte von Redmond erfahren, daß es sich dabei um die unverheiratete Schwester von Mace handelte, offenbar eine Vorsichtsmaßnahme, die aber nicht erfolgreich gewesen war; zwei datierte FDA-Bestätigungen für die Genehmigung zur Herstellung patentfreier Arzneimittel an die Firmen Binvus Products und Minto Labs. Beide Namen tauchten auf den Quittungen der Börsenmakler auf; zwei Schecks von Gideon Mace, ausgestellt auf seine Schwester, mit demselben Endbetrag wie aufden beiden Aufträgen für den Aktienkauf; zwei Bankbelege auf den Namen von Gideon R. Mace, auf dessen Konto kurz nach dem Verkauf der Aktien größere Eingänge verbucht waren.

Lord rechnete schnell nach. Mace hatte, nach Zahlung von vermutlich zehn Prozent der Summe an seine Schwester, einen Reingewinn von insgesamt etwa 16.000 Dollar erzielt.

Vielleicht auch mehr. Es war möglich, daß Mace ähnliches schon öfter getan hatte - das würde sich bei einem Strafverfahren zeigen. Wie Redmond es bei seinem ersten Telefonanruf vorausgesagt hatte, würde Dr. Mace aufgrund seiner Machenschaften mit ziemlicher Sicherheit ins Gefängnis kommen.

Lord war drauf und dran, Redmond zu fragen, woher er das Beweismaterial habe, änderte dann aber seine Meinung. Die Antwort war nicht schwer zu erraten. Wahrscheinlich hob Mace alles in seinem Schreibtisch in der FDA auf, vielleicht, weil er es dort für sicherer hielt als zu Hause. Redmond, der gewitzt zu sein schien, hatte sich Zugang zu den Unterlagen verschafft. Natürlich mußte Redmond zunächst Verdacht geschöpft haben - zum Beispiel durch ein belauschtes Telefongespräch.

Wie hatte Gideon Mace nur so unglaublich dumm sein kön-nen, überlegte Lord. Dumm, weil er glaubte, damit durchzukommen. Dumm, weil er die Aktien unter seinem Familiennamen gekauft hatte; dumm, weil er die verräterischen Papiere an einem Platz aufbewahrte, wo jemand wie Redmond sie finden und ablichten konnte. Aber schließlich handelten kluge Leute oft dumm. Lord wurde in seinen Gedanken unterbrochen. »Na, wie steht's?« fragte Redmond ungeduldig. »Wollen Sie das Zeug haben? Wollen Sie das Geschäft machen oder nicht?«

Wortlos griff Lord in seine Jackentasche und reichte Redmond den unverschlossenen Umschlag. Der junge Mann zog das Geldbündel heraus und wog es in der Hand, seine Augen strahlten, und sein Gesicht rötete sich vor Freude.

»Zählen Sie es nach«, sagte Lord.

»Das brauche ich nicht. Sie würden mich nicht betrügen. Dazu ist die Sache für Sie zu wichtig.«

Schon vor einer Weile war Lord ein anderer junger Mann aufgefallen, der ein paar Meter entfernt auf einem Barhocker saß und gelegentlich zu ihnen herüberschaute. Jetzt sah er wieder in ihre Richtung, und diesmal erwiderte Redmond den Blick und lächelte; er hielt das Geld hoch, bevor er es wegsteckte. Der andere lächelte zurück. Lord bemerkte es angewidert.

»Ich schätze, das war's dann«, sagte Redmond fröhlich.

»Ich habe nur noch eine Frage«, erklärte Vincent Lord.

»Fragen Sie ruhig.«

Lord berührte den braunen Umschlag mit dem verräterischen Inhalt. »Warum tun Sie Dr. Mace das an?«

Redmond zögerte. »Wegen etwas, das er mal zu mir gesagt hat.«

»Und was war das?«

»Wenn Sie es unbedingt wissen wollen«, sagte Redmond, und seine Stimme war schrill und haßerfüllt, »er hat mich einen drek-kigen Homo genannt.«

»Und was ist daran so schlimm?« fragte Lord, während er aufstand. »Schließlich sind Sie doch einer, oder?«

Bevor er die Bar verließ, warf er noch einen Blick zurück. Tony Redmond starrte ihm mit wutverzerrtem Gesicht nach.

Eine Woche lang konnte Vincent Lord sich nicht entscheiden, was er tun sollte. Er wußte es noch immer nicht, als er Sam Haw-thorne traf.

»Ich hörte, Sie waren in Washington«, sagte Sam. »Ich nehme an, es hatte etwas mit dem Geld zu tun, das ich Ihnen gegeben habe.«

Lord nickte. »Stimmt.«

»Ich rede nicht gern lange um eine Sache herum«, sagte Sam. »Und Sie müssen mich auch nicht schützen. Ich bin ein neugieriger Mensch - ich will es wissen.«

»In diesem Fall muß ich ein paar Unterlagen aus meinem Büro holen«, erklärte Lord.

Eine halbe Stunde später, nachdem er alles gelesen hatte, stieß Sam einen leisen Pfiff aus. Seine Miene war düster. »Sie sind sich bestimmt darüber im klaren«, sagte er zu Lord, »daß wir uns der Beihilfe bei einer strafbaren Handlung schuldig machen, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen.«