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«Und wo ist das Hotel?«

«Am Strand.«

Peter Sacher setzte sich auf eine der weißen Holzbänke an der Promenade und streckte die Beine von sich. Heinz v. Kletow blieb stehen. Er hatte zwei Mädchen kommen sehen.

«Also ein Strandhotel?«fragte Peter.»Muß ja ein Wunderhotel sein! Für 3 Francs! Oder hast du dem Geschäftsführer etwa auch Cou-cou avisiert?«

«Mitnichten! Du greifst nur wieder zu hoch in deinen Erwartungen. Unser Hotel wird ein Strandkorb sein!«

Als sei die Bank durch einen elektrischen Strom geladen worden, zuckte Peter empor.

«Du bist wohl völlig geistig ausgerutscht? Ein Strandkorb?«

«Bitte, ereifere dich nicht! Wer es nicht kennt, sollte sich überraschen lassen. Eine Nacht im Strandkorb am Strand von Nizza ersetzt sieben Sittenfilme.«

«Schlafen will ich!«rief Peter.

«Auch das kann man. Eingewiegt vom Gemurmel der Wellen und dem Schmatzen küssender Mädchen.«

«Mein Gott, hast du nichts anderes im Sinn?!«

Heinz v. Kletow hob die breiten Schultern.»Ein Lebenskünstler hält sich immer am Mittelpunkt des Lebens.«

«Ich kenne Erstrebenswerteres: ein eigenes Heim, eine liebe Frau.«

«Wie Sabine!«sagte Heinz gehässig.

«Genau! Das Leben, das du führst, ist ekelhaft!«

«Peter, der Moralist! Nach >Peter und der Wolf< ein neues Märchen! Wie sieben Jahre Ehe einen Menschen wie dich verändern!«Er winkte ab, als Peter Sacher erneut auffuhr und etwas dazwischenrufen wollte.»Lassen wir das Thema. Wärest du Schriftsteller, würdest du in einem nächtlichen Strandkorb den Stoff von zehn Romanen bekommen! Alle die reichen, vornehmen Herren und die hochgeschlossenen sittsamen Damen des Nachts allein im Mondschein, man erkennt sie kaum wieder! Es gibt da soziologische Studien.«

«Du kannst sagen, was du willst: Ich schlafe nicht wie ein Landstreicher in einem Strandkorb!«

«Es wird uns nichts anderes übrigbleiben.«

«Ich will ein richtiges Bett!«

«Der biedere Muffelbürger! Oben ein Daunendeckchen, unten ein Daunendeckchen. «Heinz v. Kletow hieb Peter auf die Schulter.»Verhätschelt die Ehe einen Mann so sehr, daß er wie ein Baby nach seinem Bettchen schreit? Kerl, wo ist der Peter Sacher geblieben, der in München auf der Universität dem Germanistikprofessor beweisen wollte, daß das Wort Mist eng mit dem Wort Most verwandt sei, weil beides in Gärung übergehe? Was ist davon geblieben?«

«Wir sind immerhin fünfzehn Jahre älter geworden!«

«Körperlich. Jedes Jauchefaß nutzt sich ab. Aber unser Herz ist doch jung, verdammt noch mal! Komm mit in den Strandkorb! Vielleicht lernst du heute nacht schon einen nackten Millionär kennen, dem du ein Schloß für 2 Millionen bauen darfst! Von unserer >Vil-la< kann man die besten Beziehungen knüpfen. Man sieht dann die Menschen ohne die Maske, die sie tagsüber tragen.«

Peter Sacher hob resignierend die Schultern.»Es wird uns nichts anderes übrigbleiben. «Er griff in seine Gesäßtasche und holte das Portemonnaie hervor. Heinz v. Kletow zählte mit, als Peter die wenigen Francs durch die Finger gleiten ließ.

«87 Francs und 33 Centimes«, sagte Kletow.»Du bist zwar reich, mein Freund, aber für ein gutes Bett drei Nächte lang reicht es nicht. Komm, gehen wir!«

«In drei Tagen bin ich weg! Das verspreche ich dir!«Peter Sacher steckte das Geld wieder ein. Er nahm seine beiden Koffer von der Straße und ging Heinz v. Kletow nach, der elegant, die Blicke auf sich ziehend, vorausschritt wie ein Millionär oder Meistergauner.

Später, nachdem sie Peters Koffer in einem großen Strandzelt, das sie mieteten, abgestellt hatten, gingen sie wieder über die Promenade, Arm in Arm, durch die Sonne, das Meer und die Landschaft versöhnt. Die herrlichste Uferstraße Europas ist die von Nizza. Palmen wiegen sich im warmen Meerwind, über die Terrassen der Hotels klingt leise Musik, die Fassaden und der Sand des Strandes blenden mit ihrem Weiß. Schöne Frauen sitzen in Korbsesseln oder weißlackierten Boulevardstühlchen unter bunten Sonnendächern und lassen sich bewundern.

Heinz v. Kletow nickte, als Peter einige begeisterte Blicke auf sie warf.

«Unter südlicher Sonne gedeiht eine gute Rasse«, sagte er weise.»Orchideen, die du mit Goldwasser begießen mußt. Nimmt man einfaches Leitungswasser, fangen sie an zu stinken.«

«Wie witzig du bist«, sagte Peter gereizt.

«Ein guter Ehemann wie du wird das nie verstehen! Junge, Jun-ge, was hat unsere Sabine bloß aus dir gemacht!«

Es gibt Menschen, die werden vom Alltag erschlagen. Sie sitzen dann herum, stieren Löcher in die Tapete, essen die Suppe mit der Gabel, sehen einen, wenn man sie anspricht, mit den Augen eines sterbenden Tieres an, als wollten sie sagen: Seht, es geht zu Ende! Sie sind eben in einem Zustand völliger geistiger Verstörtheit.

Daß solche Symptome bei einem Riesen wie Dr. Ernst Portz auftraten, war unheimlich. Der Buchhalter und der Bürovorsteher, die Tippmädchen und der Postbote sahen ihn wie ein Wrack hinter seinem Schreibtisch sitzen. Er hing auf seinem Stuhl wie ein hingeworfenes Handtuch, schlief nachts nur unter Hilfe von Brom, ja, es schien fast, als sei er plötzlich abgemagert und der Talar ihm zu weit geworden.

Das Leben hatte es bisher gut mit ihm gemeint, bis zu jenem Tag, an dem der eingeschriebene Brief an E. Ferro, Borkum, Pension >See-adler<, als unbestellbar zurückkam mit dem Vermerk: >Adressat nach Kopenhagen verreist<.

Was Dr. Portz flehentlich als >unmöglich< herbeisehnte, bestätigte die Mittagspost: Auch der Brief an Sabine Sacher kam zurück. Verreist nach Kopenhagen!

«Sie sind zusammen gefahren«, sagte Dr. Portz dumpf. Dann vernichtete er die Schreiben, gab telefonisch ein Telegramm an Mai-tre Emile Caravecchi in Paris durch mit der dringenden Bitte, alles zu versuchen, Peter Sacher zu einer Rückkehr nach Düsseldorf zu bewegen. Sofort! Mit dem Flugzeug!

Maitre Caravecchi antwortete prompt nach vier Stunden. Das Telegramm, das der Bürovorsteher hereintrug, als käme er zu einem Schwerkranken, lautete:

>peter sacher ausparis verschwunden — stop — neues ziel unbekannt — stop

— nach ermittlungen festgestellt daß sacher auf dem boulevard haussmann ein collier im werte von 27.000 neuen francs gekauft hat — stop — abreise nach kauf — stop — vermuten abschiedsgeschenk fürfreundin — stop — ver-

mute daß auch reise nicht allein erfolgte — stop — caravecchi<

Das Leben war für Dr. Portz wirklich traurig geworden.

Eine zersprungene Ehe zu flicken, ist schlimmer, als 30 Esel zu überreden, einen Karren zu ziehen. Bei den Eseln hat man immerhin noch die Hoffnung, daß sie gehorchen. Aufgescheuchte Eheleute sind störrischer. Es gibt deshalb auch mehr Scheidungsanwälte als Standesämter.

Was Bornemeyer in Kopenhagen wollte, war Dr. Portz völlig rätselhaft. Eine ganz leise Hoffnung hatte er, daß sich alles als harmlos herausstellen würde. Vielleicht hatte Sabine ihren Plan geändert und war nach Dänemark weitergefahren. Bornemeyer, getreu seinem Auftrag, war hinterhergefahren. So konnte es sein. Es gab aber auch noch andere Möglichkeiten. An sie wagte Dr. Portz nicht zu denken, ohne vor sich selbst rot zu werden.

Das Verhalten Peters war absolut ehewidrig. Der enthusiastische Brief aus Paris hatte es bewiesen, das Collier und das Verschwinden aus Paris waren nur eine Folge davon. Er hatte sich diese Yvonne zugelegt und war im Augenblick moralischen oder gar ehelichen Zusprüchen völlig abhold. Sabine durfte davon nie etwas erfahren. So etwas regelt man unter Männern und Freunden hinter der vorgehaltenen Hand. Aber wenn Sabine und Bornemeyer.

Dr. Portz begriff es nicht. Es war auch zu schwer zu verstehen, daß eine so elegante und verwöhnte Frau wie Sabine plötzlich an einer so faden Nudel wie diesem Bornemeyer Gefallen finden konnte. Das alles war so absurd, daß Dr. Portz zum erstenmal in seinem Leben vor der Frage stand, ob der Mensch im Grunde genommen doch nicht ganz fertig von der Schöpfung geliefert worden war.