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Außerdem hatte sie gestern in Düsseldorf angerufen. Nein, hatte das Postamt ihr Auskunft gegeben, ein Peter Sacher hatte nicht nach postlagernden Sendungen gefragt. Auch ein Nachsendeantrag liege nicht vor. Das hatte sie bitter enttäuscht. Peter brach alle Brücken ab. Er nahm die sechswöchige Freiheit so ernst, als wolle er sich an sie gewöhnen, anstatt durch sie für die Weiterführung der Ehe geläutert zu werden. Vielleicht erreichte man gerade das Gegenteil des gewollten Erfolges!

Sabine begann, ängstlich zu werden. Ihr eigener Plan wuchs über sie hinaus. Das war vielleicht auch der einzige Grund, daß sie sich von Ferro so einfach küssen ließ. Innerlich war sie völlig unbeteiligt, etwa, als wenn man zu einem Hund sagt: Gib Küßchen! Seine gelackten Haare und der Menjoubart stießen sie sogar ab. Nur Geist hatte dieser Ferro, das erkannte sie an. Der Gedanke aber, sich in ihn zu verlieben, war absurd.

Sabine legte den Kopf zur Seite und schloß die Augen. Müdigkeit überfiel sie unter dem warmen Lichtmantel der Sonne. Alle Geräusche um sie herum schienen wie in Watte gepackt zu sein. Nur das Meer rauschte herrlich, bis es zu einem Wiegen wurde, das sie hinübertrug in den Schlaf.

Sie wußte nicht, wie lange sie so gelegen hatte. Es war ein Dämmerzustand, ein Schweben an der Oberfläche des Schlafes, in dem man die Geräusche vernimmt wie ein Summen. Als sie die Augen öffnete und in die Sonne blinzelte, sah sie Ermano Ferro auf dem Rücken liegen und mit seiner großen Sonnenbrille spielen. Er wartete korrekt, bis sie aus ihren Träumen erwachte. Sie fand es anständig von ihm.

«So nachdenklich?«fragte sie.

Mit einem Ruck drehte sich Ferro zu ihr.

«Gut geschlafen, Signora?«

«Ich habe nur ein wenig geträumt.«

«Von mir, Carissima?«

Sabine schüttelte lachend den Kopf.»Leider nicht, Ermano. Ich träumte vom Meer.«

Ferro hob die Fäuste und schüttelte sie.»Dieses Meer!«rief er leidenschaftlich.»Ich bin eifersüchtig auf das Meer. Es darf dich umarmen, wenn du hineinsteigst, und es darf dich küssen, wohin es will! Oh! Ich möchte nur ein Tropfen dieses Meeres sein!«

Ferro-Bornemeyer kam in Schwung. Ein herrlicher Gedanke kam ihm. Er erfaßte beide Hände Sabines und zog sie an seine Brust.

«Sabine, wir werden das Meer bestrafen! Fahren wir hinaus zu den Robbenriffen. Mit einem kleinen Boot! Und dort will ich dich küssen, bis das Meer neidisch wird!«

«Sind alle deine Landsleute so stürmisch?!«

«Wir leben zwischen Vesuv und Ätna. O Favorita, wir sind selbst Vulkane!«

Er wollte sie wieder stürmisch küssen, aber ein Räuspern hielt ihn zurück. Oben, auf dem Kamm der Düne, stand ein Herr in einem weißen Anzug und sah auf sie hinab. Auf dem Kopf trug er einen Panamahut. Er stützte sich auf einen Bambusstock und sah so aus, wie man sich wohlsituierte Herren vorstellt.

Der ungebetene Beobachter Ferroscher Liebessentenzen zog höflich den Hut, machte ein zerknirschtes Gesicht und sagte, mit einem Blinzeln in den Augenwinkeln:

«Verzeihen Sie einem alten Mann, wenn er die Unterhaltung junger Leute stört, vor allem, wenn sie so verliebt sind wie Sie. Aber ich habe Sie gesucht und freue mich, Sie gefunden zu haben, Herr Ferro.«

Bornemeyer erblaßte unter seiner Schminke. Er kennt mich, durchrann es ihn heiß. Das heißt, er kennt einen Ermano Ferro! Ich habe nie gedacht, daß es wirklich einen Menschen mit solchem Namen gibt. Ich habe ihn mir selbst erdacht.

Ferro erhob sich langsam. Er klopfte sich den Seesand von der Badehose und atmete tief durch. Kühnheit war die einzige Rettung. Bornemeyer wurde kühn.

«Sie kennen mich?«fragte er kühl.

«Persönlich hatte ich noch nicht die Ehre. «Der alte Herr verbeugte sich korrekt. Erst vor Sabine, dann vor Ermano.»Von Bergenfeldt. Ich hörte in meinem Hotel, daß Sie, Herr Ferro, auf Borkum sind. Alle Welt spricht ja von Ihnen. Sie haben in Genua eine Autofirma?«

«Ganz recht. «Ferro-Bornemeyer fühlte, daß er zu schwitzen begann. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Was will er bloß, dachte er. Kannte der Baron seine Firma? War er in Genua gewe-sen und wollte über die Stadt plaudern? Bornemeyer kannte Genua nur vom Atlas und Lexikon her. In der Schule hatte er gelernt, daß Genua einen Hafen hatte, in manchen Stadtteilen sehr schmutzig war und von Händlern wimmelte, die von überhöhten Preisen lebten. Das war aber auch alles, was er von der Stadt wußte.

Freiherr v. Bergenfeldt nickte freundlich.

«Sie müssen wissen, ich habe eine große Vorliebe für italienische Wagen. Ihre Form, ihre Schnelligkeit, ihre Eleganz, ihr Komfort — einfach große Klasse ohne Beispiel.«

«Wir wissen es«, sagte Ferro stolz.»Sie sind der Ausdruck unserer ewigen Sehnsucht nach Schönheit. «Dabei sah er Sabine an. Sie errötete leicht und sah zur Seite.

In Wahrheit war es Bornemeyer alles andere zumute, als in diesem Augenblick zu flirten. Da stand ein Autonarr, ohne Zweifel, und wollte sich unterhalten über italienische Superwagen. Bornemeyer kannte keine einzige italienische Automarke, geschweige denn wußte er, wie die Traumautos aussahen. Doch halt! Da gab es den Alfa Romeo. Natürlich. Als Kind hatte er immer gesagt: Ich fahre einmal einen Romeo! Aber wer weiß, ob es die heute noch gibt?

Ferro-Bornemeyer klemmte sein Monokel ins Auge, das er an einer Seidenschnur auf der nackten Brust trug. Es sah lächerlich aus, ein Mann in Badehose mit Monokel, aber Bornemeyer kam es lediglich auf das Gewinnen von Zeit an.

«Lieber Herr Baron«, sagte er würdevoll.»Ich bin auf Borkum, um einmal nichts, absolut nichts von Autos zu hören. Für sechs Wochen völlige Ruhe. Das war mein innigster Wunsch. Seit drei Jahren hatte ich keinen Urlaub. Die Autos fressen mich auf!Können Sie das verstehen, ohne mich mißzuverstehen?! Immer nur verhandeln, vorführen, verkaufen, Neukonstruktionen ausprobieren.«

«Interessant. «Bergenfeldt setzte seinen Panamahut wieder auf.»Sie haben eine Neukonstruktion! Das nenne ich geradezu delikat. Sie müssen mir darüber genau berichten. Was es auch sei, der Wagen ist gekauft.«

Bornemeyer fühlte ein Kribbeln in den Adern.

«Ich habe Ferien!«sagte er grob.

«Ferien?«Der Baron winkte lässig ab.»Wie kann ein Mann, der neue Autos konstruiert, jemals Ferien haben? Das wäre ja widernatürlich! Beim Auto liegt die Zukunft der Welt, mein Herr! Der Motor wird das neue Herz!«

Was tun, brütete Ferro-Bornemeyer. Baron v. Bergenfeldt war nicht der Mann, der sich durch billige Reden abwimmeln ließ. Er würde ihnen folgen, in den Seeadler, in die Dünen, sogar ins Meer! Es gibt Fanatiker, deren Hartnäckigkeit tödlich wird.

«Kommen Sie in vier Wochen wieder«, sagte Ferro laut.»Ich werde Sie in Bremen erwarten.«

«In vier Wochen, Herr Ferro? Ich bitte Sie! Ich bin der Aufsichtsratsvorsitzende eines Riesenwerkes. Ich werde dafür sorgen, daß alle Aufsichtsratsmitglieder Ihren Wagen fahren! Ich kaufe Ihre Neukonstruktion!«

«Sie ist noch in der Erprobung!«schrie Ferro gequält auf.

«Dann räumen Sie mir eine Option auf die ersten zwanzig Stück ein! Wir müssen darüber sprechen! Ich zahle fünfzig Prozent an! Ist das ein Angebot?«Der Baron kam in Eifer. Er schob den Panamahut in den Nacken und kam die Düne herab.»Welche Firma bringt denn den Wagen?«

Die Frage! Da ist sie! Ferro-Bornemeyer sah in den wolkenlosen, hellblauen Himmel. Ich möchte ein Wassertröpfchen sein, dachte er, und jetzt von der Sonne aufgesaugt werden. Pff, und weg, das wäre herrlich. Aber er war kein Wassertröpfchen, obgleich der Mensch zu achtundneunzig Prozent aus Wasser besteht, und verdunstete nicht.

«Ich vertrete die Firma >Pneumastica<«, sagte er frech.

Bergenfeldt schaute Ferro einen Augenblick verdutzt an. Man sah, wie seine Gedanken arbeiteten, wie sie suchten, wie sie sich erinnern wollten. Da es vergeblich war, schüttelte er den Kopf.