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Celia stellte mit Erleichterung fest, daß es durchaus möglich war, als Mutter berufstätig zu sein und trotzdem erfolgreiche, ausgeglichene Kinder zu haben.

Dazu hatten natürlich Winnie und Hank April mit ihrer fröhlichen und tatkräftigen Art beigetragen. Als sie Winnies fünfzehntes Dienstjubiläum und gleichzeitig ihren vierunddreißigsten Geburtstag feierten, erinnerte Andrew Winnie an ihren längst aufgegebenen Plan, nach Australien auszuwandern. »Was den Australiern entgangen ist, wissen nur die Jordans«, erklärte er.

Ein einziger Schatten fiel auf Winnies sonniges Gemüt: daß sie keine Kinder bekam, die sie sich so sehr wünschte. »Hank und ich geben uns solche Mühe. Mein Gott, was haben wir nicht schon alles angestellt. Aber es will einfach nicht klappen.«

Auf Celias Drängen ließ Andrew beide gründlich untersuchen. »Hank und Sie können Kinder haben«, erklärte er Winnie. »Sie müssen nur den richtigen Zeitpunkt erwischen. Dabei kann Ihnen Ihr Gynäkologe raten, und ein bißchen Glück brauchen Sie natürlich auch. Sie müssen es nur immer weiter versuchen.«

»Das sage ich Hank erst morgen«, seufzte Winnie. »Ich möchte wenigstens eine Nacht mal ruhig schlafen . . .«

Im September fuhr Celia geschäftlich nach Kalifornien und stand zufällig nicht weit entfernt, als in Sacramento ein Attentat auf Präsident Ford verübt wurde. Celia war erschüttert und entsetzt, als sie nach kaum drei Wochen von einem erneuten Anschlag auf den Präsidenten erfuhr.

Am Thanksgiving-Tag, als die Familie zu Hause versammelt war und darüber sprach, erklärte Celia: »Die Menschen in unserem Land werden immer gewalttätiger. - Wo liegen eigentlich die Ursprünge für Mordgedanken?«

Sie hatte keine Antwort erwartet, aber Bruce meldete sich zu Wort.

»Wenn man bedenkt, in was für einer Branche du tätig bist, Mom, dann wundere ich mich, daß du das nicht weißt; denn historisch gesehen hat alles mit Drogen begonnen. Daher kommt auch das Wort >Assassine<. So nannte man früher einen Meuchelmörder. Es leitet sich von dem arabischen hashishi oder >Haschischesser< ab; vom elften bis zum dreizehnten Jahrhundert gab es eine islamische Sekte, die Nizari Ismailis, deren Mitglieder Haschisch nahmen, bevor sie ihre religiösen Greueltaten begingen.«

Gereizt entgegnete Celia: »Wenn ich es nicht weiß, dann liegt das wohl daran, daß Haschisch keine Droge ist, die im pharmazeutischen Sinn verwendet wird.«

»Früher schon«, erklärte Bruce ruhig. »Und das ist noch gar nicht so lange her. Bei Amnesie haben die Psychiater früher Haschisch angewandt, aber es hat nichts geholfen, deshalb wurde es wieder aufgegeben.«

»Mich trifft der Schlag!« sagte Andrew, während Lisa ihren Bruder amüsiert und bewundernd ansah.

Im Februar 1976 heirateten Juliet Hawthorne und Dwight Goodsmith. Dwight hatte gerade sein Jura-Examen in Harvard bestanden und würde in New York City arbeiten, wo er und Juliet auch wohnen wollten.

Die Hochzeit wurde in großem Rahmen mit dreihundertundfünfzig Gästen gefeiert. »Schließlich kann ich nur einmal Brautmutter werden«, sagte Lilian Hawthorne zu Celia, »zumindest hoffe ich das.«

Vorher hatte Lilian ihr anvertraut, wie besorgt sie darüber war, daß Juliet schon mit Zwanzig heiratete und bereits nach zwei Jahren vom College abging. Aber am Hochzeitstag sahen Sam und Lilian so strahlend und glücklich aus, daß diese Gedanken in den Hintergrund traten - zu Recht, wie Celia fand. Sie gab dieser Ehe gute Chancen.

Im Mai wurde The Drugging of the Americas veröffentlicht, das Celias besonderes Interesse fand.

Das Buch erregte allgemein große Aufmerksamkeit, weil es aufdeckte, auf wie beschämende Weise die Pharma-Konzerne Amerikas, aber auch anderer Länder, die Geschäfte mit Lateinamerika führten, indem sie dort die Nebenwirkungen ihrer rezeptpflichtigen Medikamente verschwiegen, selbst wenn sie in ihren eigenen Ländern gesetzlich dazu verpflichtet waren. In dem Buch wurden all die Praktiken beschrieben, die Celia in den Jahren ihrer Tätigkeit auf diesem Gebiet selbst beobachtet und in ihrer Firma kritisiert hatte.

Was das Buch von den üblichen bösen Attacken auf die Pharma-Industrie unterschied, war die akademische Sorgfalt, mit der sein Autor, Dr. Milton Silverman, ein Pharmakologe von der University of California in San Francisco, vorgegangen war.

Celia kaufte ein halbes Dutzend Exemplare und schickte sie an die Führungskräfte der Firma, die alle so reagierten, wie sie es vorausgesehen hatte. Typisch war die Notiz von Sam Hawthorne:

»Im wesentlichen teile ich Silvermans und auch Ihre Ansichten. Aber wenn Änderungen vorgenommen werden sollen, dann müssen alle mitmachen. Keine Firma kann es sich leisten, freiwillig Nachteile auf sich zu nehmen - vor allem wir können es im Augenblick nicht, weil wir uns in einer äußerst schwierigen finanziellen Lage befinden.«

Für Celia war das ein Scheinargument, obwohl sie sich auf keinen Streit einließ, weil sie wußte, daß sie nicht gewinnen konnte.

Eine Überraschung war für sie die Reaktion von Vincent Lord, der ihr eine freundliche Anmerkung schickte:

»Vielen Dank für das Buch. Ich bin ebenfalls der Ansicht, daß es Änderungen geben muß, sage Ihnen aber voraus, daß sich unsere Bosse mit lautem Geschrei dagegen wehren werden, bis man sie am Ende mit der Pistole auf der Brust zwingt, neue Wege einzuschlagen. Aber versuchen Sie es ruhig weiter. Ich helfe Ihnen, wenn ich kann.«

In letzter Zeit verhielt sich der Leiter der Forschungsabteilung zunehmend freundlicher. Sie mußte daran denken, wie sie ihm vor dreizehn Jahren ein Exemplar des Weiblichkeitswahns geschickt hatte, das er ihr mit der Bemerkung »Quatsch« zurückgegeben hatte. Lag es daran, daß sie jetzt eine so exponierte Stellung in der Firma innehatte und Vince Lord glaubte, sie könne ihm als Verbündete nützlich sein?

Im April teilte Lisa ihren Eltern aufgeregt mit, daß sie im Herbst nach Kalifornien gehen wolle. Sie hatte einen Studienplatz an der Stanford University bekommen. Bei einem Essen in Albany zur Feier ihres Schulabschlusses, an dem die ganze Familie teilnahm, bemerkte Andrew: »Heute ist ein großer Tag, aber ansonsten sage ich voraus, daß dieses Jahr ziemlich langweilig werden wird.«

Fast unmittelbar danach wurden seine Worte durch eine mutige israelische Befreiungsaktion auf dem Flughafen von Entebbe, Uganda, widerlegt, wo mehr als hundert Geiseln aus der Gefangenschaft arabischer Terroristen befreit wurden.

Die Langeweile kehrte jedoch zurück - wie Andrew hervorhob -, als beim Kongreß der Demokraten in New York ein Unbekannter aus Georgia, der sich darauf berief, ein »wiedergeborener« Baptist zu sein, als Präsidentschaftskandidat nominiert wurde.

Trotz des allgemeinen Mißfallens, das zuerst Nixon und jetzt Ford erregt hatte, schien es unwahrscheinlich, daß der Neuling gewinnen würde. In der Cafeteria bei Felding-Roth hörte Celia jemanden fragen: »Ist es denn überhaupt vorstellbar, daß das höchste Amt von jemandem ausgefüllt wird, der sich Jimmy nennt?« Aber in der Geschäftszentrale in Boonton hatte man wenig Zeit, sich Gedanken über Politik zu machen. Dort war die Aufmerksamkeit voll und ganz auf das aufregende neue Medikament gerichtet, das bald zugelassen werden würde -auf Montayne.

Es war jetzt fast zwei Jahre her, daß Celia Sam ihre Bedenken in bezug auf Montayne mitgeteilt hatte. Aber auf Sams Drängen hatte sie eingewilligt, ihre Gedanken für sich zu behalten und zunächst die Ergebnisse der Testserien abzuwarten.

In der Zwischenzeit hatte sich umfangreiches Material angesammelt, von dem Celia das meiste bereits kannte. Dabei gelangte sie immer mehr zu der Überzeugung, daß Sam recht hatte: Während der letzten fünfzehn Jahre waren in der pharmazeutischen Wissenschaft erstaunliche Fortschritte gemacht worden, und man durfte den schwangeren Frauen nicht ein hilfreiches Medikament vorenthalten, nur weil vor langer Zeit einmal ein anderes Mittel Schaden angerichtet hatte.