Выбрать главу

8

»Guten Tag, Dr. Wade. Ich bin Dorothy Henderson. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«

Jonas Wade nahm die dar gebotene Hand. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie sich die Zeit nehmen, Dr. Henderson.«

»Es ist mir ein Vergnügen. Bitte, kommen Sie.« Wades erster Gedanke war: gutaussehend. Dr. Dorothy Henderson war eine gutaussehende Frau. Als er ihr in ihr Labor folgte, ergänzte er sein Urteiclass="underline" aristokratisch, eine königliche Hoheit im Exil. Stolz und gerade wie eine Prinzessin schritt sie vor ihm her. Ihr Gang war harmonisch und anmutig, ihre Gestalt schlank und von jugendlicher Beweglichkeit, obwohl sie gewiß keinen Tag jünger war als fünfzig. Das volle kastanienbraune Haar war in der Mitte gescheitelt und im Nacken zu einem dicken Knoten geschlungen; eine Primaballerina, die ihren Höhepunkt überschritten hatte. Sie drehte sich um und sah ihn lächelnd an. Die grünen Augen blitzten lebhaft, die Haut ihres Gesichts war zart und hatte einen natürlichen rosigen Schimmer, aber sie war auch gezeichnet vom Leben - eine Schauspielerin, die den Glanz ihrer Karriere genossen hatte und nun ohne Groll dem Nachwuchs Platz machte. Ihre Stimme, als sie sprach, war überraschend kräftig und voll; diese Frau hatte niemals flüstern müssen - ein Opernstar, eine Politikerin im Licht der Öffentlichkeit. Man konnte sich Dorothy Henderson in allen möglichen Rollen vorstellen, fand Jonas, während sie ihm das Labor zeigte, nur nicht als Wissenschaftlerin.

»Hat Bernie Ihnen erklärt, was wir hier machen, Dr. Wade?«

»Nein, ich habe keine Ahnung.«

»Können Sie sich unter klonen etwas vorstellen?«

Er sah sich in dem kleinen Labor um, wo zwei Assistentinnen schweigend an ihren Tischen arbeiteten, musterte die Geräte, registrierte die durchdringenden, undefinierbaren Gerüche, hörte das Summen eines Inkubators und das leise, regelmäßige Ticken eines Spektrometers.

»Das Wort ist mir bekannt. Geht es dabei nicht um die Erschaffung von Leben im Reagenzglas?«

»Ich will es Ihnen zunächst einmal wörtlich übersetzen, Dr. Wade. Klon ist griechisch und bedeutet Menge oder Gedränge. Ein Klon ist eine große Gruppe eines Dings. Wir haben für unsere Zwecke die Bedeutung des Wortes ein wenig verzerrt. In der Wissenschaft sind Klone Gruppen erbgleicher Organismen, die durch ungeschlechtliche Fortpflanzung entstanden sind.«

Wades Blick fiel auf eine Reihe von Glaskästen, die in der Mitte des Raums standen. Sie waren mit Maschendrahtgittern zugedeckt und etwa fünf Zentimeter hoch mit trübem Wasser gefüllt, Kolonien von Fröschen tummelten sich in diesen Aquarien.

»Verkürzt gesagt, tun wir hier folgendes, Dr. Wade. Wir reproduzieren auf dem Weg der ungeschlechtlichen Fortpflanzung Generationen von Fröschen aus einem einzigen Elternfrosch. Das erreichen wir, indem wir den Kern einer differenzierten Zelle, die wir dem Körper eines Froschs entnommen haben, in das Zytoplasma eines Froscheis einpflanzen, das wir dann zum Wachstum bringen. Das Ergebnis ist dann ein ausgereiftes Duplikat des ersten Froschs.«

Sie ging ihm voraus durch das Labor wie ein Museumsführer, zeigte ihm Apparate und Geräte und erklärte Verfahrensweisen.

»Zuerst nehmen wir ein Froschei und zerstören mit einem winzigen ultravioletten Lichtstrahl den Zellkern. Mechanische Manipulation vertragen die zarten Eier der Froschart, mit der wir hier arbeiten, nicht. Das entkernte Ei kommt in einen Nährboden, dann entnehmen wir dem Darm einer Kaulquappe eine Spenderzelle -« Dorothy Henderson blieb hinter einer jungen Orientalin stehen, die konzentriert an einem Mikroskop arbeitete - »und injizieren ihren Kern in die entkernte Eizelle. Danach kommen die Eier, die in einer speziellen Nährlösung liegen, in den Inkubator.«

Sie führte ihn zu einem großen >Ofen<, hinter dessen verglasten Türen auf Regalen reihenweise flache Schalen standen.

»Wenn sie das Blastulastadium erreicht haben, werden sie in ein Milieu verpflanzt, in dem sie zu Kaulquappen heranreifen können.«

Sie blieb vor einem kleinen Wassertank stehen, wo die zweite Assistentin mit einer Spritze in der einen Hand und einem Stift in der anderen über einem Mikroskop saß; das Auge über dem Okular, machte sie sich immer wieder Aufzeichnungen.

»Alle Angehörigen eines bestimmten Klons«, erklärte Dorothy Henderson, »hören entweder zum exakt gleichen Zeitpunkt auf, sich zu entwickeln, weil genetische Defekte vorliegen, oder aber sie entwickeln sich alle normal und reifen zu Geschöpfen heran, die in Aussehen und Aufbau völlig identisch sind.«

Sie sah ihn lächelnd an und führte ihn weiter zu der Reihe Behälter in der Mitte des Raums. Jeder war mit einem Etikett versehen, und auf jedem Etikett stand Xenopus laevis, nur die römischen Zahlen hinter der lateinischen Gattungsbezeichnung unterschieden sich voneinander. In allen Behältern saßen ganze Klone von Fröschen; einzig im ersten mit der Aufschrift Xenopus laevis Primus befand sich nur ein Frosch.

»Das ist Primus«, sagte Dorothy Henderson und tippte mit dem Finger an das schmutzige Glas. »Er ist gewissermaßen der Urvater. Das hier -« sie wies auf die anderen Behälter -»sind alles nachfolgende Generationen, jede aus der vorhergehenden geklont. Und sie sind alle Kopien von Primus.«

Jonas beugte sich hinunter, um den Frosch zu besichtigen. Dann richtete er sich kopfschüttelnd wieder auf. »Er hat ja eine Riesenfamilie.«

»O nein, Dr. Wade, diese Frösche sind keine Nachkommen von Primus. Sie sind Primus.«

Er blickte in die kalten, starren Augen des Froschs. »Faszinierend.«

»Das Konzept ist nicht neu, Dr. Wade. Seit Gottlieb Haber-landt, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, experimentiert die Wissenschaft auf diesem Gebiet. Aber hier, bei den Amphibien, sind wir fürs erste an unsere Grenze gestoßen. Selbstverständlich würde die Wissenschaft gern zu den höheren Tieren übergehen, aber da fehlt es an der Technologie. Das Ei eines Säugetiers ist weit kleiner als das Froschei - ungefähr null Komma zwei Millimeter im Durchmesser, während das Froschei immerhin etwa drei Millimeter groß ist. Zu Versuchen mit der menschlichen Eizelle würden wir Spezialinstrumente brauchen, die noch nicht entwickelt sind. Aber ich bin überzeugt, daß es der Wissenschaft eines Tages gelingen wird, die Technik des Klonens auch beim Menschen anzuwenden. Es ist lediglich eine Frage der Zeit.«

Er hatte gelegentlich Berichte über derartige Experimente gelesen, aber er hatte keine Ahnung gehabt, daß man bereits so weit vorangekommen war.

Die Hände in den Taschen ihres weißen Kittels, stand sie da und überließ ihn einen Moment lang seiner Nachdenklichkeit. Dann lächelte sie und sagte: »Aber Sie sind nicht zu einem Schnellkurs im Klonen hierher gekommen, nicht wahr, Dr. Wade?«

»Nein«, bestätigte er. »Ich hätte allerdings nichts dagegen, gelegentlich wieder herzukommen, um mich von Ihnen eingehender unterrichten zu lassen.«

»Jederzeit, Dr. Wade. Ich bekomme so selten Besuch, da freue ich mich, wenn jemand sich für meine Arbeit interessiert. Ich schlage vor, wir gehen in mein Büro hinüber.«

Er folgte ihr in den kleinen verglasten Raum am Ende des Labors, wo es überraschenderweise sehr still war, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Sie setzte sich hinter ihren Schreibtisch und wartete, bis Jonas ihr gegenüber Platz genommen hatte.

»Ich kann Ihnen leider keinen Kaffee anbieten. Unsere Maschine ist kaputt, und eine neue können wir uns nicht leisten.«

»Das macht nichts«, erwiderte er lächelnd. »Kaffee ist mir im Augenblick nicht wichtig. Hat Bernie Ihnen gesagt, worum es mir geht?«

»Er sagte mir nur, daß Sie einige Fragen hätten, von denen er meinte, ich könne sie Ihnen beantworten.«

»Mein Interesse gilt der Parthenogenese, Dr. Henderson«, erklärte er. »Ich möchte wissen, ob es sie tatsächlich gibt oder ob sie nur ein abstraktes Konzept ist.«