»Ich werde Ihnen sagen, wie sie sich auswirken wird, erklärte Hammond, dem die Öffentlichkeitsarbeit oblag. »Wenn wir Montayne jetzt verschieben, ist das ein gefundenes Fressen für die Presseleute. Sie werden das Medikament so in Verruf bringen, daß es sich nie wieder davon erholen wird.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, bestätigte Sam.
»Eine Verschiebung des Starts zu diesem Zeitpunkt käme in gewisser Hinsicht einer endgültigen Einstellung des Projekts gleich.«
Er sah Celia an, seine Stimme klang vorwurfsvoll. »Wenn wir Ihrem Vorschlag folgen - und zwar aus sehr vagen Gründen -, Was, glauben Sie, wird wohl der Aufsichtsrat, was werden die Aktionäre dazu sagen? Haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht - oder über die Mitarbeiter dieser Firma, die man entlassen müßte und die vielleicht für immer ihre Arbeit verlieren würden?«
»Ja«, sagte sie und war bemüht, nicht zu zeigen, wie sehr sie das alles quälte. »Daran habe ich gedacht, gestern nacht und heute fast den ganzen Tag.«
Sam brummte skeptisch und wandte sich wieder Feingold zu. »Auf jeden Fall würden wir das Risiko eingehen, ungefähr achtundzwanzig Millionen zu verlieren, ganz abgesehen von der zu erwartenden Einnahmeeinbuße.«
Der Leiter des Rechnungswesens warf Celia einen gequälten Blick zu, als er antwortete: »Das ist der voraussehbare Verlust, ja.«
»Und den können wir uns nicht leisten, nicht wahr?« fragte Sam grimmig.
Feingold schüttelte traurig den Kopf. »Nein.«
»Der Verlust könnte allerdings noch größer sein, wenn wir mit Montayne Schwierigkeiten bekommen«, warf Celia ein.
»Das sollten wir bedenken«, sagte Glen Nicholson und wand sich dabei vor Verlegenheit. Immerhin war es die erste Unterstützung, die Celia bekam, und sie warf dem Herstellungsleiter einen dankbaren Blick zu.
»Aber wir werden keine Schwierigkeiten bekommen«, fuhr Vincent Lord dazwischen und sah die anderen herausfordernd an. »Außer, Sie sehen die Dame als Ihren wissenschaftlichen Experten an.« Manche gaben ein halbherziges Lachen von sich, wurden aber von Sam mit einer ungeduldigen Handbewegung wieder zum Schweigen gebracht.
»Celia«, sagte Sam, »bitte hören Sie mir genau zu.« Seine Stimme klang ernst, aber beherrschter als zuvor, und er sah ihr wieder direkt in die Augen. »Ich möchte Sie bitten, noch einmal darüber nachzudenken. Vielleicht haben Sie Ihre Entscheidung überstürzt getroffen, ohne sich zu überlegen, was sie alles nach sich ziehen könnte. Das passiert jedem mal, mir auch. Aber dann muß man eben seinen Stolz hinunterschlucken und einen Rückzieher machen und zugeben, daß man sich geirrt hat. Wenn Sie das jetzt tun wollen, wird es Ihnen keiner von uns auch nur im geringsten nachtragen, und was geschehen ist, wird damit vergessen sein. Das verspreche ich Ihnen, aber ich beschwöre Sie auch, Ihre Meinung zu revidieren. Nun?«
Sie schwieg, wollte sich nicht festlegen, ohne noch einmal darüber nachgedacht zu haben. Sam hatte ihr gerade auf seine großzügige Art einen ehrenvollen Ausweg angeboten. Sie brauchte nur ein paar belanglose Worte zu sagen und war aus der Sackgasse heraus. Das Angebot war außerordentlich verlockend.
Bevor sie antworten konnte, fügte Sam noch hinzu: »Auch für Sie persönlich steht viel auf dem Spiel.«
Sie wußte genau, was er meinte. Ihre Ernennung zur Leiterin der Verkaufsabteilung war noch nicht bestätigt. Und wenn das, was sich hier anbahnte, zu einem logischen Ende führte, würde es wahrscheinlich nie dazu kommen.
Sam hatte recht. Es stand tatsächlich eine Menge auf dem Spiel. Sie nahm sich noch einen Augenblick Zeit zum Nachdenken, dann sagte sie ruhig und entschieden: »Es tut mir leid, Sam. Ich habe mir alles gut überlegt. Ich weiß, was auf dem Spiel steht. Aber ich bleibe dabei: Ich bin dafür, die Einführung von Montayne zu verschieben.«
Es war heraus. Während sich Sams Gesicht vor Zorn rötete, wußte sie, daß es nun kein Zurück mehr gab.
»Na gut«, erklärte er schroff. »Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir sind. Vorhin habe ich gesagt, daß wir keine Abstimmung brauchen. Vergessen wir das. Ich möchte, daß alles zu Protokoll genommen wird. Seth, schreiben Sie bitte mit!«
Feingold holte mit traurigem Gesicht seinen Stift heraus.
»Ich habe bereits klar gesagt, wie ich dazu stehe«, betonte Sam. »Selbstverständlich bin ich dafür, die Vorbereitungen für den Start von Montayne wie geplant fortzuführen. Ich möchte jetzt wissen, wer mir zustimmt und wer anderer Meinung ist. Wer zustimmt, soll die Hand heben.«
Vincent Lords Hand schoß in die Höhe. Die von Dr. Starbut, Hammond und zwei weiteren folgten. Nicholson, der seine Zweifel anscheinend überwunden hatte, hob ebenfalls die Hand. Bill Ingram zögerte noch, er sah Celia mit einer stummen Bitte in den Augen an. Aber sie drehte den Kopf weg, wollte ihm nicht helfen; er mußte seine Entscheidung allein treffen. Dann, langsam, hob auch Bill die Hand.
Jetzt sahen alle Seth Feingold an. Der stieß einen Seufzer aus, legte den Stift weg und nahm zitternd die Hand hoch.
»Neun zu eins«, erklärte Sam. »Und damit steht eindeutig fest, die Firma mit den Vorbereitungen für den Start von Mon-fortfahren wird.«
Auf seine Worte folgte verlegenes Schweigen, als wüßte nie-mand so recht, was er als nächstes tun oder sagen sollte. Dann stand Sam auf.
»Wie Sie wissen«, sagte er, »wollte ich vorhin gerade losfahren, um meine Tochter und meinen Enkelsohn im Krankenhaus zu besuchen. Das werde ich jetzt tun.« Aber seine Stimme hatte den freudigen Klang verloren. Er nickte den Herren zu und sah absichtlich über Celia hinweg, als er den Konferenzraum verließ.
Bill Ingram näherte sich ihr. »Es tut mir leid . . .«, begann er.
Sie brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Das macht nichts. Sparen Sie sich Ihre Worte.«
Und ganz plötzlich wurde ihr klar, daß alles, was sie sich in der Firma aufgebaut hatte - ihre Autorität, ihr Ansehen, ihre Zukunftsaussichten -, in sich zusammengestürzt war. Konnte sie denn hier überhaupt weitermachen? Sie wußte es nicht.
»Was werden Sie tun?« fragte Bill. »Eigentlich könnten Sie doch jetzt, nachdem Sie deutlich gemacht haben, wie Sie zu Montayne stehen . . . ruhig weiter den Verkauf leiten.«
Celia wollte jetzt keine Entscheidungen treffen. »Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht.« Aber sie wußte, daß sie heute abend zu Hause über ihre Situation würde nachdenken müssen.
»Es ist mir nicht leichtgefallen, gegen Sie zu stimmen, Celia«, sagte Seth Feingold. »Aber Sie wissen ja, wie es ist - ich verstehe eben nichts von wissenschaftlichen Dingen.«
Sie starrte ihn an. »Warum haben Sie dann überhaupt abgestimmt? Sie hätten sich doch der Stimme enthalten können.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf und ging. Die anderen folgten ihm, einer nach dem ändern, bis Celia allein war.
13
»Es muß etwas passiert sein, das spüre ich doch«, sagte Andrew beim Abendessen und brach damit das lange Schweigen, »und zwar etwas ziemlich Schlimmes.«
Er wartete, und als Celia nicht sofort antwortete, fuhr er fort: »Seit ich hier bin, hast du keinen Ton von dir gegeben. Ich kenne dich ziemlich gut, deshalb will ich dich nicht drängen. Aber wenn du reden möchtest und mich brauchst . . . du weißt ja, daß ich für dich da bin, Liebes.«
Sie legte Messer und Gabel aus der Hand - das Essen hatte sie kaum angerührt - und sah ihn mit feuchten Augen an.
»Ach, Liebling! Du weißt ja gar nicht, wie sehr dich brauche!«
Er streckte die Hand aus, legte sie auf die ihre und sagte sanft: »Laß dir Zeit. Iß erst zu Ende.«
»Ich kann nicht essen«, sagte sie.
Etwas später, als sie im Wohnzimmer saßen und Brandy tranken, berichtete Celia ihm von den Ereignissen der letzten beiden Tage, die darin gipfelten, daß es ihr heute nachmittag nicht gelungen war, Sam und die anderen von der Notwendigkeit einer Terminverschiebung bei Montayne zu überzeugen.