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«Wie du lügen kannst.«

«Yvonne!«

Er sprang auf, aber die Hand Yvonnes, die aus der Dunkelheit abwehrend ihm entgegenfuhr, hielt ihn zurück.

«Warum lügt ihr Männer alle, wenn ihr weggeht? Warum 'abt ihr nicht den Mut, zu sagen: Es geht nicht mehr! Ich gehe zu meiner Frau zurück, oder ich 'abe dich satt, oder du langweilst mich, oder ich 'abe eine andere Geliebte. Es gibt doch so viele Gründe und Worte, die einer Frau so weh tun, daß man aus Trotz sagt: Nun geh doch schon! Ich 'abe dich auch über! Man geht am besten auseinander, wenn man sich abtötet. Eine Lüge ist so billig, und es ist schrecklich für eine Frau, wenn sie die Lüge glaubt.«

«Du weißt, was diese fünf Tage für mich bedeutet haben«, sagte Peter Sacher rauh. Die Worte Yvonnes brannten in seiner Seele.

«Warum bist du nicht einfach gefahren?«Yvonne blieb im Schatten ihrer Staffelei. Ihr Gesicht war leer.»Einfach verschwinden, das ist doch so bequem. Wie viele Männer, die Paris genossen 'aben, sind plötzlich verschwunden? Wenn ich dann in die Rue de Sevres gekommen wäre, um zu sehen, ob du vielleicht krank geworden bist, hätte mir der Concierge gesagt: >Monsieur Pierre? Der ist weg! Ja, schon seit drei Tagen. Wohin? Nach Deutschland natürliche Dann 'ätte ich vielleicht geweint, wie viele Mädchen in Paris, eine ganze Nacht 'indurch, vielleicht auch nur eine Stunde, und wenn dann der Morgen wieder über die Dächer von Montmartre geglitten wäre und die Kuppel der Sacre-Creur hätte in der Morgensonne geleuchtet, 'ätte ich gesagt: C'est la vie! Und ich 'ätte dich vergessen, wie so viele Mädchen in Paris einen Mann vergessen müssen, der am Morgen gegangen ist und nicht mehr wiederkommt. Ich 'ätte nur eine Erinnerung be'alten, ganz schwach. Aber es wäre ein Schnitt gewesen, der alles ablöst. Jetzt ist es ein Abschied geworden. Weißt du, wie schrecklich ein Abschied ist? Man sieht immer wieder die Augen beim letzten Kuß, von dem man weiß, daß er der letzte ist. Man 'ört immer wieder die Worte, die trösten sollen und keinen Trost 'aben, weil sie lügen. Man 'at immer das >andere< in sich und kann es nicht abschütteln. Ein Abschied ist wie ein langsamer Mord.«

Peter Sacher erhob sich von der Couch. Langsam ging er zur Tür. Erst, als er die Klinke schon heruntergedrückt hatte, sah er noch einmal zurück. Yvonne stand im milchigen Mondlicht. In ihren Augen lag maßlose Traurigkeit.

«Ich bin mit einem Irrtum nach Paris gefahren, Yvonne«, sagte Peter Sacher leise.»Ich habe geglaubt, man könne sechs Wochen Eheferien absitzen wie der Buchhalter Schmidt sein Büroschläfchen. Es war eine Dummheit. Ein Dichter sagte einmaclass="underline" >Es gibt keine Er-holung von der Moral.< Ebensowenig gibt es eine Erholung von der Ehe. Es gibt nur ein Wegfahren für immer, oder ein Bleiben. Liebe kennt keine Kompromisse, die von Dauer sind. Sie will bedingungslos sein.«

«Warum wirst du sentimental, wenn du die Klinke der Tür schon in der 'and 'ast?«Yvonnes Kopf sank nieder.»Wir Frauen vom Montmartre 'aben die Resignation gelernt. Wir brauchen keine Erklärungen. Wir verstehen immer.«

«Yvonne!«

«Geh! Bitte, geh.«

Sie ergriff einen Pinsel, knipste die starken Scheinwerfer wieder an und malte grelle Farben auf das Bild.

«Nicht so, Yvonne. Es war eine schöne Zeit in Paris. Wir haben uns gut benommen. Es wird uns zwar keiner glauben, und jeder wird sagen: Dieser Peter Sacher ist ein Idiot, ein Übermensch, ein anormaler Träumer, aber.«

«Aber! Aber!«Yvonne fuhr nervös mit dem Pinsel über die Leinwand.»Was ist dieses Aber?! Ich liebe dich, mein Gott, 'ast du das nie gemerkt?! Ich 'abe Papillon auf dich gehetzt, aus einer Laune 'eraus, um ein Erlebnis zu 'aben. Aber jetzt liebe ich dich.«

Sie sah, daß Peter ins Zimmer zurückkam und streckte ihm wie eine Waffe den tropfenden Pinsel entgegen:»Nein! Bleib stehen! Geh! Du siehst doch: Ich löse die Welt in Quadrate, Kreise und Rechtecke auf. Ich analysiere sie, wie meine Gefühle! Und was bleibt übrig? Nichts! Gar nichts! Geh!«

«Du bist ungerecht, Yvonne. «Er nahm ihr den Pinsel aus der Hand. Sie ließ es geschehen, ihre Finger waren schlaff, als seien sie Glieder einer Stoffpuppe.»Du weißt, daß ich eine Frau habe.«

«Warum bist du dann 'ier?«schrie sie wild.

«Ich habe es dir erzählt. Wir lebten uns auseinander, seit Jahren verstehen wir uns nicht mehr, ich habe Erfolg im Leben gehabt, ich habe geschuftet. Ich habe eigentlich alles nur für meine Frau getan. Und jetzt wird mir gesagt: >Du hast meine Seele getötet. Du bist eine lebende Rechenmaschine.< Es ist eine Kluft aufgerissen, und ich weiß nicht, woher sie kommt. Darum haben wir uns getrennt, um zu sehen, ob wir uns brauchen.«

«Und du liebst deine Frau?«

«Ja.«

«Warum gehst du nicht zu ihr?«

«Soll ich mich auslachen lassen? Soll ich zu Kreuze kriechen?! Ich habe ein sorgloses, reiches Leben geschaffen und soll mich beschimpfen lassen und Reue zeigen? Reue worüber? Daß ich erfolgreich bin?«

«Der 'err der Welt! Der Mann, der Mittelpunkt der Erde! Wir Frauen 'aben eine Seele, mein Freund! Du 'ast, wie sagt man bei euch, durch dein Wirtschaftswunder das 'erz deiner Frau zerstört. Sie ist allein geblieben. Sie ist einsam. Sie friert in der Pracht, die du geschaffen hast! Denn du fehlst ihr, du!«

«Ich bin immer bei ihr! Jeden Tag!«

«Ja! Ja! Als angezogener, schwatzender Körper! Aber ist deine Seele bei ihr? Verstehst du, daß sie allein ist, auch wenn du da bist?«

«Nein. Ich liebe sie, und sie hat alles, was sie sich wünscht. Eine Villa, Kleider, Pelze, Schmuck.«

«Sie würde alles, alles wegwerfen, wenn sie dich wieder hätte!«Yvonne strich sich über die Haare.»Ich kann sie so gut verstehen«, sagte sie leise und wandte sich ab.»Und nun geh endlich, Pierre!«

Peter Sacher nickte.»Gut. Ich gehe. Ich sehe, daß alle Frauen mich wegstoßen.«

«Weil du sie nicht verstehst. Würdest du sie verstehen, wie könntest du gehen.«

«Yvonne!«Er ergriff ihren Arm und riß sie an sich.

«Geh!«schrie sie.»Geh!«Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen seine Brust.»Du 'ast eine Frau! Eine Frau! Eine Frau!«

«Ich habe nichts mehr!«sagte Peter dumpf.»Ich bin wie ausgehöhlt. Was morgen ist, ob ich Sabine liebe, ob sie mich liebt, ob du mich liebst, ich weiß gar nichts mehr. Ich bin wie ausgesetzt, ich kenne mich in mir selbst nicht mehr aus.«

Er hielt ihre trommelnden Fäuste fest und zog ihren Kopf zu sich.

Sie wandte ihn ab, aber er drehte ihn zu sich hin und küßte leidenschaftlich ihre fest zusammengepreßten Lippen.

«Yvonne, es geht über meine Kraft«, sagte er leise.

Sie lächelte mit geschlossenen Augen und schob die Arme um seinen Hals.

«Es würde auch niemand verstehen, wenn du jetzt gingst«, flüsterte sie.

Mit dem linken Arm tastete sie zur Seite und löschte das Licht.

Sabine wußte nicht, wie lange sie geschlafen hatte. Ihre Erinnerung setzte da aus, wo sie das Gesicht eines älteren Herrn sah, der zu ihr sagte, er sei ein Arzt. Er hatte ihr väterlich-gütig zugesprochen, dann hatte sie einen kleinen Stich in der Armbeuge gespürt, und von da ab kam ein Dämmern über sie, das überfloß in einen herrlichen Traum.

Zwei fröhliche Menschen tollten am Meer. Sie warfen sich jauchzend in die schäumenden Wellen, ihre braunen Körper glänzten in der Sonne. Es war ein herrlicher Traum, denn beide glücklichen Menschen waren Peter und Sabine.

Geweckt wurde Sabine durch ein eintöniges Schaukeln und das Klatschen von Wasser gegen eine Wand. Als sie die Augen aufschlug, nahm sie erst nur ein fremdes Zimmer wahr. Die Erinnerung kam langsam zurück, aber dann, als sie ihre Umgebung erkannte, sprang sie mit einem spitzen Schrei auf.

Eine Kajüte, ein auf hoher See fahrendes Schiff, Nacht!

«Hilfe!«schrie sie.»Hilfe!«

Ferro-Bornemeyer, der unter dem Bullauge eingenickt war, schoß empor. Er erreichte Sabine gerade noch, bevor sie die Tür der Kajüte aufgerissen hatte, und hielt sie zurück.