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Ted hob den Kopf vom Steuerrad und kniff die Augen zu. Amy, wir haben dich vollkommen vergessen ...

Der ganze Abend war so schrecklich und unwirklich gewesen, wie ein böser Traum. Er wünschte, er hätte ihn einfach vergessen können. Aber er wußte auch, daß im Erinnern das

Gefühl war, und das Gefühl gab ihm den Willen und die Kraft weiterzumachen. Er mußte mit Nathan Holland sprechen. Das war der einzige logische nächste Schritt. Vielleicht würden sie gemeinsam eine Lösung finden.

Als sich die Haustür plötzlich öffnete, fuhr Ted zusammen. Er zog den Zündschlüssel ab und sprang aus dem Wagen.

»Hallo, Nat.« Er winkte kurz.

Nat lachte. »Ich dachte doch, ich hätte Sie vorfahren gehört. Kommen Sie rein.«

Ted hatte Nat gleich nach dem Aufstehen angerufen, um diesen Termin mit ihm zu vereinbaren. Als Nat vorgeschlagen hatte, er solle zu ihm ins Büro kommen, hatte Ted erklärt, er zöge es vor, mit ihm allein zu sein. Daraufhin hatten sie ausgemacht, daß sie sich um elf bei Nat treffen würden.

»Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte Ted nach der Begrüßung.

»Aber das ist doch selbstverständlich.« Nat schloß die Haustür und ging seinem Gast ins kühle Wohnzimmer voraus. »Ich war heute morgen schon im Büro und nehme mir jetzt eine lange Mittagspause. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«

»Ja, gern. Sind die Jungen zu Hause?«

Nat, der schon auf dem Weg zur Küche war, drehte sich kurz um. »Mike und Matt sind in der Schule, aber heute ist früher Schluß, weil morgen der letzte Schultag ist. Ich denke, die beiden werden gegen Mittag heimkommen.«

»Ja ...« Ted sah sich zerstreut im Wohnzimmer um. »Ich weiß .« Er ging zum Sofa und setzte sich. »Und wo ist Timothy?« rief er.

»Der ist bei den Nachbarn, beim Schwimmen. Er hat ja schon seit einer Woche Ferien. Ich komme sofort, Ted, machen Sie es sich bequem.«

Der Rat war gut gemeint, aber Ted war so angespannt, daß er wie auf Kohlen saß. Lucilles Worte vom vergangenen Abend wollten ihm nicht aus dem Kopf. »Du bist ihr Vater. Tu etwas, damit sie dieses Ding los wird.«

Er hatte nicht die Absicht, einen solchen Weg einzuschlagen. Gestern abend war es ihm, vom Scotch benebelt, beinahe wie eine Erlösung erschienen; schnell und heimlich das Leben im Keim ersticken, ehe es aufblühen konnte. Fort mit dem Schmutz, ehe andere auch nur ahnen können, daß er da ist. Aber im nüchternen Licht des Morgens hatte Ted bei der Vorstellung einer Abtreibung nur Abscheu empfunden, und er war überzeugt, daß auch Lucille die Ungeheuerlichkeit ihrer Worte bewußt geworden war.

Als Nat mit dem Tablett kam, auf dem Kaffee und Kuchen standen, riß Ted sich zusammen und sah ihm lächelnd entgegen.

»Es ist schön, Sie mal wieder zu sehen«, sagte Nat. »Wie geht es Lucille und den beiden Mädchen?«

»Oh - gut. Und Ihnen und den Jungen?«

»Könnte nicht besser sein.«

Ted trank einen Schluck von seinem Kaffee, dann umfaßte er seine Tasse mit beiden Händen und sah den Mann an, der ihm gegenüber in einem tiefen Sessel Platz genommen hatte. Nathan Holland war ein großer, robuster Mann Anfang Fünfzig mit einer weißen Löwenmähne und einer tiefen Baßstimme, die einem Sänger oder Schauspieler hätte gehören können.

»Was macht das Versicherungsgeschäft, Nat?«

»Ich kann mich nicht beklagen. Und die Börse?«

Ted starrte stirnrunzelnd in den dampfenden Kaffee. So konnte das nicht weitergehen. Er setzte seine Tasse nieder und sah Nat direkt in die grauen Augen.

»Ich bin nicht aus geschäftlichen Gründen hergekommen, Nat. Es ist leider eine sehr ernste Sache.«

Nat nickte nur.

»Ich habe ein schlimmes Problem, Nat, und ich möchte Ihnen sagen, daß dieser Gang mir nicht leichtgefallen ist.«

Nat stellte seine Tasse auf den Tisch und sah sein Gegenüber ernst an.

»Was gibt's denn?«

Ted überlegte, wie er es formulieren sollte. Aber es gab nur eine Möglichkeit. »Meine Tochter ist schwanger.«

Nats Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Es war, als hätte er nicht gehört. Dann sagte er: »Was?«

»Ich sagte, meine Tochter ist schwanger.«

»Welche?«

Ted zog die Brauen zusammen. Welche? »Mary. Mary ist schwanger.«

»Aber das ist doch -« Nat schlug sich mit beiden Händen auf die Knie und lehnte sich zurück. »Das kann ich nicht glauben.«

Ted starrte auf seine Hände hinunter. »Ich weiß. Ich kann es auch nicht glauben. Es ist .« Er schüttelte den Kopf.

»Ted.« Nats Stimme war gedämpft. »Seit wann wissen Sie es?«

»Seit gestern nachmittag.«

»Und es steht außer Zweifel? Ein anderer Arzt würde vielleicht -«

»Nein. Lucille war mit Mary bei zwei Ärzten. Sie stellten beide das gleiche fest.«

Eine lange Zeit verging, ehe Nat endlich fragte: »Was sagt Mary denn dazu?«

Plötzliche Wut wallte in Ted auf; die Wut über die eigene

Ohnmacht. Er sprang auf und ging mit langen Schritten zum offenen Kamin. Einen Ellbogen auf den Sims gestützt, starrte er in die dunkle Öffnung.

»Sie leugnet es«, sagte er leise. »Das macht es noch schlimmer, Nat. Mary behauptet steif und fest, sie könne gar nicht schwanger sein.«

Nat nickte ernst und teilnahmsvoll. »Ich könnte mir denken, daß das meistens die erste Reaktion ist in so einem Fall. Das arme Kind, sie muß schreckliche Angst haben.«

Irgendwo im Haus tickte leise eine Uhr. Aus der Küche kam das Brummen des Kühlschranks. Im Garten zwitscherten ein paar Vögel. Endlich brach Nat das Schweigen.

»Ich weiß, warum Sie hergekommen sind, Ted«, sagte er leise. »Sie glauben, es war Mike.«

Er holte tief Atem. »Ja.«

»Okay. Reden wir darüber.« Ted hob den Kopf und sah den Mann im Sessel an. Ihre Blicke trafen sich flüchtig, dann wandten sie beide die Gesichter ab.

»Nat, bitte glauben Sie mir eines«, sagte Ted. »Ich beschuldige ihn nicht. Mary hat nie etwas darüber gesagt. Sie bestreitet, schwanger zu sein. Wenn sie es tut, um jemanden zu schützen, dann möchte ich wissen, um wen es sich handelt. Ich möchte es ans Licht bringen, damit sie nicht länger zu lügen braucht. Und Mike - nun ja, es erschien uns am wahrscheinlichsten.«

Nat Holland hatte das Gefühl, als hätte sich soeben eine schwere Last auf seine Schultern gesenkt. Wie ein müder, alter Mann stand er auf. »Gut, Ted, wir werden mit Mike sprechen. Und dann?«

Ja, und dann? Ted hatte keine Ahnung. Was taten Väter in einer solchen Situation? Was tut man mit einer Tochter, die noch nicht einmal die Schule abgeschlossen hat und ein Kind erwartet? Was sagt man ihr? Wie verhält man sich zu ihr? Was ist mit den Nachbarn? Mit der Kirchengemeinde? Wie soll es mit der Schule weitergehen? Wie versteckt man sie? Und was geschieht, wenn das Kind da ist?

Wieder hörte er die Worte, die Lucille am vergangenen Abend gesprochen hatte. Nein! Er ging vom Kamin weg und kehrte zur Couch zurück, schlug mit der Faust auf die Lehne.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll, Nat. Ich weiß es einfach nicht.«

»Uns wird schon etwas einfallen, Ted. Beruhigen Sie sich. Wir kümmern uns um Mary.«

Ja, dachte Ted trostlos, aber wer kümmert sich um uns?

Als sie die Hintertür knallen hörten, drehten sich beide um und blickten wie gebannt in Richtung zur Küche. Schranktüren wurden geöffnet und wieder zugeschlagen, der Kühlschrank wurde aufgezogen und wieder geschlossen, ein Glas klirrte, eine Tüte knisterte. Dann erschien Mike an der Wohnzimmertür, in der einen Hand ein Glas Milch, in der anderen einen Teller mit Ingwerkeksen.

»Hallo!« rief er erstaunt und blieb stehen. »So eine Überraschung. Hallo, Mr. McFarland. Wieso bist du um diese Zeit zu Hause, Dad?«