»Mike, wir möchten mit dir sprechen. Kannst du dich einen Moment zu uns setzen?«
»Aber klar.« Doch als er näherkam und ihre Gesichter sah, blieb er erneut stehen. »Was ist denn los?« fragte er beinahe erschrocken. »Ist was passiert?«
»Setz dich, Mike.«
Er sah von seinem Vater zu Ted McFarland und wieder zurück zu seinem Vater. »Okay .«
Als alle drei sich gesetzt hatten, Mike aufs Sofa neben Ted, räusperte sich Nat und sagte: »Mike, Mr. McFarland ist wegen einer sehr ernsten Sache hier. Und wir denken, daß sie dich betrifft.«
»Okay, Dad.«
»Mary McFarland ist schwanger.«
Wieder das Schweigen der Ungläubigkeit. Mit großen Augen, die so grau waren wie die seines Vaters, starrte der siebzehnjährige Mike den Vater seiner Freundin an. Dann sagte er das gleiche wie vorher Nat. »Was?«
»Mary McFarland ist schwanger.«
»Ach -« Er ballte die Hände zu Fäusten. »Hör auf, Dad. Das glaub ich nicht.«
»Es ist wahr.« Ted beobachtete aufmerksam das Gesicht des Jungen.
»Das gibt's doch nicht! O Mann!« Mike sprang auf und ging von den beiden Männern weg. »Mein Gott -«
»Mike«, sagte Nat, »bist du es gewesen?« Mike wirbelte herum. »Was?«
»Sag die Wahrheit, Mike.«
Mike blickte in die bitter ernsten Gesichter der beiden Männer und bekam Angst. »He, Dad, hör mal -« Er breitete in hilfloser Gebärde beide Hände aus. »Ich kann's nicht gewesen sein. Ehrlich. Mary und ich haben nie -«
»Mike!« Nat stand auf und trat seinem Sohn zornig gegenüber. »Hast du Mary Ann geschwängert?«
»Wirklich, Dad, ich -« Er sah sich gehetzt im Zimmer um. »Nein! Es ist nicht möglich. Wir haben nie was miteinander gemacht.«
»Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen!« Nats Gesicht war hochrot. »Ich hab doch gehört, wie du am Telefon bei deinen Freunden mit deinen Eroberungen angegeben hast. Ich hab gehört, wie du Rick vom Mulholland Drive erzählt hast. Wofür hältst du mich eigentlich, Mike?«
Der Junge wich langsam vor seinem Vater zurück. Ein schrecklicher Gedanke keimte in Ted auf, ein Gedanke, auf den er bis jetzt nicht gekommen war.
Man hatte ihm seine Tochter verdorben.
Und Mike Holland hatte vor seinen Freunden noch damit angegeben, daß er es getan hatte.
»Mike«, sagte er mühsam beherrscht. »Mike, es ist nur natürlich, daß du es leugnest. Etwas anderes habe ich nicht erwartet. Aber um Gottes willen, Junge, Mary versucht, dich zu schützen und geht dabei selbst durch die Hölle.«
»Mr. McFarland, ich war es nicht!« Mikes Gesicht war angstverzerrt. »Ehrlich. Ich hab nie was mit Mary getan -«
»Wieso hast du dann vor deinen Freunden damit angegeben?«
»Sie hat mir überhaupt nicht erlaubt, sie anzufassen.«
Ted sprang vom Sofa hoch. Das Blut dröhnte ihm in den Ohren. »Kannst du nicht wenigstens ein Mann sein und dich dazu bekennen?«
Nat drehte sich um. »Versuchen wir, ruhig zu bleiben, Ted. Wir sind doch erwachsene Leute. Wir können die Situation im Griff behalten.«
Ted drückte sich die Fäuste auf die Augen. Im Geist sah er Mikes große, grobe Hände auf Marys zarter Haut; sah, wie er sich auf sie legte und in sie hineinstieß wie ein schwitzendes Vieh. Wut, Verwirrung und Eifersucht drohten Ted zu überwältigen.
»Jetzt mal mit der Ruhe«, sagte Nat vernünftig. »Wir müssen die Wahrheit herausbekommen. Mike, sag mir jetzt offen
und ehrlich - hast du mit Mary geschlafen?«
»Nein, Vater.« Mike wich noch einen Schritt zurück. »Ehrlich, sie hat mir nie erlaubt -«
»Du hast vor deinen Freunden damit angegeben, Mike, und jetzt leugnest du es?«
»Mensch, Dad, ich mußte denen doch irgendwas erzählen. Ich konnte doch nicht sagen, daß Mary mich nicht ranläßt -«
Mit einem Riesensprung stürzte sich Ted McFarland auf den Jungen. Während dieser zurücksprang, packte Nat Ted und umschlang ihn mit beiden Armen.
»Du Scheißkerl!« brüllte Ted. »Du mußtest den anderen was erzählen? Mary hat dich nicht rangelassen?«
»Ted!« donnerte Nat, der immer noch Mühe hatte, Ted zu halten. »Beruhigen Sie sich! Kommen Sie, beruhigen Sie sich doch.«
Ted erschlaffte mit einem Schlag. Keuchend stand er da, den Blick voller Haß und Wut auf Mike gerichtet. Nat ließ ihn los und trat einen Schritt zurück.
»Wutausbrüche führen zu nichts«, sagte er ruhig.
Teds Atem wurde ruhiger.
»Okay«, sagte Nat. »Setzen wir uns wieder.«
»Gib endlich zu, was du meiner Tochter angetan hast«, zischte Ted zornfunkelnd. »Wenn du dir schon eingebildet hast, Manns genug zu sein, um mit ihr zu bumsen, dann sei jetzt auch Manns genug, um dich dazu zu bekennen.«
»Ehrlich, Mr. McFarland, ich -«
»Mike«, sagte Nat bestimmt, »setz dich jetzt erst einmal. Komm, Junge, setz dich, damit wir in Ruhe reden können.«
Den Blick mißtrauisch auf Ted gerichtet, setzte sich Mike auf die Sofakante. Dann setzten sich auch die beiden Männer wieder.
Nats tiefe Stimme war ruhig und klar, als er zu sprechen begann. »Mary ist schwanger, Mike. Du bist seit fast einem Jahr ihr fester Freund und hast allen deinen Freunden erzählt, du hättest mit ihr geschlafen. Nein, unterbrich mich jetzt nicht, mein Junge. Ich sage nicht, daß ich dir nicht glaube, Mike, aber darum geht es hier nicht. Hier geht es um die Verantwortung. Du fandest, du wärst erwachsen genug, um dich damit zu brüsten, daß du mit Mary geschlafen hast; jetzt mußt du dich erwachsen genug zeigen, die Konsequenzen zu tragen und die Verantwortung zu übernehmen.«
»Aber das Kind ist nicht von mir, Dad.«
»Ich habe dir schon einmal gesagt, daß es darum nicht geht, Mike. Du hättest deinen Freunden gegenüber nicht das große Mundwerk haben sollen. So wie die Dinge liegen, ist das Kind so gut wie deines.« Nat holte einmal tief Atem und ließ die Luft langsam wieder heraus. Dann sah er Ted an. »Alles in Ordnung? Möchten Sie etwas zu trinken?«
»Nein ...« Teds Stimme war heiser. »Nein, Nat, ist schon gut. Es tut mir leid - ich weiß nicht, was plötzlich in mich gefahren ist.«
»Lassen Sie nur. Ich versteh es. Also, was wollen wir jetzt tun?«
Tun? Handeln? Eine Entscheidung treffen? »Ich weiß nicht, Nat. Ich hatte noch gar keine Zeit -«
»Haben Sie mit Pater Crispin gesprochen?«
»Noch nicht.«
Nat beugte sich vor und legte Ted die Hand auf den Arm. »Wir werden schon eine Lösung finden, Ted. Wir müssen überlegen, was mit Mary und dem Kind geschehen soll. Ich weiß noch nicht - sie sind beide noch so jung für eine Ehe, aber wenn das -«
»Nein, keine Notheirat, Nat.«
»Vielleicht kann Pater Crispin helfen. Wir suchen ihn zusammen auf.«
Ted sah die Anteilnahme und die Besorgnis in den grauen Augen Nat Hollands und straffte seine Schultern. »Ich muß mir das alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen, ehe ich mit Pater Crispin spreche. Lucille und ich müssen uns erst wieder fassen. Es ging alles so schnell.«
»Was sagt der Arzt?«
»Wozu?«
»Über das Kind, Ted. Wann ist es soweit?«
»Oh - ach so.« Wann waren sie in Dr. Wades Praxis gewesen, um Mary abzuholen? War das erst gestern abend gewesen? »Er sagte, Januar.«
Keiner sprach mehr. Nach einer Weile stand Ted schwerfällig auf. Er sah auf Mike hinunter. Sein Zorn und seine Wut waren verraucht. Der Junge sah alt aus.
Nat brachte Ted zur Tür. »Es tut mir leid, Ted. Wirklich. Ich fühle mich verantwortlich. Und Mike -« seine Stimme zitterte ein wenig - »ich weiß noch nicht, was ich da tun werde. Aber wir werden eine Lösung finden, Ted. Verlassen Sie sich darauf. Rufen Sie mich an. Halten Sie mich auf dem laufenden.«
Ted war nicht fähig, dem anderen ins Gesicht zu blicken. »Ich berichte Ihnen, was Pater Crispin meint«, sagte er leise.
Jonas Wade nahm seine Brille ab und legte sie auf den Tisch. Mit Daumen und Zeigefinger rieb er sich den Nasenrücken, um die durch das lange Tragen der Brille entstandenen Einkerbungen wegzumassieren. Dann sah er nachdenklich auf die Zeitschriften hinunter, die vor ihm ausgebreitet lagen.