«Du glaubst, daß diese sechs Wochen getrennte Ferien ein Heilmittel seien?«fragte er langsam. Man sah und hörte ihm an, daß er dies sehr bezweifelte.
«Sabine meint es. Sie hat diesen ganzen Quatsch in der New York Times gelesen. Von irgendeinem Psychologen, der etwas Propaganda für sich machte. Und sie glaubt daran wie an ein Wunderheilmittel.«
«Ferien vom Ich sind doch eine alte Sache.«
«Aber Ferien von der Ehe? Das dürfte nicht gebräuchlich sein. Nicht in unseren Breitengraden. Über diesen Ferien liegt wie eine unmoralische Wolke der Reiz des Nichtwissens, des Unbekannten, des Rätsels, der verborgenen Abenteuer, kurz: Man fühlt bei dem Gedanken an diese Ferien den Stachel der Eifersucht. Stell dir vor, diese Gedanken: Sie liegt irgendwo am Strand und flirtet mit einem anderen. Er ist hübsch, der Kerl, so ein Frauentyp mit gelacktem oder gewelltem Haar und einem Zahnpastagebiß. Und sie vergißt, daß sie Sacher heißt, sie findet das Leben schön, viel schöner als in Düsseldorf am Rhein, sie findet, daß…«Peter sprang auf. Es war ein Satz, als spränge er den Unbekannten an.»Teufel noch mal, Ernst, verstehst du das?! Man muß wissend beide Augen zudrücken, man darf nicht fragen, man soll nichts wissen, man soll alles wehrlos auf sich zukommen lassen. Ich halte das einfach nicht aus!«
Dr. Portz nickte ernst.
«Klarer Fall von Liebe!«
«Quatsch! Es geht um die Mannesehre!«wich Peter aus. Er schämte sich, die Wahrheit einzugestehen.
«Wenn Sabine auch so denkt wie du«, sagte Dr. Portz salomonisch,»ist es besser, ihr verlebt eure Eheferien sechs Wochen auf dem Balkon eures Schlafzimmers. Das ist billiger und überzeugender.«
«Nein!«Peter Sacher klopfte mit den Fingern auf den Rauchtisch.»Sabine soll ihren Wunsch erfüllt bekommen. Oder soll ich von dem Widersinn allein sprechen und die Schlacht um meine Vorrangstellung als Mann verlieren?«
«Von Gleichberechtigung hast du noch nichts gehört, was?«»Sie ist im siebten Jahr einer Ehe wie ein Infarkt.«
Dr. Portz legte den Kopf in beide Hände und sah Peter Sacher traurig an.»Mit billigen Bonmots rettet man keine Ehe.«
«Darum komme ich ja zu dir. Du mußt mir helfen.«
«Ich?«
«Du mußt Sabine beobachten!«
«Was soll ich?«Dr. Portz begriff nicht sofort. Er blinzelte mit den Augen, als starre er in grelles Sonnenlicht.
«Du sollst Sabine >beschatten<, wie man wohl in deiner Fachsprache sagt. Ich will wissen, wohin sie fährt, mit wem sie sich dort trifft, was sie die sechs Wochen treibt, was sie erlebt, kurz: Ich will Sabine auf gar keinen Fall durch dieses dumme Experiment verlieren.«
Dr. Portz nickte schwer und mitleidig. Er griff zum Telefon und drehte eine Hausnummer. Seine Kanzlei meldete sich. Hubert Bornemeyer war am Apparat.
«Bornemeyer? Gut!«rief Dr. Portz mit ernster Miene.»Rufen Sie bitte die nächste Schilderfabrik an. Wir bestellen ein neues Schild. Wir firmieren um. Groß! In Emaille. Zweifarbig. Eilauftrag! Text: Ernst Portz — Detektei verrückter Ehemänner. Haben Sie verstanden? Nein? Ich auch nicht! Ende. «Er legte den Hörer zurück und sah zu Peter, der wütend an dem breiten Bücherschrank stand.»Mein Assessor ist restlos erschüttert. Er begreift es einfach nicht.«
«Laß bitte die dummen Witze. «Sacher rauchte nervös und zerdrückte fast die Zigarre zwischen den Fingern.»Es muß doch nicht so schwer sein, Sabine bewachen zu lassen.«
«Auch noch bewachen! Es wird ja immer fröhlicher! Lege ihr doch einen Keuschheitsgürtel um.«
«Wenn du gemein wirst, sind wir geschiedene Leute!«Sacher tupfte die Zigarre im Aschenbecher aus.»Irgend etwas muß geschehen! Die Welt kennt keine moralischen Hemmungen mehr.«
«Wie erschütternd das gerade aus deinem Mund klingt!«
«Und ich lasse Sabine in diesen Sumpf nicht allein fahren. Es muß etwas geschehen!«wiederholte er erregt.
«Führt endlich eine vernünftige Ehe. Das ist alles! Habt Zeit für-einander. Lernt euch verstehen. Auch außerhalb des Schlafzimmers!«Dr. Portz schlug die Hände über dem Kopf zusammen.»Als ob man Säuglinge vor sich hätte, denen man das Windelnässen abgewöhnen will.«
«Hast du nichts anderes auf Lager als die Mottenkiste?! Ich brauche ehrlich deine Hilfe! Und wenn dir als Junggeselle auch alles noch so blöd vorkommt, es ist mir bitterer Ernst! Mit Sabine muß etwas geschehen. Sie kann nicht in diesem, diesem seelisch depressiven Zustand allein reisen oder gar allein gelassen werden.«
Dr. Portz sah das Problem ernster, als es nach außen hin den Anschein hatte. Er kratzte sich den Kopf. Männer, die sich beim Nachdenken den Kopf kratzen, brüten große Probleme aus. Als sich Caesar nachdenklich den Kopf gekratzt hatte, so sagt man, entschloß er sich, bei Cleopatra zu bleiben. Vielleicht wäre ein ganzer Teil Weltgeschichte anders verlaufen, wenn sich Caesar nicht gekratzt hätte.
«Gut«, sagte Dr. Portz nach einer Weile Kratzen, bei der ihn Peter Sacher nicht störte.»Ich werde Hubert Bornemeyer auf die Fährte deiner Frau setzen. Für gutes Essen wandert er bis Feuerland. «Er machte sich einige Notizen auf einem großen Block und blickte dann plötzlich hoch.»Übrigens — wohin willst du denn fahren?!«
«Nach Paris.«
«Mir scheint, es wird nötiger sein, dich beobachten zu lassen! Du nimmst die Eheferien aber ernst.«
«Bitte, dämme deine Fantasie ein. «Sacher hob abwehrend die Hand.»Ich will endlich einmal Heinz wieder besuchen.«
«Unseren Heinz v. Kletow?«
«Genau den.«
Dr. Portz legte den Bleistift hart auf den Block zurück.»Ist es nicht besser, ich reiche die Scheidung gleich ein? Schuldiger Teiclass="underline" der Ehemann! Unkomplizierter Fall. Beweise werden in vier dicken Aktenbündeln geliefert.«
«Du bist heute ausgesprochen blöd!«Peter warf sich wieder in den Ledersessel.»Am 8. Juli fährt Sabine, am 10. fahre ich. Vorher komme ich noch einmal vorbei.«
«Hoffentlich geistig entrümpelt.«
«In spätestens drei Tagen möchte ich wissen, wo Sabine ihren Urlaub verbringt.«
«Auch die Kragenweite der Herren ihrer Begleitung?«
Ohne Antwort ergriff Peter seinen Hut, stülpte ihn auf den Kopf und verließ unter Zurücklassung einer zuknallenden Tür das Büro. Draußen in der Kanzlei winkte er dem Assessor Bornemeyer zu und zeigte zum Chefzimmer.»Herr Dr. Portz möchte ein Glas Milch haben.«
«Milch?«Hubert Bornemeyer sah entgeistert aus.»Wirklich Milch?«
«Ja. Ihm ist irgendwie unwohl.«
Eine völlig fassungslose Kanzlei verlassend, ging Peter Sacher die Treppen hinunter. Der Lehrling überholte ihn mit großen Sprüngen. Bornemeyer hatte ihn losgehetzt, eine Flasche Milch zu besorgen. Der Buchhalter mit dem Gallengesicht holte aus seinen Taschen einige Medikamentenschachteln und — rollen und baute sie auf seinem Tisch auf. Er war für alle inneren Gebrechen versorgt. Es war immerhin möglich, daß der Chef irgendeine Pille brauchte. Das ganze Anwaltsbüro wartete auf ein Zeichen von Dr. Portz. Als der Lehrling mit der Milch kam, wärmte eines der Tippfräuleins sie etwas in einem Kessel heißen Wassers an. Warme Milch ist für einen Magen immer besser.
Unterdessen ging Peter Sacher die Alleestraße entlang, bog in die Königsallee ein und traf dort Sabine. Sie stand vor einem Modegeschäft und betrachtete blumengemusterte Bademäntel. In der Hand trug sie einen neuen weißen Koffer.
Er stellte sich hinter sie, beugte sich ein wenig über ihre Schulter und flüsterte ihr mit verstellter Stimme ins Ohr.
«Entzückende Dame, darf ich Ihren Koffer tragen?!«
«Was erlauben Sie sich?!«Sabine schnellte herum. Ihre Augen sprühten vor Beleidigung.»Das ist…«Dann lächelte sie, als sie Peter erkannte, und hielt ihm den Koffer hin.»Aber bitte, mein Herr! Mich erschreckte nur das In-den-Nacken-Blasen Ihrer Stimme.«