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Wie ein Zauberer, der ein Kaninchen aus dem Hut zieht, schob Martin mehrere 8 x 10 große Negative über den Labortisch. »Das sind Filme von den Chromatogrammen.«

Auf Celia wirkten sie wie leeren Filmstreifen, aber Martin erklärte: »Sehen Sie genau hin, dann werden Sie zwei Reihen dunkler Streifen erkennen. Die eine ist von einer jungen Ratte, die andere von einer alten. Und sehen Sie . . . hier bei der jungen Ratte sind mindestens neun Peptide, die im Gehirn des älteren Tieres nicht mehr produziert werden.« Seine Stimme bebte vor Erregung. »Jetzt haben wir den positiven Beweis dafür, daß sich die RNS und wahrscheinlich auch die DNS während des Alterungsprozesses verändern.«

»Ja«, sagte Celia unsicher. War diese Entdeckung wirklich so bedeutend, daß sie zwei Jahre Forschungsarbeit und die enormen Kosten rechtfertigte?

Man sah, wo das Geld geblieben war, wenn man sich umblickte: geräumige Labors und moderne Büros mit beweglichen Trennwänden, breite Korridore, ein gemütlicher Konferenzraum.

Die Labors waren mit modernen Arbeitstischen aus Kunststoff ausgestattet, da Holz nach Meinung der Wissenschaftler nicht ausreichend gereinigt werden konnte. Ventilatoren filterten Verunreinigungen aus der Luft. Alles war hell erleuchtet. In zwei Räumen standen große Inkubatoren mit Glastüren, in denen Reagenzgläser mit Bakterien und Hefe aufbewahrt wurden. Einige andere Räume hatten Doppeltüren mit der Aufschrift: »Vorsicht! Radioaktivität!«

Der Kontrast zu den Labors in Cambridge, wo Martin früher gearbeitet hatte, war erstaunlich, wenn auch einiges noch daran erinnerte, zum Beispiel die Aktenberge, die auf sämtlichen Tischen verstreut waren. Man konnte die Umgebung eines Wissenschaftlers verändern, dachte Celia, nicht aber seine Arbeitsgewohnheiten.

Als sie weitergingen, fuhr Martin mit seinen Erklärungen fort:

»Nachdem wir nun die RNS haben, können wir die korrespondierende DNS herstellen . . . müssen sie in die DNS lebender Bakterien einschleusen . . . und versuchen, die Bakterien >zu überlistenc, damit sie das gewünschte Gehirnpeptid produzieren . . .«

Gegen Ende der Führung öffnete Martin die Tür zu einem kleinen Labor, in dem ein älterer Laborant mit weißem Kittel vor einem halben Dutzend Rattenkäfigen stand. »Das ist Mr. Yates«, stellte Martin vor. »Er will gerade ein paar Tiere sezieren.«

»Mickey Yates.« Der Mann streckte die Hand aus. »Ich weiß, wer Sie sind. Alle wissen es.«

Martin lachte. »Das stimmt. Darf ich Sie ein paar Minuten allein lassen? Ich muß einen Anruf erledigen.«

Als Martin das Zimmer verlassen hatte, wandte sich Celia an Yates: »Wenn es Sie nicht stört, würde ich gern ein wenig zusehen.«

»Es stört mich überhaupt nicht. Aber zuerst muß ich einem von diesen kleinen Burschen hier den Garaus machen.« Er öffnete einen Kühlschrank und nahm einen kleinen durchsichtigen Plastikkasten aus dem Gefrierfach. Unter einer Pattform im Inneren des Kastens stand ein Tablett mit einem kristallinen Stoff, von dem Dampf aufstieg. »Trockeneis«, sagte Yates. »Hatte es gerade reingelegt, bevor Sie kamen.«

Er öffnete einen der Käfige und ergriff geschickt eine große, zappelnde weißgraue Ratte, die er in den Plastikbehälter setzte; dann verschloß er den Deckel. Celia konnte die Ratte auf der kleinen Plattform im Inneren des Kastens sitzen sehen.

»Das Trockeneis schafft eine CO2-Atmopshäre«, erklärte Yates. »Wissen Sie was das bedeutet?«

Celia lächelte über die einfache Frage. »Ja. Kohlendioxyd - wir atmen es aus, wenn wir den Sauerstoff aus der Lunge verbraucht haben. Am Leben kann es uns nicht erhalten.«

»Richtig. Der kleine Bursche hier ist schon fast hinüber.«

Sie beobachteten, wie die Ratte zweimal zuckte und dann still liegenblieb. Eine Minute verging. »Jetzt atmet er nicht mehr«, verkündete Yates fröhlich. Nach weiteren dreißig Sekunden machte er den Plastikbehälter auf, zog das bewegungslose Tier heraus und bestätigte noch einmaclass="underline" »Mausetot. Aber es geht zu langsam.«

»Mir kam es ziemlich schnell vor.« Celia versuchte sich daran zu erinnern, auf welche Weise man die Ratten während ihrer lange zurückliegenden Laborzeit getötet hatte, aber es fiel ihr nicht ein.

»Es ist zu langsam, wenn man viel zu tun hat. Dr. Peat-Smith benutzt gern den CO2-Behälter, aber es gibt eine schnellere Methode. Diese hier.« Yates zog eine Schublade unter dem Labortisch auf und holte einen anderen Kasten hervor, diesmal aus Metall. Auf der einen Seite befand sich eine kleine runde Öffnung, unmittelbar darüber hing ein scharfes Messer. »Das ist eine Guillotine«, sagte Yates noch immer fröhlich. »Die Franzo-sen sind geschickt in solchen Dingen.«

»Aber keine sehr saubere Methode«, erwiderte Celia. Sie erkannte die Einrichtung wieder - auf ähnliche Weise hatte man die Ratten auch früher getötet.

»Ach, das ist nicht so schlimm. Und - es geht ruckzuck.« Yates warf einen Blick über die Schulter zur Tür, dann holte er, bevor Celia ihn davon abhalten konnte, eine weitere Ratte aus dem Käfig und steckte sie blitzschnell in den Kasten, so daß ihr Kopf aus dem Loch ragte. Dann ließ er das Messer nach unten sausen.

Man hörte ein knackendes Geräusch und so etwas wie einen Schrei, dann fiel der Kopf der Ratte herunter. Blut schoß aus den Arterien. Obwohl Celia mit Labors und Forschungsarbeiten vertraut war, wurde ihr schlecht.

Yates warf dem blutenden und noch immer zuckenden Tierkörper gleichgültig in einen Abfalleimer und behielt den Kopf in der Hand. »Jetzt brauche ich nur noch das Gehirn rauszuholen. Schnell und schmerzlos!«

Celia war von Abscheu erfüllt. »Das hätten sie mir wirklich nicht vorzuführen brauchen!«

»Was denn?« fragte Martin hinter ihr. Er war unbemerkt zurückgekommen und begriff sofort, was geschehen war. Nach einer kurzen Pause bat er Celia, draußen auf ihn zu warten.

Sie konnte Martins wütende Stimme durch die Tür hören: »Tun Sie das nicht noch mal, wenn Sie hier weiterarbeiten wollen .. . Meine Anweisung lautet: den CO2-Kasten benutzen; das ist schmerzlos. Und nichts anderes! . . . Sehen Sie zu, daß dieses Ding hier rauskommt! Haben Sie verstanden?«

Dann hörte sie Yates' kleinlaute Stimme: »Jawohl, Sir.«

»Es tut mir leid«, sagte Martin zu Celia, als sie wenig später mit zwei Bechern Kaffee im Konferenzraum saßen. »Das hätte nicht passieren dürfen. Yates ist es nicht gewöhnt, daß ihm eine hübsche Frau bei der Arbeit zusieht - die er im übrigen sonst zu meiner Zufriedenheit verrichtet. Das ist auch der Grund, warum ich ihn von Cambridge mitgebracht habe. Er kann ein Rattengehirn sezieren wie ein Chirurg.«

Celias Ärger war verflogen. »Macht nichts.«

»Aber mir macht es was.«

»Tiere bedeuten Ihnen viel, nicht wahr?« fragte sie.

»Ja, das stimmt.« Martin nahm einen Schluck Kaffee. »Es ist unmöglich, Forschungen zu betreiben, ohne Tieren Schmerzen zuzufügen. Menschliche Bedürfnisse aber gehen vor - das müssen auch die Tierschützer akzeptieren. Doch sollten die Schmerzen so gering wie möglich sein. Und wenn man sich bemüht, geht das auch.«

Celias Sympathie für Martin wuchs, aber sie rief sich immer wieder ins Gedächtnis, daß sie sich bei ihrer Beurteilung nicht von Neigungen oder Abneigungen beeinflussen lassen durfte. »Kommen wir zurück auf die Fortschritte, die Sie gemacht haben«, sagte sie knapp. »Sie haben von Unterschieden in den Gehirnen junger und alter Tiere gesprochen und von Plänen, eine DNS synthetisch herzustellen. Aber Sie haben bis jetzt noch kein Protein isoliert - das Peptid, nach dem Sie suchen, auf das es ankommt. Richtig?«

»Richtig. Das ist der nächste Schritt, aber auch der schwerste. Wir arbeiten daran, und es wird gelingen - auch wenn es noch einige Zeit dauern wird.«