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Mary senkte den Kopf. »Es tut mir leid, Amy«, sagte sie. »Wirklich, es tut mir leid, daß es so schlimm für dich ist. Aber es wird wieder besser, das verspreche ich dir. Ich hab nicht getan, was du glaubst und was die anderen sagen. Das Kind ist nicht von Mike. Mir ist etwas sehr Schönes und Wunderbares geschehen, und bald wirst du es auch verstehen, Amy, und dich mit mir freuen.«

Sie hörte, wie krachend die Haustür zufiel, und hob den Kopf. Sie stand allein im dunklen Flur.

»Ja, Mrs. Wyatt, wenn Sie uns für die Spendenaktion ihren Kombi zur Verfügung stellen würden, wären wir sehr dankbar. - Ja, ich gebe Ihnen dann Bescheid. - In Ordnung, Mrs. Wyatt, und nochmals herzlichen Dank. Auf Wiederhören.«

Pater Crispin verkniff es sich, den Hörer aufzuknallen, obwohl er große Lust dazu hatte. Statt dessen legte er ihn betont sachte auf, starrte aber dabei den Apparat so zornig an, als wäre der an seiner Mißstimmung schuld. Mit einer unwirschen Bewegung fegte er das Schreiben des Bischofs zur Seite, in dem dieser die Geistlichen seiner Diözese nachdrücklich darauf hinwies, daß die Politik auf der Kanzel nichts zu suchen hatte.

Politik! Nichts hätte Pater Crispin weniger kümmern können. Dieses Schreiben galt in erster Linie radikalen jungen Priestern, die statt des Evangeliums die Rassenintegration predigten. Der Bischof war ungehalten; im vergangenen Monat hatten sich mehrere Priester seiner Diözese an Studentendemonstrationen gegen die Rassentrennung beteiligt.

Zeitungen und Fernsehen hatten Aufnahmen von Priestern mit Transparenten gebracht.

Nein, diese Ermahnungen brauchte Pater Crispin nicht. Er achtete bei der Abfassung seiner Predigten auf Neutralität und vermied jede Kontroverse. Seine Sorgen waren von ganz anderer Art; sie waren bedrückender und weit persönlicher als die Diskussion darüber, ob man Schwarzen erlauben sollte, mit Weißen in einem Bus zu fahren.

In der Rückschau erkannte er, daß dieses Gefühl der Untauglichkeit schon lange in ihm rumorte, aber erst in jüngster Zeit war es ihm schmerzhaft bewußt geworden. Die kleine McFarland hatte es bloßgelegt; sie hatte die schützenden Schichten abgerissen, unter denen er seine Ängste verborgen gehalten hatte, und hatte die nackte Wahrheit aufgedeckt: daß Pater Lionel Crispin in der Tat ein untauglicher Seelsorger war, den niemand brauchte.

Zumindest quälte ihn dieses Gefühl seit jenem Tag, an dem er hatte einsehen müssen, daß er auf Marys katholisches Gewissen nicht den geringsten Einfluß besaß. Gestern dann hatte er, zornig und verärgert darüber, daß sie kein Geständnis abgelegt hatte, die Familie Holland aufgesucht und ein langes, ernstes Gespräch mit Nathan Holland geführt. Er hatte sich nach Kräften bemüht, Mike zu einem Geständnis seiner intimen Beziehungen zu Mary zu bewegen, damit diese sich endlich nicht mehr verpflichtet zu fühlen brauchte, ihn zu decken, und zur Beichte gehen konnte. Aber alle seine Bemühungen hatten nichts gefruchtet. Genau wie Mary hatte Mike immer wieder nur seine Unschuld beteuert.

Niedergeschlagen und mit einem Gefühl schrecklicher Unzulänglichkeit war Pater Crispin wieder gegangen. Im Lauf der darauffolgenden schlaflosen Nacht war ihm klargeworden, daß der >Fall< McFarland nur ein Symptom der ganzen elenden Misere war. Wenn er nicht fähig war, soweit auf zwei blutjunge Menschen seiner Gemeinde einzuwirken, daß sie eine einzige Sünde beichteten, wie war es dann um seine seelsorgerische Wirksamkeit auf die Gemeinde insgesamt bestellt?

Sein Groll auf sich und die Welt vertiefte sich noch, als er jetzt an den bevorstehenden Besuch dieses Arztes, Dr. Wade, dachte. Irgendwie, davon war Pater Crispin überzeugt, steckte dieser Mensch hinter Marys Weigerung zu beichten; möglicherweise unterstützte er sie sogar noch in ihrer Starrköpfigkeit.

Als es klopfte, blaffte er zornig »Herein« und stand hinter seinem Schreibtisch auf.

Jonas Wade blieb einen Moment auf der Schwelle stehen und wartete, bis seine Augen sich auf die Düsternis des Raums eingestellt hatten. Guter Gott, dachte er halb belustigt, halb entsetzt beim Anblick der flackernden Kerzen, der Heiligenbilder an den Wänden, der holzgeschnitzten Madonnen, das ist ja hier wie in einer mittelalterlichen Klause. Ist es möglich, daß jemand ernsthaft an dieses ganze Brimborium glaubt?

»Guten Tag, Dr. Wade. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

Jonas ließ sich auf dem unbequemen, steifen Lehnstuhl nieder und stellte die Aktentasche auf den Boden zwischen seine Füße.

»Ich nehme an, Dr. Wade, Sie sind hergekommen, um mit mir über Mary McFarland zu sprechen.«

»Wir stehen vor einem ernsten Problem, Pater Crispin. Ich bin hergekommen, um Sie um Hilfe zu bitten.«

Mit geschultem Blick musterte Jonas Wade den Mann, der ihm gegenübersaß. Ein eigensinniges Gesicht, scharfe kleine

Augen, die Haltung starr und abwehrend. Er ahnte, daß dieses Gespräch nicht einfach werden würde.

In aller Kürze berichtete er von Marys Besuch in seiner Praxis und ihrer wahnhaften Überzeugung, ihr Kind von einem Heiligen empfangen zu haben. Als er fertig war, schwieg er und wartete gespannt auf die Reaktion des Geistlichen.

Pater Crispin brauchte einen Moment, um das zu verdauen, was Jonas Wade ihm berichtet hatte, und als es ihm in seiner ganzen Tragweite klar wurde, packte ihn neuer Schrecken. Er war offenbar noch untauglicher, als er angenommen hatte!

»Das ist ja furchtbar, Dr. Wade. Ich werde selbstverständlich mit dem Mädchen sprechen.«

»Ich denke, wir sollten zusammenarbeiten, Pater.«

»Wie meinen Sie das?«

»Ich habe den Grund für die Schwangerschaft entdeckt, aber sie ist nicht bereit, mir zuzuhören. Ich hoffe nun, wenn Sie die Wahrheit von Ihnen erfährt -«

»Es tut mir leid, Dr. Wade, aber ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«

Jonas hob seine Aktentasche auf die Knie. »Ich habe in den letzten Monaten umfangreiche Recherchen angestellt, Pater, und ich habe jetzt die Erklärung für Marys Schwangerschaft.« Er öffnete die Tasche und entnahm ihr ein Bündel Papiere, das mit einer großen Büroklammer zusammengehalten war.

Als er es vor Pater Crispin auf den Schreibtisch legte, schien dieser vor ihm zurückzuweichen. »Was soll das alles?«

»Ich spreche von Parthenogenese, Pater. Jungfernzeugung.«

»Was sagen Sie da?« Jetzt fuhr der Priester wirklich zurück. Und er war wütend. »Eben sagten Sie noch, wir müßten dem Mädchen diesen Wahn ausreden, und jetzt kommen Sie mir mit der gleichen Behauptung.«

»Nein, Pater, da besteht ein entscheidender Unterschied. Mary glaubt an ein Wunder. Ich spreche von wissenschaftlichen Tatsachen. Selbstverständlich glaube ich nicht, daß Mary im Schlaf vom heiligen Sebastian heimgesucht wurde. Ich glaube jedoch, daß das Kind, mit dem sie schwanger ist, jungfräulich gezeugt ist. Auf diesem Blatt hier finden Sie eine Zusammenstellung meiner Befunde und -«

»Dr. Wade!« Pater Crispin beugte sich vor und fixierte Jonas mit hartem Blick. »Mary Ann McFarland hat mit einem jungen Mann Geschlechtsverkehr gehabt. Davon ist sie schwanger geworden.«

»Gewiß«, entgegnete Jonas begütigend, »so scheint es auf den ersten Blick. Aber wenn Sie gelesen haben, was ich -«

»Es fällt mir nicht ein, das zu lesen, Dr. Wade.« Jonas schaute verdutzt.

»Sie verlangen von mir, daß ich Marys Wahn, eine Heilige zu sein, ernst nehme. Sie verlangen von mir, daß ich sie in ihrer anmaßenden Behauptung, eine zweite Jungfrau Maria zu sein, unterstütze. Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

»Pater Crispin, was ich hier niedergeschrieben habe, hat mit Religion und Theologie nichts zu tun. Es ist eine rein wissenschaftliche Erklärung dafür, wie es dazu kam, daß in Marys Körper eine Eizelle sich zu teilen und zum Fötus zu entwickeln begann, ohne daß geschlechtliche Beziehungen stattgefunden hatten.«