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Und in einem Punkt hatte Dr. Stavely zweifellos recht, dachte Celia reumütig. Die Lektüre der Protokolle des australischen Gerichtsverfahrens mußte sie in der nächsten Woche unbedingt nachholen.

»Es mag nicht ganz einfach sein, mit diesen Aktivisten - Maud Stavely, Sidney Wolfe, Ralph Nader und all den anderen - auszukommen, und manchmal findet man sie vielleicht sogar abscheulich«, sagte Andrew am Abend, als Celia von ihrem Besuch bei der BSM berichtete. »Aber ihr braucht sie, eure Industrie braucht sie, genauso wie General Motors und die anderen Autofirmen einen Nader benötigten, bevor er auf dem Schauplatz erschien. Nader hat dazu beigetragen, die Autos besser und sicherer zu machen, weil er immer wieder nachhakte, und ich persönlich bin ihm dankbar dafür. Und jetzt halten Stavely und Wolfe dich und deine Leute in Trab.«

Celia stieß einen Seufzer aus. »Warum können sie nur nicht ein bißchen gemäßigter und vernünftiger sein?«

Andrew schüttelte den Kopf. »Dann wären sie ja keine erfolgreichen Aktivisten mehr. Und noch etwas - wenn sie rücksichtslos und unmoralisch sind, solltest du dich fragen, wo sie das herhaben. Doch wohl von Firmen wie der deinen, meine Liebe, denn wenn niemand hingesehen hat, haben die sich durchaus rücksichtslos und unmoralisch verhalten.«

Celia hätte Andrews letzte Bemerkung noch mehr zu würdigen gewußt, wenn sie einer Szene im Büro der BSM beigewohnt hätte, die sich dort nur wenige Minuten nach ihrem Weggang abspielte.

Dr. Stavely rief einen Assistenten zu sich. »Berufen Sie bitte für morgen vormittag eine Pressekonferenz ein. Sagen Sie, daß es sich um eine dringende Angelegenheit handelt, die die Krankenhäuser und Patienten betrifft, und vergewissern Sie sich, daß Fernsehanstalten und Presseagenturen davon erfahren. Gleichzeitig werden wir eine Pressemitteilung herausgeben. Es dürfte eine lange Nacht werden . . .«

Am nächsten Morgen um zehn Uhr berichtete Dr. Stavely vor Vertretern von Presse, Funk und Fernsehen über die Probleme, die sich im Zusammenhang mit der bakterienverseuchten Infusionsflüssigkeit ergeben hatten. Sie erwähnte auch, daß es infolge von Sepsis vermutlich mehrere Todesfälle gegeben habe. Was sie nicht erwähnte, waren Celias Informationen darüber, daß die FDA bereits beschlossen hatte, alle vorhandenen Bestände des Präparats zurückzurufen und diese Entscheidung bereits am Montag bekanntzugeben.

Statt dessen erklärte Dr. Stavely: »Die Organisation der >Bür-ger für mehr Sicherheit in der Medizin< bedauert, daß die FDA und die Herstellerfirma untätig zusehen. Wir fordern, daß alle Vorräte dieses lebensgefährdenden Stoffes sofort zurückgezogen werden . . .«

Das verfehlte seine Wirkung nicht. Die großen Fernsehanstalten berichteten darüber in den Abendnachrichten. Und als am Montag die FDA offiziell ihre Entscheidung bekanntgab, waren die Zeitungen bereits voll davon. Da sich kaum jemand die Mühe gemacht hatte, die Hintergründe aufzuhellen, begannen die Artikel mit den Worten: »In schneller Reaktion auf die Forderung von Dr. Maud Stavely und ihrer Organisation >Bürger für mehr Sicherheit in der Medizin< hat die FDA heute verfügt, daß jede weitere Verwendung . . .«

Celia, die mit einigem Unbehagen den Ablauf des Geschehens verfolgte, behielt die Rolle, die sie bei der ganzen Sache gespielt hatte, für sich. Sie hatte dazugelernt. Ihr wurde klar, daß sie sich ausgesprochen dumm und indiskret verhalten hatte und von einer meisterhaften Taktikerin ausgenutzt worden war.

11

Zu Celias Überraschung gab es in der Geschäftszentrale von Fel-ding-Roth keine einzige Prozeßakte des australischen Gerichtsverfahrens, in das Montayne verwickelt war. Und auch die Rechtsabteilung der Firma konnte nirgends eine auftreiben. Es gab eine Menge Berichte, in denen der Fall zitiert wurde, aber Ce-lia wollte unbedingt das Verfahren in seiner Gesamtheit kennenlernen. Obwohl Maud Stavely offenbar eine Kopie der Protokolle besaß, war Celia nicht erpicht darauf, sie darum zu bitten, und beauftragte statt dessen die Rechtsabteilung der Firma, über eine Kanzlei in Australien telegrafisch die Akten anzufordern.

Inzwischen gab es eine Menge anderes zu tun. Die Werbekampagne für den Start von Montayne wurde vorangetrieben, denn der Februartermin rückte immer näher. Celia und ihr Stellvertreter Bill Ingram waren für die vielen Millionen Dollar verantwort-lich, die bereits ausgegeben waren; und für die kommenden Monate standen noch weitere Gelder bereit. In zahlreichen medizinischen Magazinen wurden mehrfarbige vierseitige Anzeigen plaziert, und auf Ärzte und Apotheker im ganzen Land rollte eine Lawine von Postwurfsendungen zu.

Zu den Werbemitteln, die verschickt wurden, gehörte auch eine Kassette, die außer dem »Wiegenlied« von Brahms eine klinische Beschreibung von Montayne zu Gehör brachte. Darüber hinaus waren zahlreiche Vertreter der Firma unterwegs, die Tausende von Musterpackungen an die Ärzte verteilten und dabei auch Golfbälle mit der Aufschrift »Montayne« auf deren Schreibtischen zurückließen. Wie bei jedem Start eines neuen Medikaments herrschte in der ganze Firma Aufregung und Trubel, Nervosität, aber auch Zuversicht.

Hoffnungen weckten ebenfalls die neuesten Nachrichten aus dem Forschungsinstitut in Großbritannien. Dort war es Martin Peat-Smiths Team anscheinend gelungen, die technische Barriere zu durchbrechen, die über lange Zeit die Forschungen behindert hatte. Einzelheiten waren noch nicht bekannt - Martins Bericht war kurz und sehr allgemein gehalten -, aber wie es aussah, handelte es sich um die Überwindung jener Mauer, von der Dr. Rao Sastri vor achtzehn Monaten gesprochen hatte: » Wir besitzen keine geeigneten Techniken. . . In zehn fahren vielleicht. . . «

Celia freute sich, daß Sastri zumindest in diesem Punkt unrecht und Martin recht gehabt hatte.

Einem Brief von Nigel Bentley aus Harlow war zu entnehmen, daß der erzielte technische Fortschritt auf der Gewinnung eines Peptid-Gemischs beruhte, das aus dem Gehirn von Ratten gewonnen wurde. Folgetests an Ratten im sogenannten »Labyrinth« zeigten, daß es das Gedächtnis älterer Tiere zu stärken vermochte. Die Versuche gingen weiter.

Obwohl ein Medikament zur Verbesserung des menschlichen Gedächtnisses noch immer in weiter Ferne lag, zeichnete sich die Möglichkeit eines Erfolgs jetzt deutlicher ab als je zuvor.

Die Nachricht traf zum rechten Zeitpunkt ein, da sich einige Mitglieder des Aufsichtsrats erneut anschickten, das Harlower Institut wegen zu hoher Kosten und ausbleibender Erfolge zu schließen. Mit diesen positiven Ergebnissen schien das Forschungsprojekt, für den Augenblick zumindest, gesichert.

Auch Celia war froh darüber, daß sie sich vor anderthalb Jahren gegen die Schließung des Instituts ausgesprochen hatte.

Mitte Dezember traf das angeforderte Gerichtsprotokoll aus Australien ein. Es war eine mehrere hundert Seiten starke Akte. Aber Celia war im Augenblick so überlastet, daß sie die Lektüre auf einen späteren Zeitpunkt verschieben mußte. Anfang Januar hatte sie das Protokoll noch immer nicht gelesen; und dann ereignete sich etwas, das alles andere in Vergessenheit geraten ließ.

Mit seiner Wahl zum Präsidenten hatte Carter alle Welt in Erstaunen versetzt. Nachdem er das Weiße Haus in Besitz genommen hatte, schickte er alsbald Boten aus, um eilig Kandidaten für die zahlreichen Regierungsämter anzuwerben, die die Republikaner bald würden freimachen müssen. Zu denen, die einen Ruf erhielten, gehörte auch Xavier Rivken, Leiter der Verkaufsabteilung bei Felding-Roth.