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Hier ist es passiert, und ich hin schließlich doch noch hergekommen.

Ein paar Zeilen eines Gedichts fielen Celia ein. »Gib mir eine Muschelschale voll Ruhe . . . und ich werde meine Pilgerreise fortsetzen.«

Als sie geradeaus sah, über den Bug des Boots hinaus, drängte sich ihr ein widersinniger Gedanke auf. Das Mahnmal war nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Statt dessen sah es aus wie ein langer weißer Eisenbahnwagen, der in der Mitte in sich zusammengefallen war. Aber das spielte keine Rolle. Nur das Schiff war wichtig, und jetzt wurden seine Umrisse sichtbar - unglaublich, nur ein paar Meter unter der Oberfläche des graugrünen Wassers.

». . . und das Mahnmal überspannt das gesunkene Schlachtschiff.«

Meines VatersSchiff, seineHeimat, wenneraufSee war, wo ergestorben ist . . . als ich zehn Jahre alt war, fünftausend Meilen entfernt in Philadelphia.

Andrew ergriff Celias Hand und hielt sie fest. Niemand sprach. Unter den Passagieren herrschte befangene Stille.

Das Boot legte am Ponton, am Eingang zum Mahnmal, an. Der weibliche Matrose belegte die Leinen, und die Jordans stiegen zusammen mit den anderen aus. Sie spürten keine Bewegung unter ihren Füßen; das Mahnmal ruhte auf Pfeilern, die in den Grund des Hafens getrieben worden waren.

Ungefähr in der Mitte des Mahnmals blieben Celia, Andrew und Lisa an einer Öffnung stehen, von der aus man hinunter auf das Hauptdeck der Arizona sehen konnte, die jetzt ganz deutlich zu erkennen war.

Bruce, der ein Stück weitergegangen war, kam zu ihnen zurück. »Ich habe Großvaters Namen gefunden«, sagte er. »Ich zeige euch, wo.« Sie folgten ihm, bis sie neben den anderen vor einer Marmortafel standen, auf der Hunderte von Namen und Dienstgraden aufgeführt waren.

In diesen wenigen Minuten des heftigen japanischenAngriffs waren allein auf der Arizona eintausendeinhundertsiebenundsiebzig Mann umgekommen. Später hatte es sich als unmöglich erwiesen, das Schiffzu heben, das für mehr als tausend Tote zum endgültigen Grab geworden war. Eine Inschrift lautete:

ZUR ERINNERUNG AN DIE TAPFEREN MÄNNER DIE HIER BEGRABEN SIND

Bruce deutete auf eine Stelle der Tafel. »Da, Mom.«

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Sie standen ehrfürchtig und in Gedanken versunken davor. Dann führte Celia sie zurück zu der Stelle, von wo aus sie auf den gesunkenen Schiffskörper hinunterblicken konnten. Die Aufbauten waren längst entfernt worden. Es sah zum Greifen nah aus! Und plötzlich stieg von irgendwo weit unten eine Ölblase auf. Das Öl breitete sich wie eine Blüte auf der Wasseroberfläche aus. Ein paar Minuten später wiederholte sich der Vorgang auf unheimliche Weise.

»Diese Ölblasen stammen von den Resten aus den Treibstofftanks«, erklärte Bruce. »Sie steigen auf, seit das Schiff gesunken ist. Niemand weiß, wie lange das Öl noch reichen wird, aber es könnte noch gut zwanzig Jahre dauern.« »Ich wünschte, ich hätte Großvater gekannt«, sagte Lisa. Und als hätte Lisas Bemerkung das mühsam bewahrte Gleichgewicht endgültig ins Wanken gebracht, brach Celia, von Schmerz und Kummer überwältigt, zusammen.

Andrew, der sie besorgt beobachtet hatte, machte einen Schritt auf sie zu, aber Lisa und Bruce waren schneller. Die beiden umarmten ihre Mutter, trösteten sie und weinten mit ihr. Andrew nahm sie alle drei in die Arme.

An diesem Abend versammelte sich die Familie zum Essen im Maile Room des Kahala Hilton. »Andrew, mein Lieber, ich möchte gern Champagner trinken«, erklärte Celia.

Andrew winkte einem Kellner.

Seit dem Vormittag hatten sie kaum über ihren Ausflug nach Pearl Harbor gesprochen. Als Celia die Fassung verlor, hatten die anderen Besucher des Mahnmals höflich weggesehen. An diesem Ort, der traurige Erinnerungen weckte, hatten sich gewiß schon viele solcher Szenen abgespielt.

Als der Ober den Champagner gebracht und eingeschenkt hatte, hob Celia ihr Glas. »Auf euch alle! - Ich liebe euch und danke euch für alles! Für euren Trost und euer Verständnis, das ich nie vergessen werde. Das heutige Erlebnis war für mich wie ein Reinigungsprozeß - eine Katharsis. Ich habe beschlossen, damit aufzuhören, mich selbst zu bemitleiden. Ich will mein Leben wieder in die Hand nehmen. Es waren wunderbare Ferien, die schönsten, die ich je erlebt habe, aber in zwei Tagen wird alles vorbei sein.« Sie sah Andrew liebevoll an. »Ich kann mir vorstellen, daß du dich auch wieder auf deine Praxis freust.«

Andrew nickte.

»Das kann ich verstehen«, sagte Celia, »und auch ich werde nicht untätig sein. Ich habe die Absicht, mir wieder eine Arbeit zu suchen.«

»Was willst du denn tun?« fragte Bruce.

Celia nahm einen Schluck Sekt, bevor sie antwortete. »Ich habe eine Menge darüber nachgedacht und mir viele Fragen gestellt und bin immer zu demselben Ergebnis gekommen. In der Pharma-Branche kenne ich mich am besten aus, daher sollte ich auch dabei bleiben.«

»Ja, das finde ich auch«, stimmte Andrew zu.

»Könntest du nicht zu Felding-Roth zurückgehen?« fragte Lisa.

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Ich habe die Brücken hinter mir abgebrochen. Es gibt keinen Weg zurück zu Felding-Roth, selbst wenn ich das wollte. Nein, ich werde es bei anderen Firmen versuchen.«

»Wenn die nicht sofort zugreifen, können sie nicht bei Verstand sein«, meinte Andrew. »Hast du schon überlegt, wer in

Frage käme?«

»Ja. Es gibt eine Firma, die ich schon immer bewundert habe -Merck. Wenn es einen >Rolls-Royce< der Pharma-Industrie gäbe, dann wäre es Merck. Daher werde ich mich zuerst dort bewerben.«

»Und danach?«

»Smith Kline sagt mir zu und auch Upjohn. Beides sind Gesellschaften, für die ich gerne arbeiten würde. Und dann gibt es noch eine ganze Reihe anderer.«

Andrew hob sein Glas. »Trinken wir auf die glückliche Firma, die Celia Jordan für sich gewinnen kann.«

3

Im Schlafzimmer der Hotel-Suite der Jordans klingelte kurz vor sechs Uhr morgens neben dem Bett durchdringend das Telefon.

Celia schlief fest. Andrew, der neben ihr lag und gerade die Grenze vom Schlaf zum Wachsein überschritten hatte, bewegte sich unruhig bei dem beharrlichen Geklingel.

Als sie am Abend zu Bett gegangen waren, hatten sie die Glastüren zum Balkon geöffnet, um die frische Meeresluft hereinzulassen. Jetzt wurden draußen in der Dämmerung allmählich Umrisse sichtbar. In fünfzehn Minuten würde die Sonne hinter dem Horizont hervorkommen.

Andrew richtete sich im Bett auf, war jetzt wach. Er griff nach dem Hörer.

Celia drehte sich um und fragte verschlafen: »Wie spät ist es denn?«

»Viel zu früh!« sagte Andrew, und in den Hörer: »Ja - was gibt's?«

»Ich habe eine Voranmeldung für Mrs. Celia Jordan«, sagte die Telefonistin.

»Wer will sie sprechen?«

Eine andere weibliche Stimme kam in die Leitung. »Mr. Seth Feingold von Felding-Roth in New Jersey.«

»Weiß Mr. Feingold, wie spät es hier ist?« »Ja, Sir. Das weiß er.«

Celia saß aufrecht im Bett, sie war jetzt hellwach. »Ist es Seth?« Und als Andrew nickte, sagte sie: »Ich nehme den Anruf entgegen.«

Er reichte ihr den Telefonhörer. Celia vernahm die Stimme von Seth Feingold. »Sind Sie's, Celia?«

»Ja, ich bin's.«

»Man hat mir gerade gesagt, daß wir Sie geweckt haben, und ich möchte mich dafür entschuldigen. Aber hier ist es Mittag. Wir konnten einfach nicht noch länger warten.«

Verwirrt fragte sie: »Wer ist >wir<? Und worauf können Sie nicht länger warten?«

»Celia, was ich Ihnen zu sagen habe, ist außerordentlich wichtig. Bitte hören Sie genau zu.«

»Sprechen Sie«, sagte Celia. »Ich rufe an im Namen und auf Wunsch des Aufsichtsrats. Ich habe die Anweisung, Sie zuallererst darüber zu informieren, daß Sie bei Ihrer Kündigung - deren Gründe ja bekannt sind - recht hatten und alle anderen . . .« Ihm versagte die Stimme, dann fuhr er fort: »Wir haben uns alle getäuscht.«