«Allein?«
«Stets!«
«Wie alt?«
«24 Jahre. Schwarzlockig, kurvenreich, ein Traum von einem Weib!«
«Und sie liegt da ohne etwas an?!«
«Immer! Es sieht sie ja keiner!«»Wir zum Beispiel.«
Heinz v. Kletow winkte ab.»Dieser kurze Blickwinkel ist meine Entdeckung. Übrigens kennt sie mich, und dich wird sie nie kennenlernen.«
«Du wirst mich ihr natürlich vorstellen.«
«Natürlich nicht. Das wäre Kuppelei.«
«Ach, und die Sache mit Coucou, was war das?«
«Notwehr!«
Peter Sacher starrte zu der Felsnase hinüber. Der weiße Fleck bewegte sich. Der Gischt sprühte über ihn. Jetzt sprang der Fleck auf. Mit etwas Fantasie konnte man eine nackte, schlanke Frauengestalt erkennen.
«Hast du kein Fernglas hier?«fragte Peter Sacher.
«Nein. «Kletow grinste.»Daß Ehemänner immer so ungeduldig sind.«
«Sie wird sich in der prallen Sonne einen Sonnenstich holen! Das muß man ihr doch sagen!«
«Wie besorgt. Ich werde es ihr bestellen! Es wäre nicht gut, wenn du ihr den Schatten liefern würdest!«
«Eifersüchtig?«
«Vorsichtig.«
Peter wandte sich ab, stapfte durch den tiefen, weißen Sand zurück zur Zeltburg, zog seine Badehose aus und legte sich nackt in den Sand. Heinz v. Kletow sah verwundert auf ihn hinab.
«Du hast dich ja schnell hier eingelebt!«
«Wenn die Contessa das kann! Vielleicht hat sie ein Fernglas!«
«Sie wird aber nicht von ihrem Felsen steigen wie Circe zu Odysseus! Im übrigen hat sie ein Erbteil von ca. 2 Millionen zu erwarten. Ich habe mich entschlossen, mit ihr darauf zu warten.«
«Gratuliere. «Peter dehnte sich wohlig im heißen Sand.»Es ist merkwürdig, daß die größten Nichtstuer die größten Chancen haben. Mit was beschäftigst du dich jetzt eigentlich?«
«Mit Frauen.«
Sie lachten. Und es war, als drehe sich die Zeit zurück. Irgendwie fühlten sie in sich noch die Jugend, die langsam von ihnen wegglitt. Wenn Männer allein unter sich sind, werden sie wieder zu Jungen. Ihr Übermut kennt keine Grenzen, und ihre Streiche unterscheiden sich von ihren Jugendsünden nur durch die Intelligenz der Ausführung. Ansonsten sind es doch nur Varianten einer aus der Tiefe der Vergangenheit wieder auftauchenden Jugend.
Der erste Tag in Nizza verlief für Peter und Heinz wie der erste Ferientag übermütiger Schuljungen. Nur, ihrer Reife entsprechend, war er genüßlicher.
Sie brieten in der Sonne, schwammen nackend hinaus in das warme, blaue, salzige und an den Felsen tobende Meer, umkreisten die Felsnase, auf der die Contessa lag und sahen, daß man auch vom Wasser aus nichts sehen konnte, schwammen bis zu den Riffen und schaukelten sich auf den Bojen, tauchten, bespritzten sich, machten ein Wettschwimmen, überlegten, ob sie nicht die Felsnase erklettern sollten und die Contessa wegen ihres Aufzuges mit der Begründung um Verzeihen bitten sollten, daß auf dem Festlande die Spinnstoffe knapp geworden wären. Es war eben herrlich, so ungebunden zu sein.
Dann lagen sie wieder im Sand; ihre Körper dampften.
Gegen Mittag dehnten sie ihre Ausflüge in die Flegeljahre aus. Sie gingen in die Stadt, aßen Thunfisch mit gerösteten Maiskolben, weil es billig war, nahmen am gesellschaftlichen Leben Nizzas teil, indem sie die elegante Promenade dreimal hinauf und hinabschlen-derten, sich auf die Bänke setzten, die Blicke schöner Frauen erwiderten, jedoch in Ermangelung eines geldlichen Rückhaltes nicht das durch diese Blicke freigiebig verteilte Kapital in Anspruch nahmen. Sie besuchten sogar die teuersten und exklusivsten Hotels unter dem Vorwand, einen Herrn zu suchen, der sich >Carambolage< nannte. Allein dies beweist die infantile Stimmung, in der sie waren. Saßen in den Foyers unter Kristallüstern und vor marmornen Wänden an parfümierten Springbrunnen, gingen wie Millionäre durch die Dachgärten und lehnten an den Sonnenterrassen des Monbijou. Sie flirteten mit verführerischen Frauen, deren Lebensaufgabe die Verführung war, erzählten nie erlebte Abenteuer aus dem Dschungel Bengalens und verlebten einen Nachmittag in der Sonne eines künstlichen Luxus'. Zwei Vagabunden, vor denen die Kellner dienernd die Türen aufrissen.
Gegen Abend setzte Heinz v. Kletow seinen Freund in einer rauchigen, nach Fisch stinkenden Kneipe am Hafen ab.
«Hier bleibst du, bis ich wiederkomme«, sagte er.»Ich werde für unser weiteres Wohl sorgen.«
Peter sah sich um. Präparierte Fische hingen von der Decke, der Wirt stand hinter der Theke und priemte, die Wirtin war angetrunken und sang mit einem quietschenden Radio um die Wette, an einem runden Tisch hockten einige finstere Gestalten, tranken Anisschnaps und spielten Karten. In ihren Gürteln trugen sie lange, feststehende Messer.
«Gibt es keinen anderen Ort?«fragte Peter Sacher leise.
«Das schon. Aber keinen, wo du für 5 °Centimes einen Pernod bekommst und drei Stunden sitzen bleiben kannst.«
«Und wo willst du hin?«
«Geld beschaffen.«
«Warum darf ich da nicht mit?«
«Weil wir es nie bekommen würden, wenn du dabei wärst. Ich bin in einer Stunde wieder da!«
Unwillig, ein wenig ängstlich, blieb Peter in der Hafenkneipe zurück. Die singende Wirtin knallte ihm ein Glas Pernod auf den Tisch und schrie:»Soixante Centimes!«Das waren zehn Centimes mehr, als Heinz gesagt hatte. Aber nach einem Blick auf den priemenden Wirt, die präparierten Fische und die mit feststehenden Messern spielenden Männer am Nebentisch wagte er nicht zu reklamieren und zahlte 6 °Centimes.
Dann starrte er hinaus auf den Hafen und dachte an Sabine. Noch zwei Tage, dachte er. Dann fahre ich zurück nach Düsseldorf. Dann ist mein Geld da! Dann hole ich Sabine zurück, und wenn sie am Nordpol ist! Und dann gebe ich ihr das Rubincollier. Gott, was sind wir doch für Schafe gewesen, sieben Jahre lang aneinander vorbei-gegangen zu sein.
Unterdessen hatte Heinz v. Kletow einen seiner unverschämten und doch genialen Gänge unternommen. Er traf sich mit der sonnenhungrigen Contessa auf der Promenade. Neunzehn einviertel Minuten brauchte er, bis er nach einigen Küssen dazu kam, ihr zu erklären, daß er vergessen habe, seine Bank zu besuchen, die jetzt geschlossen hatte, und daß er ohne einen Pfennig Geld bis morgen früh da säße. Die Contessa half ihm aus und gab ihm fünfhundert neue Francs. Er steckte sie in die Tasche seines Anzuges, als sei es schmutziges Papier, das man nicht auf den Boden einer so vornehmen Promenade wirft, verbrachte nochmals siebzehn einviertel Minuten mit der Contessa, entschuldigte sich dann und rannte zurück zum Hafen. Dort löste er Peter aus, der leichtsinnigerweise einen zweiten Pernod trank (er mochte ihn gar nicht), aber die Wirtin hatte, als er das Glas leer hatte, ohne zu fragen ein zweites hingestellt. Peter wagte auch dieses Mal nicht, dagegen zu rebellieren. An der Theke schnitt der Wirt mit einem riesigen Messer Knoblauch in Würfel.
«Komm«, sagte Heinz v. Kletow gutgelaunt.»Wir haben fünfhundert Francs! Die Welt gehört uns wieder!«
«Dann können wir ja in ein richtiges Hotel einziehen!«
«Du Wahnsinniger!«Kletow bezahlte 5 °Centimes, und die Wirtin nahm sie ohne Gegenrede an. Der Wirt unterbrach sogar sein Knoblauchschneiden und rief:»Bon soir, Messieurs!«
«Mit diesen 500 Francs müssen wir auf unbestimmte Zeit leben! Wer weiß, wann ich wieder Geld bekomme?«
«Du solltest eine reiche Frau heiraten«, sagte Peter, als sie vom Hafen zum Strand gingen.
«Heiraten?«Kletow fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.»Peter, da muß ich aber schon ganz am Ende aller Weisheiten angekommen sein.«
Es wurde schon dunkel, als sie vor ihren vier Strandzelten standen. Das Meer strahlte Kühle aus. Noch war der Sand warm, und der Wind, der von Afrika herüberkam, war samtweich. Peter sah sich um.
«Am Tage sieht es entschieden besser aus.«
«Man gewöhnt sich an alles. Wie denkst du dir das Schlafen eigentlich?«