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«Oh, du bist gekommen, Coucou?!«rief er auf französisch.»Oh, quel bonheur!«

Er verwechselt mich, dachte Sabine. Sicherlich tut er das! Sie schüttelte den Kopf und wich zurück, als der Koloß auf sie zukam.

«Sie irren sich!«rief sie auf deutsch.»Ich bin kein Fräulein mit Namen Coucou!«

«Nix Coucou?!«Der Verwalter der Villa nahm den Hut ab, warf seine Harke weit weg und schnaufte wie ein gereizter Stier.»Wer Sie dann?!«

«Ich bin Frau Sabine Sacher.«

«Nix gehört davon. Warum schickt Sie? Warum nix Coucou, wie Monsieur Kletow versprochen?«

Sabine hob die Schultern und wollte sich abwenden. In diesem Augenblick zündete der Name Kletow in ihrem Gehirn wie ein einschlagender Blitz. Sie wirbelte herum und starrte den verblüfften Verwalter an.

«Sagten Sie eben Kletow?«

«Oui, madame!«Der Gorilla zerknüllte den Strohhut in den Pranken.»O — quel filou! Isch ihn umbringe!«

«Recht so!«In Sabine stieg eine Enttäuschung empor, die wie eine alles ergreifende Übelkeit durch ihren Körper zog.»Er ist hier in

Nizza?«

«Oui! Seit sechs Tagen!«Der Verwalter ballte die Fäuste.»Ein Gauner! Ein Schuft! Ein Verbrecher!«

«Seit sechs Tagen. «Sabine sah auf den weißen Kiesweg. Vor ihren Augen flimmerte es. Seit sechs Tagen war Peter in Paris, angeblich bei seinem Freund! Er hatte sie belogen. Er war allein in Paris, allein in einer Wohnung, allein mit, mit…

Sie brach den Gedanken ab. Er tat ihr weh. Ihr Herz stockte. Es war, als risse es mittendurch.

«Hat er Sie betrogen?«fragte sie mühsam.

«Um ganze Miete, oui!«schrie der Gorilla.»Isch erwürge ihn!«

«Er hatte dieses herrliche Haus hier gemietet?«

«Oui! Madame. Sie kennen Kletow?!«

«Nein, nein«, sagte Sabine schnell.»War er allein hier?«

«Ganz allein!«Der Verwalter grinste breit.»Tagsüber, Madame. C'est la vie.«

«Und es war kein anderer Herr dabei?«

«Ein Monsieur? O non! Was soll Kletow machen mit Messieurs?! Er nur, olala!«Der Verwalter schnalzte mit der Zunge. Schon der Gedanke an schöne Frauen verscheuchte in ihm alle Wut. Man beneide darum die Franzosen.

Für Sabine war alles klar. Sie brauchte keine weiteren Erklärungen. Was hatte Dr. Portz geschrieben: >Peter ist in Paris bei seinem Freund v. Kletow. Rue de Sevres. Sie brauchen gar keine Sorgen zu haben.<

Alles war Lüge. Alles! Peter hatte gewußt, daß v. Kletow nicht in Paris war. Allein war er in der Wohnung, und wenn ein Mann allein in Paris ist.

In ihr brach alles zusammen, was sie an Sanftmut und Versöhnung in den vergangenen Tagen gesammelt hatte. Das Ende ihrer Ehe sah sie vor sich, das Experiment war mißlungen, oder gelungen, wie man's betrachtet. Es hatte keinen Sinn mehr, zusammenzubleiben und sich vorzulügen, der andere sei notwendig für das weitere Leben.

«Wo ist Monsieur v. Kletow jetzt?«fragte sie. Ihre Stimme war hart.

Sie spürte es. Sie war kühl bis ins Herz hinein.

«Oh, wenn isch wüßte das! Isch zermalme ihn! Isch werde Mörder!«

Sabine atmete tief.»Ermorden Sie bitte zwei!«sagte sie hart.»Der andere heißt Peter!«

Sie wandte sich ab und rannte den Weg hinunter, aus dem Tor hinaus, als werde sie gehetzt. Auf der Felsenstraße blieb sie stehen und sah schaudernd den steilen Abhang hinab in die tosende Brandung. Der nackte Mann auf den Klippen war fort. Er schwamm wieder außerhalb der kleinen Klippen zum Strand hin. Sein Kopf tauchte ins blaue Meer.

Hinabspringen und Schluß machen, dachte Sabine einen Augenblick. Wer hier auf die Klippen springt, vierzig oder mehr Meter tief, hat keine Probleme mehr, wenn er unten aufschlägt.

Sie lehnte an einem Felsvorsprung und sah hinab. Schwindel ergriff sie. Sie drückte den Kopf an den kalten Stein und schloß die Augen. Nein, sagte sie sich. Nein, nein! Warum das Leben wegwerfen wegen eines Mannes? Auch wenn man ihn so liebt wie ich und so grausam enttäuscht wird. Es lohnt sich nicht, mit allem abzuschließen, nur weil ein Lebensabschnitt eine Verblendung war.

Sie stieß sich von dem Felsen ab und trat mitten auf die Straße.»Nein!«sagte sie laut.»So einfach mache ich es dir nicht!«

Schnell ging sie zur Küste zurück, gesenkten Kopfes. Sie hatte keinen Blick mehr für die Schönheit des Strandes und der weißen Stadt. Sie weinte still vor sich hin.

Kurz bevor die Felsenstraße in einem weiten Schwung und breiter werdend in die Promenade mündet, hat man noch einmal einen schönen Blick auf den Badestrand. Er liegt weiter ab und bildet mit der Stadt und dem Hafen im Hintergrund ein herrliches Panorama.

Sabine Sacher wandte den Kopf zur Seite, nicht um das Bild zu sehen, sondern weil ihr ein Sandkorn ins Auge geblasen worden war. Dabei bemerkte sie zwei Männer, die in hellblauen Badehosen aus dem Wasser kamen und in schnellem Lauf auf vier Strandzelte zu-liefen. Plötzlich erstarrte sie und sprang zurück hinter eine Felsnase.»Das ist doch nicht möglich«, stammelte sie.»Das, das. «Sie schaute vorsichtig um den Felsen herum. Die beiden Männer hatten Handtücher genommen und trockneten sich ab. Sie sprachen, sie lachten laut. Es war sein Lachen, wirklich. Es waren seine Bewegungen beim Abtrocknen, es war sein Gang. Jetzt drehte er das Gesicht zum Felsen. Er war es! Peter! Peter!!

Sabine Sacher spürte, wie es heiß in ihr emporstieg. Sie bezwang sich, nicht mit einem Schrei an den Strand zu laufen und Peter um den Hals zu fallen. Einen Augenblick war sie auch versucht, ihm alles zu verzeihen. Seine Lüge, in Paris zu sein, die Sorglosigkeit, mit der er hier lebte, alles, was in den sechs Tagen geschehen sein mochte.

Als sie wieder um die Ecke des Felsens sah, war ein junges Mädchen in knappem Bikini auf die Zeltburg zugekommen. Der eine der Männer, es mußte Heinz v. Kletow sein, sprach auf sie ein. Das Mädchen lachte. Es war hübsch, biegsam, braungebrannt. Sabine beobachtete, wie Peter aus den Zelten kam. Er sprach mit dem Mädchen, jetzt streckte er die Hand aus und faßte die langen, schwarzen Haare des Mädchens an. Das Mädchen tänzelte vor ihm herum, jetzt legte Peter den Arm um ihre schöne Schulter.

«Schuft!«sagte Sabine. Sie preßte die Lippen aufeinander.»Aas!«Damit meinte sie das Mädchen. Sie kannte den Charme Peters, seit fünf Jahren allerdings war er nicht mehr in ihrer Gegenwart ausgestrahlt worden, sie wußte, wie seine Worte auf Frauen wirkten. Mit geballten Fäusten sah sie, wie das Mädchen mit Peter und Heinz in der Zeltburg verschwand.

Ihre Freude war wieder verflogen. Wut und Eifersucht beherrschten sie mit Urgewalt. Man müßte jetzt hingehen, dachte sie, dem Mädchen ein paar Ohrfeigen geben, und ihm natürlich auch, und sagen: Das ist mein Mann, allerdings ab jetzt muß ich sagen >gewe-sen<. Vielleicht heißt es sogar Coucou?! Das wäre zwar geschmacklos, wenn zwei Männer an demselben Mädchen, aber was ist bei Männern nicht alles möglich!

Sie wartete, bis ein größerer Schwarm Badegäste über den Strand ging. Ihnen gliederte sie sich ein und erreichte die Promenade. Im nächsten Andenkengeschäft kaufte sie sich ein Fernglas und rannte zurück zum Strand, setzte sich in ein leeres Zelt und richtete das Fernglas auf die vier zusammengeschobenen Zelte.

Sie sah nichts. Das ärgerte sie maßlos. Einmal sah sie einen nackten Arm… aber es war nicht zu erkennen, ob es ein Männer- oder Frauenarm war.

Das Gift der Eifersucht zerfraß sie. Sie war bleich, zitterte aus einem innerlichen Frieren heraus und fauchte Ferro-Bornemeyer, der sie seit Stunden suchte, wie eine Katze an, als er sie auf die Schulter tippte und sagte:»Ich halte es bis zum Abendessen ohne dich nicht aus.«

«Lassen Sie mich in Ruhe!«zischte sie und riß das Fernglas wieder an die Augen. In den Zelten bewegte sich etwas.

Ferro suchte den Strand ab. Er bemerkte nichts Sehenswertes und ließ sein Monokel aus dem Auge fallen.

«Was beobachtest du, Favorita?«

«Einen Haifisch!«fauchte Sabine.