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Was man zunächst tun konnte, war nichts. Man mußte warten. Irgendwie löst sich alles auf. Und dieses untätige Warten war es, was Dr. Portz die Nerven raubte. Wissend um die Dinge mußte er zusehen, wie sich Unglücke zusammenbrauten, deren Verhinderung ihm aus der Hand genommen worden war.

Gegen Mittag brachte die Sekretärin einen Stapel Zeitungen ins

Büro. Meistens überflog Dr. Portz nur die Überschriften der Artikel und die Schlagzeilen, um dann den Wirtschaftsteil und die Gerichtsberichte genauer zu studieren. Widerwillig nahm er deshalb die erste Zeitung und blickte über die erste Seite. Eine Überschrift sprang ihn an und schüttelte ihn durch.

Ein Hochstapler auf Borkum?

Dr. Portz bekam einen steifen Nacken. Wie Blei lag es ihm im Genick. Das ist nicht wahr, sagte er immer wieder. Das ist nicht wahr.

Aber es war so. Der Artikel wurde nicht anders, auch wenn Dr. Portz schweratmend bei jeder Zeile sagte:»Das ist Wahnsinn!«

Wie uns aus Borkum von einem Kurgast, dem Baron B., berichtet wird, hat dort seit einigen Tagen ein übler Hochstapler sein Unwesen getrieben. Als italienischer Millionär und Autohändler Ermano Ferro auftretend, in der besten Pension wohnend, versuchte er, die Kurgäste zu betrügen. Er bot Luxusautos einer nicht existierenden italienischen Autofirma >Pneu-mastica< an und versuchte, hohe Anzahlungen zu kassieren. Nur der Wachsamkeit des Barons B. war es zu verdanken, den Betrüger, der mit ei-nerKomplicin auftrat, zu entlarven. Leider waren die Galgenvögel schon ausgeflogen, als die Polizei sie verhaften wollte. Nach Aussagen des Portiers der Pension sollen sie in Richtung Kopenhagen geflohen sein. Man nimmt aber an, daß diese Adresse falsch ist und nur zur Täuschung gegeben wurde. Das Paar, dem es nicht gelang, einen Kurgast zu schädigen, muß noch in Deutschland sein. Beschreibung der Betrüger: Der Mann

— 1,85 bis 1,90groß (!), überschlank…

«Bornemeyer! O Bornemeyer!«stöhnte Dr. Portz und warf die Zeitung weg. Er vergrub sein Gesicht in beide Hände und saß eine Zeitlang wie versteinert. Der Bürovorsteher, der nach mehrmaligem Klopfen den Kopf ins Chefzimmer steckte, schloß schnell wieder die Tür. Der Anblick war erschreckend.

Es muß etwas geschehen, dachte Dr. Portz. Es ist unmöglich, untätig herumzusitzen und abzuwarten. Aber was soll man machen?

Bornemeyer ist niemals in Kopenhagen. Peter Sacher amüsiert sich irgendwo in Frankreich mit einer anderen Frau. Das alles ist kein Grund, über den Rundfunk Peter zu erreichen oder die Kriminalpolizei einzuschalten. Was die Zeitung da von Bornemeyer erzählte, war absoluter Unsinn. Die Zeitung! Dr. Portz sah einen Lichtblick.

Er rief die Redaktion an. Er stellte sich als Anwalt des beschuldigten >Hochstaplers< vor und bat um genaue Auskunft, wie dieser irrsinnige Artikel erscheinen konnte.

Die Auskunft war klar und doch verworren: Der Bericht war von einem Reporter durchgegeben worden, der ebenfalls zur Erholung auf Borkum weilte. Als Zeugen wurden angegeben: Baron v. Ber-genfeldt, der Portier vom >Seeadler<, die Direktion und einige Herren der Kurverwaltung. Nur der Boy sagte gut aus… er hatte fünf Mark Trinkgeld bekommen. Er schied als befangen aus.

Dr. Portz rief Borkum an. Die Direktion des >Seeadlers< war noch immer konsterniert. Sie berichtete kurz: Herr Ferro sei bei ihnen abgestiegen, habe mit Frau Sacher ein Doppelzimmer bewohnt, mit Einverständnis der Dame übrigens, was man heute verstehen könne, denn es handelte sich um ein Gauner-Duo! Alles andere sei durch die Presse bekannt.

Dr. Portz legte auf.»Es ist wahnsinnig!«sagte er. Dann rief er die Reederei an. Die Verwaltung sah die Liste der Vorbestellungen durch und bestätigte folgendes:

Telefonisch hatte ein Herr Ermano Ferro einen Platz für den letzten Dampfer bestellt und bekommen.

«Einen Platz?«rief Dr. Portz hoffnungsvoll ins Telefon.

«Ja. Ferner eine Gepäckfracht für eine große, wertvolle Porzellanstatue.«

«Was?«schrie Dr. Portz.»Eine Porzellanstatue?! Das ist doch unmöglich!«

«Herr Ferro hat sie sogar mit 2.000,- DM transportversichert.«

«Das muß ein Irrtum sein«, keuchte Dr. Portz. Eine schreckliche Ahnung quoll in ihm auf wie ein Hefekuchen und drückte seine Stimme ab.

«Herr Ferro kam wirklich mit einer Statue. Der zweite Offizier half sogar noch beim Tragen. Er wunderte sich, wie schwer sie war.«

«Und die Dame?«stammelte Dr. Portz.

«Welche Dame?«

«Herr Ferro reiste doch in Begleitung einer Dame.«

«Davon wissen wir nichts. Herr Ferro hat nur eine Fahrkarte gelöst. Eine zweite, bestellte Fahrkarte ließ er als Frachtschein für die Porzellanfigur umbuchen.«

«Da…danke«, stotterte Dr. Portz.

Als gebrochener Mann hockte er hinter dem Telefon. Es gab gar keine Fragen mehr. Ganz klar stand ihm vor Augen, was in Borkum geschehen war. Bornemeyer hatte Sabine Sacher gewaltsam entführt! Als Porzellanfigur verpackt, hatte er sie auf das Schiff gebracht. Wie er sie betäubt hatte, wie er überhaupt auf diesen irrsinnigen Gedanken gekommen war, das waren Dinge, die später geklärt werden konnten. Allein die Tatsache, daß Bornemeyer die Frau eines Mandanten entführte, war genug, um Dr. Portz zusammenbrechen zu lassen.

Er wußte, daß es nur einen Weg gab: die Fahndung!

Noch einmal trank er einige Gläser Kognak, zog dann seinen Mantel an und verließ durch den Hintereingang sein Büro.

Er fuhr zu einem guten Bekannten. Zum Ersten Staatsanwalt.

Das Unabänderliche mußte seinen Lauf nehmen. Es gab jetzt kein Zurück und keine Rücksichten mehr.

Der Strand war weißsandig, breit, flach und übersät mit bunten Schirmen, Zelten, Körben, langhaarigen Mädchen und dicklichen Genießern. Ab und zu sah man auch langjährige Ehepaare — man erkannte sie daran, daß der Mann mißmutig auf die schönen jungen Mädchen blickte und innerlich Vergleiche anstellte.

Heinz v. Kletow und Peter Sacher blickten von der Strandpromenade auf das bunte Treiben. Etwas außerhalb des Badestrandes, zum Felsen hin, auf dem die herrliche weiße Villa in der Sonne strahlte, standen vier buntgestreifte Strandzelte. Sie waren wie eine Burg zusammengerückt. Die Sonne prallte auf sie herab. Kletow wies mit ausgestrecktem Arm auf sie hin.

«Unsere Strandvilla!«

«Luxuriös! Dort braten wir wie Thunfisch im Öl.«

«Tagsüber liegen wir im Wasser. Und nachts wird dir heiß von den Vorführungen um dich herum.«

Sie tapsten durch den Sand zu den vier Zelten. Als sie die >Burg< betraten, dampfte ihnen die Hitze entgegen. Sie zogen sich aus, schlüpften in die Badehosen, stellten die Koffer Peters in eine Ecke des Zeltes und traten dann wieder hinaus in die Sonne. Peter Sacher dehnte sich. Weit ab lag der Lärm des Badestrandes, hier war Ruhe. Nur ein paar Reiter trabten am Meer entlang.

«Trotz allem, es ist wirklich herrlich«, sagte Peter Sacher.»Endlich ist man allein!«

«Denkste!«Kletow grinste.»Das hier ist der schönste Platz von ganz Nizza. Man muß nur Augen haben, Freund! Sieh einmal hinüber zu den Felsen. Weder von der Promenade noch von den Hotels, sondern nur aus diesem Winkel heraus hast du einen solchen märchenhaften Anblick!«

Von den Felsen ragte auf halber Höhe eine Felsnase ins Meer hinaus. Die Brandung schäumte an ihr empor und sprühte den Gischt über die Steine. Oben auf dem Felsen schimmerte etwas Weißes. Ab und zu bewegte es sich, schnellte auf, drehte sich, streckte sich.

«Hm«, sagte Peter Sacher.»Man kann es schlecht erkennen! Was ist's?«

«Die Confessa Maria della Sacraterra. Sie liegt auf einem weißen Badetuch und sonnt sich.«