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»Sie behaupten also, daß sie unberührt ist?«

»Ja.«

»Dr. Wade.« Pater Crispin richtete sich kerzengerade auf und sah von oben auf seinen Besucher hinunter. »Sie machen mir mit dieser Geschichte meine Aufgabe noch schwerer.«

»Ganz im Gegenteil, Pater. Wenn Sie nur lesen würden, was

ich -«

»Und wie ist es zur Teilung der Eizelle gekommen?«

»Meiner Meinung nach war die Ursache ein Stromschlag.«

»Aha.« Pater Crispin stand auf und ging zum Fenster. Jonas Wade den Rücken zugewandt, sagte er: »Dann ist also das Kind, das Mary Ann McFarland unter dem Herzen trägt, das Produkt einer physiologischen Absonderlichkeit?«

»Ja, so kann man sagen.«

»Und kann man dann auch sagen«, fuhr Pater Crispin fort und drehte sich um, »daß der Mutter des Herrn das gleiche Schicksal widerfuhr; daß Jesus Christus ein biologischer Zufallstreffer war?«

Jonas war sprachlos.

»Dr. Wade, wenn das, was Sie behaupten, wahr ist, wenn ein unberührtes Mädchen infolge eines körperlichen Schocks schwanger werden kann, was sagt das dann über die Heilige Jungfrau aus?« Pater Crispin seufzte tief und stützte sich mit beiden Händen auf die Rückenlehne seines Sessels. »Wofür halten Sie mich, Dr. Wade?« fragte er müde.

Jetzt war Jonas zornig, aber er beherrschte sich. »Pater Crispin, ich bin nicht hierhergekommen, um mit Ihnen theologische Debatten zu führen; ich wollte Sie darauf aufmerksam machen, daß wir hier vor einem sehr ernsten Problem stehen. Ob Sie mir nun glauben wollen oder nicht, mir obliegt es, für Marys gesundheitliches Wohl Sorge zu tragen, und da ich weiß, wie dieses Kind gezeugt wurde, sind mir auch die damit verbundenen Gefahren bekannt. Das ist der Grund, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin; um Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß wir es möglicherweise mit einer äußerst kritischen Situation zu tun haben.«

»Und die wäre?«

»Es ist gut möglich, daß dieses Kind deformiert ist; daß es eine Mißgeburt wird. Es ist ferner durchaus denkbar, daß die Geburt für Mary lebensbedrohend werden wird. Ich kann im Moment noch nichts mit Gewißheit sagen; ich muß warten, bis wir röntgen können, und selbst dann läßt sich nichts mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Pater, der Fötus, den Mary in sich trägt, ist kein normaler Fötus, und diese Tatsache stellt uns vor sehr ernste Probleme. Das war es, was ich Ihnen mitteilen wollte.«

Pater Crispin musterte den Arzt mit scharfem Blick, aber er sagte nichts.

»Sie werden vielleicht aufgefordert sein, eine Entscheidung auf Leben und Tod zu treffen, Pater«, fügte Jonas hinzu. »Darauf wollte ich Sie vorbereiten.«

»Ich kann als Priester Ihre Theorie von einer jungfräulichen Empfängnis nicht akzeptieren«, entgegnete Pater Crispin. »Ihnen muß doch klar sein, daß eine solche Theorie die Fundamente des katholischen Glaubens unterhöhlen würde.«

»Ich bin kein Katholik, Pater Crispin. Ich gehöre keinem Glaubensbekenntnis an. Meine Eltern waren Atheisten, und ich bin ebenfalls einer. Ich glaube an das, was ich hier vor mir habe -« er tippte mit dem Finger auf seine Unterlagen -, »den wissenschaftlichen Beweis für meine Theorie. Es liegt mir fern, Ihre Religion anzugreifen, Pater. Ich bin einzig aus Sorge um Mary hergekommen.«

Die dunklen Augen, die wie schwarzes Glas blitzten, schweiften flüchtig zu dem dünnen Bündel Papiere, dann hefteten sie sich wieder auf Jonas Wades Gesicht. Pater Crispins Stimme war so hart wie sein Blick.

»Ich bin nur in einem Punkt bereit, auf Sie zu hören, Dr. Wade: im Hinblick auf die mögliche Deformierung des Kindes. Aber ich bin nicht bereit, mir Ihre absurden Behauptungen hinsichtlich der Ursachen einer solchen Deformierung anzuhören. Sie sind der behandelnde Arzt des Mädchens, und wenn Sie mich auf mögliche Gefahren dieser Schwangerschaft aufmerksam machen, muß ich auf Ihren fachmännischen Rat hören. Wie sicher sind Sie, daß das Kind deformiert ist?«

»Ich bin überhaupt nicht sicher. Es ist nur eine Möglichkeit. Mary McFarland braucht ständige ärztliche Beobachtung; ich muß die Entwicklung der Schwangerschaft genau überwachen. Aber sie will jetzt von ärztlicher Behandlung nichts mehr wissen. Sie bildet sich ein, der heilige Sebastian werde für sie und ihr Kind sorgen und sie brauche mich nicht mehr. Wenn ich sie davon überzeugen will, daß sie sich da irrt, brauche ich Ihre Hilfe, Pater.«

Pater Crispin schüttelte den Kopf. Unglaublich, dieser Mann verlangte von ihm, einem Geistlichen, einem seiner Gemeindemitglieder zu raten, sich nicht auf den Schutz eines Heiligen zu verlassen.

»Ich kann Ihrer Bitte nicht nachkommen, Dr. Wade.«

»Aber Sie müssen doch einsehen, daß Mary in ihrem Zustand einen Arzt braucht!«

Das war ja das Dilemma: daß Pater Crispin das sehr wohl einsah.

»Ich kann Ihren Standpunkt nicht mit dem der Kirche vereinbaren, Dr. Wade. Wir glauben an die Hilfe und den Rat unserer Heiligen.«

»Beraten Sie etwa so Ihre Gemeindemitglieder?« fragte Jonas aufgebracht. »Daß sie Ärzte meiden und sich lieber an die Heiligen halten sollen?«

»Aber Dr. Wade, ich muß doch sehr bitten -«

»Mary Ann McFarland braucht ärztliche Betreuung!« Jonas

sprang auf. »Sie ist möglicherweise in Lebensgefahr.«

»Ich möchte mich nicht mit Ihnen streiten, Dr. Wade. Bitte!« Pater Crispin hob beschwichtigend die Hände. »Selbstverständlich bin ich der Meinung, daß das junge Mädchen Ihre ärztliche Betreuung braucht. Aber ich werde ihr nicht sagen, sie solle sich von ihrem Glauben an den heiligen Sebastian abkehren. Eines jedoch werde ich ganz gewiß tun, als ihr Seelsorger muß ich es sogar tun: Ich werde ihr raten, von dieser Vorstellung, ihr Kind vom heiligen Sebastian empfangen zu haben, abzulassen. Es muß doch möglich sein, zu einem wohlwollenden Kompromiß zu gelangen, Dr. Wade.«

Jonas entspannte sich. »Verzeihen Sie meine Heftigkeit, Pater, aber ich mache mir Sorgen um Mary. Ich weiß, daß Sie einen großen Einfluß auf sie haben. Ich bitte Sie, ihr zu sagen, daß sie weiterhin zu mir in Behandlung kommen soll. Der Rest bleibt Ihnen überlassen.«

Pater Crispin versuchte zu lächeln, aber es wurde nur eine Grimasse. Er sollte auf dieses Mädchen Einfluß haben? Wenn Sie wüßten, wie sehr Sie sich da täuschen, Dr. Wade.

»Ich werde sofort mit ihr sprechen, Dr. Wade. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich über die Entwicklung auf dem laufenden halten würden.«

»Das tue ich gern, Pater.« Jonas packte seine Unterlagen wieder ein, schloß die Aktentasche und hielt dem Priester die Hand hin.

Pater Crispin nahm die Hand des Arztes mit festem Druck. »Wir müssen unser Vertrauen in Gott setzen.«

14

Nathan Holland manövrierte seinen Wagen in die Lücke zwischen Pater Crispins altem grünen Ford Falcon und einem roten Cadillac, von dem er annahm, daß er Dr. Wade gehörte. Die McFarlands hatten ihre beiden Autos auf der Straße geparkt, so daß in der Auffahrt gerade genug Platz für die Fahrzeuge ihrer drei Gäste war. Nathan schaltete den Motor aus, und er sah in der Befürchtung, sich verspätet zu haben, auf seine Uhr. Doch es war gerade Punkt zwölf Uhr mittags. Die anderen waren früher gekommen.

Er wußte nicht genau, warum es bei dieser Zusammenkunft gehen sollte. Dr. Wade hatte ihm lediglich gesagt, es beträfe auch Mike, und hatte ihn gebeten, seinen Sohn zu begleiten. Mike saß still und stumm auf dem Sitz neben ihm, aber Nathan konnte sich ungefähr vorstellen, was in ihm vorging. Er hoffte, das Treffen würde dazu beitragen, die bedrückende Atmosphäre zu lockern, unter der die ganze Familie seit dem Tag litt, an dem Ted McFarland ihm und Mike von Marys Schwangerschaft Mitteilung gemacht hatte. Sie hatten alle gelitten, nicht nur Mike, dessen Noten stark abgerutscht waren und der sich, sehr im Gegensatz zu seinen sonstigen Feriengewohnheiten, fast den ganzen Tag in seinem Zimmer verkroch. Timothy, für den der große Bruder immer das bewunderte Vorbild gewesen war, behandelte Mike jetzt beinahe mit Verachtung. Sein Schmerz über die Demontierung seines Ideals war deutlich spürbar. Matthew andererseits schien von der ganzen Sache völlig unberührt, als mache ihm das alles