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«Ich kenne alle italienischen Autofirmen. Doch der Name >Pneumastica<, vergeben Sie mir, Herr Ferro, dieser Name ist mir nicht haften geblieben.«

«Was?!«Ermano Ferro war tief gekränkt. Bornemeyer spielte es vorzüglich. Sein Monokel entfiel dem Auge und klatschte auf die nackte Brust. Er sah sogar Sabine an, als könne sie ihm bei diesem Affront des Barons zu Hilfe eilen.

«Sie kennen die alte Firma >Pneumastica< nicht? Dreimal haben wir die Goldmedaille gewonnen! Wir haben auf den Weltausstellungen in Paris, Chikago und Brüssel die meisten Aufträge bekommen!«Hoffentlich war in Chikago eine Weltausstellung, dachte er.»Der Kaiser von Siam und der Radschah von Brimopur fahren nur unsere >Pneumasticas<! Beim letzten Rennen in Rio haben wir den zweiten Preis gemacht — und Sie kennen unsere Firma nicht! Sie sehen mich völlig entsetzt, Baron!«

«Erstaunlich! Wirklich erstaunlich!«Bergenfeldt wischte sich den Schweiß von der Stirn.»Das Alter, Herr Ferro. Die Erinnerungen versagen. Aber ich werde vom Hotel aus gleich meinen Sekretär anrufen, damit er in der Liste der italienischen Wagen nachsieht. Es soll nie wieder vorkommen. «Er ergriff Sabines Hand und küßte sie galant. Unter Bornemeyer schwankte der Dünenboden. Er läßt nachsehen, dachte er. O Gott! O Gott!

Der Baron hielt noch immer Sabines Hand fest.

«Geben Sir mir Gelegenheit, es wiedergutzumachen, Gnädigste«, sagte er.»Erweisen Sie mir die Ehre«, er wandte sich an Ferro,»Sie und Ihre Frau Gemahlin zu einem kleinen Souper zu laden.«

Bornemeyer erkannte die Alternative sofort. Es gab nur zwei Wege, und jeder Weg war beschämend. Entweder er nahm die Einladung an und wurde dabei kläglich entlarvt, oder er flüchtete von Borkum und verkroch sich irgendwo. Doch wohin flüchten?

«Um acht Uhr, morgen abend?«fragte v. Bergenfeldt.»Ist es Ihnen recht?«

«Ist es uns recht?«fragte Ferro zu Sabine hin.

«Einverstanden«, sagte sie und blinzelte ihm zu.

Sie nimmt es als Scherz hin, was für mich eine bittere Situation ist! Mit zitternden Fingern klemmte er das Monokel wieder ins Auge.

«Also gut, morgen um acht Uhr abends!«

Der Baron zog seinen Panamahut und entfernte sich diskret schnell.

Zurück ließ er einen fast verzweifelten Bornemeyer und eine lachende Sabine Sacher.

«Er hält uns für ein Ehepaar!«sagte sie fröhlich.

«Allein dieser Gedanke macht mich benommen. «Ferro meinte es ehrlich. Sabine nahm es als ein sehr galantes Kompliment und wandte sich errötend ab.

Weg aus Borkum, dachte Ferro. Nur weg von hier. Aber wohin fährt man mit einer schönen Frau? Allein zu fahren, verwarf Ferro. Einmal in seinem Leben hatte er es geschafft, eine schöne Frau zu erobern. Jetzt klammerte er sich an diesen Höhepunkt seines Lebens und war nicht bereit, ihn wieder herzugeben.

Verliebte, Seitensprüngler, Brautleute und müde Ehemänner mit neuerwachten Ambitionen reisen nach Venedig. Aber Venedig liegt in Italien, und was soll ein Italiener, der keiner ist, in Italien. Zumindest muß er seine Muttersprache sprechen. Venedig war also undiskutabel.

Die Riviera! Wer sich an der Riviera nicht verliebt, muß anormal sein. Das blaue Mittelmeer, die weißen Villen unter Palmen und Agaven, die Eleganz, Lebensfreude und Großzügigkeit und vor allem die Hoteldirektoren, die einen Meldezettel nicht durchlesen und das >mit Frau< gelassen hinnehmen.

Langsam gingen Ferro und Sabine durch die Dünen zur Promenade. Sie sprachen kaum, nur ein paar belanglose Bemerkungen. Selbst als Sabine sagte:»Gratuliere, Ermano! In den Ferien ein dicker Abschluß«, zwang er sich nur zu einem schiefen Lächeln.

Wohin? grübelte er. Wohin bloß? Und wie sage ich es Sabine Sacher? Freiwillig wird sie nie mitgehen!

Sabine ging neben ihm her. Sie hatte den Arm unter seinen Arm geschoben. Sie spürte durch den Bademantel die Wärme seines Körpers. Wie soll das weitergehen, dachte sie wieder. Es ist ja Wahnsinn, was ich hier tue!

Sie drückte den Arm gegen seine Seite.»Warum so still?«fragte sie.

Ferro schrak zusammen.»Vergebung, Madonna!«sagte er stockend.

«Es ist nur. «Er blieb stehen und nahm ihre Hände, küßte sie und sah sie feurig an. Daß ihm das noch gelang, war selbst für ihn verblüffend.»Favorita, hast du Lust, eine kleine Reise zu machen?«

«Eine Reise? Mit dir?«Sabines Herz setzte einen Augenblick aus. Es wird Ernst, dachte sie. Was soll ich tun? Im letzten Moment fiel ihr ein, was jeden Mann von weiterem Drängen abhalten mußte:»Aber ich muß doch in Borkum bleiben! Vielleicht kommt in Kürze mein Mann.«

Das weiß ich besser, dachte Bornemeyer. Anstatt sich zurückzuziehen, wurde er zur größten Verblüffung Sabines doppelt so feurig.

«Immer dein Mann! Immer! Ich werde wild!«rief er.»Ja, ich könnte ihn ermorden! Erdolchen, das ist eine Spezialität meiner Familie! Seit der Renaissance erdolchen wir uns! Oh!«Er umarmte sie, ungeachtet der Passanten, die über die Promenade gingen und diskret die Szene übersehen wollten.»Komm mit mir, Madonna! Ich flehe dich an! Ich habe ein Telegramm bekommen! Ich muß nach Frankreich.«

Sabines Kopf flog herum.»Nach Paris?!«rief sie begeistert. Peter! Zu Peter!

«Nein, nicht Paris! Ich muß ans Mittelmeer. Nach Nizza!«

Nizza fiel Bornemeyer beim Sprechen ein. Als er es gesagt hatte, bekam er eine heillose Angst vor den Konsequenzen. Nicht nur Borkum, sondern auch Nizza mußte Dr. Portz bezahlen! Ob er es tat, war eine Frage, die in den Sternen lag. Außerdem war Nizza weit. Man mußte nur eine Begründung finden, die Dr. Portz anerkannte.

«Nizza ist ein Garten Eden!«sagte Ferro schwärmerisch.»Kennst du Nizza?«

«Nein.«

«Ein Paradies! Und ich sehne die Stunde herbei, in der du zu mir als Schlange kommst.«

«Sie wird beißen!«sagte Sabine kritisch.

«Ich werde den Biß mit einem goldenen Medaillon einrahmen!«»Du bist ein unverbesserlicher Charmeur.«

Sie lachte und ging weiter. Ferro trottete hinter ihr her.

In ihrem gemeinsamen Zimmer trennte sie wieder die spanische Wand. Sie zogen sich um. Bornemeyer saß in Unterhosen auf seinem Bett und hatte Angst vor seinem eigenen Mut.

«Ist es dir recht, wenn wir schon morgen fahren?«fragte er.

Sabines Lachen girrte durch die spanische Wand. Ein Parfümzerstäuber zischte. Es roch nach frischen Maiglöckchen.

«Ich habe ja gar nicht gesagt, daß ich mitfahre!«

«Ich setze es voraus, Madonna!«

«Wie selbstherrlich! Und wenn ich nein sage?«

«Du sagst nicht nein! Ich weiß, du bist auf Nizza viel zu neugierig, um nein zu sagen! Es reizt dich, im Paradies die Schlange zu spielen! Welche Frau wäre nicht neugierig auf Nizza?«

«Ich.«

«Du lügst! Verzeih, Favorita, aber du lügst! Es liegt nur an der Geschicklichkeit des Mannes, ob eine Frau nach einer Stunde oder nach einem Jahr >Ja< sagt!«

«Und wieviel Zeit gibst du mir, Ermano?«

«Im höchsten Fall eine Minute!«

«Pfui!«Sie lachte dabei, aber dieses Lachen war vermischt mit Angst. Bornemeyer nahm es als klare Antwort hin.

Im Speisesaal des >Seeadler< erwartete Ferro eine unangenehme Überraschung. Die Post war mit dem Schiff gekommen und gerade verteilt worden.

Kaum saß er mit Sabine Sacher am Tisch und war damit beschäftigt, eine knusprig gebackene Seezunge >Müllerin Art< von den Gräten zu schälen, als der Boy zuerst Sabine, dann Ferro ein gelbes Kuvert überreichte.

Telegramme!

«Bitte entschuldige einen Augenblick«, sagte Ferro mit einem unguten Gefühl im Magen. Er machte dabei ein Gesicht, als stinke die herrliche Seezunge, schlitzte das Kuvert auf und las zuerst die Unterschrift.

Dr. Portz. Bornemeyer biß sich auf die Lippen. Das Telegramm lautete:

nichts weiter unternehmen — stop — brief abwarten — stop — alle unterlagen vernichten — stop — untersage alle transaktionen — stop — portz.<