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Peter atmete tief auf.»Ich wollte dich nur an kommende, veränderte Situationen gewöhnen«, sagte er gepreßt.»In wenigen Tagen wird man dir ganz andere Dinge sagen. Mein Gott, wird man dich belügen! Du solltest dich in den richtigen Antworten üben. «Er nahm den weißen Koffer und schwenkte ihn betrachtend durch die Luft.»Du willst an die See fahren?«

«Wieso denn See?«Ihre großen, dunklen Augen waren voll Geheimnis.

Sie sind mir sechs Jahre lang nicht mehr so aufgefallen, dachte Peter Sacher. Damals waren es zuerst ihre Augen, die mir auffielen. Sie stand in der modernen Gemäldegalerie und betrachtete ein abstraktes Gemälde. Als er sich räusperte, hatte sie ihn kurz angeblickt, und dabei waren ihm ihre Augen aufgefallen.»Können Sie sich etwas dabei denken?«hatte sie gefragt und auf das abstrakte Bild gedeutet. Er hatte nur ihre Augen gesehen und ernsthaft genickt.»Jetzt ja«, hatte er geantwortet.»Es hat jetzt einen Sinn bekommen.«

Peter schüttelte die Gedanken ab. Jetzt standen sie auf der Königsallee, Sabine hatte einen weißen Koffer gekauft, sie wollte anscheinend an die See fahren, allein, weg von ihm. So wandeln sieben Jahre die Betrachtungsweise.

«Weiße Koffer sind doch für die See«, sagte Peter etwas unwirsch. Ihn ärgerte, daß er Sabines Augen wieder herrlich fand.

«Man kann auch im Gebirge weiß tragen.«

«Kann man. «Katze, dachte er. Ob sie einen Liebhaber hat? Vielleicht trifft sie ihn in diesen sechs Wochen. Ich bringe ihn um!

Er schwang den Koffer und trug ihn zu seinem Wagen. Sabine ging hinterher.

«Du fährst schon wieder?«

«Du nicht?«

«Nein. Ich bleibe noch in der Stadt.«

«Du willst noch einkaufen?«

«Auch.«

Peter fuhr herum.»Was heißt auch?«

«Auch heißt auch. «Sie hob die Schultern und hatte ein unschuldiges, fast schmollendes Gesicht.»Willst du auf mich warten?«

«Das gehört sich ja wohl so«, sagte Peter giftig.

«Es wird vielleicht zehn Minuten dauern.«

«Überhetze nichts. Es schadet dem Kreislauf.«

Er stieg in den Wagen und zog mit einem Ruck die Tür zu, ohne eine Entgegnung Sabines abzuwarten. Doch bevor sie ging, kurbelte er die Scheibe hinunter und rief ihr nach:»Bring mir bitte eine Schachtel Zigaretten mit.«

Sie nickte und ging mit schnellen Schritten Richtung Börse. Peter sah ihr nach. Sie fragt gar nicht, welche Zigarettenmarke, grübelte er. Sollte sie tatsächlich wissen, was ich rauche? Und schlanke, lange Beine hat sie auch. Und schöne Hüften. Wie der Kerl da im hellbraunen Anzug sie anstarrt. Stehen bleibt er auch noch, dieser Affe! Weitergehen, du Idiot. Diese Dame ist verheiratet. Mit mir! Und glücklich verheiratet.

Glücklich? Peter Sacher suchte im Handschuhfach nach einer Zigarette. Er fand einen alten, platt gequetschten Stengel, drückte ihn rund und zündete ihn an.

Sabine bog in die Alleestraße ein. Peter überlegte, was sie da wohl kaufen könnte. Einen Pelz? Ein Modellkleid? Zarte, hauchdünne Unterwäsche aus Perlon. Und dann sechs Wochen allein.

Er nahm wütend eine Illustrierte vom Sitz und blätterte unlustig darin herum, um sich abzulenken. Als der Herr im hellbraunen Anzug, der Sabines wegen stehengeblieben war, an seinem Wagen vorbeikam, sagte Peter Sacher noch einmal laut» Idiot!«Aber der Herr hörte es nicht.

Immerhin befreite es Peter von einem inneren Druck, als habe man an einem Dampfkessel das Ventil geöffnet.

Ein Glas warme Milch ist ein beliebtes Getränk bei denen, die Milch mögen. Es enthält Kalorien und Aufbaustoffe. Es soll vor Erkältungen der Atemwege schützen. Mit Honig vermischt, wird es zur echten Athletennahrung.

Auf dem Schreibtisch Dr. Portz' aber war es eine Beleidigung.

Als Assessor Hubert Bornemeyer mit dem Glas Milch in der Tür erschien, hatte ihn Dr. Portz entgeistert angestarrt und abgewinkt.»Bornemeyer«, hatte er gesagt.»Wenn Sie schon immer etwas zu sich nehmen müssen, dann kommen Sie meinetwegen mit Salamibrötchen herein, aber nie und nimmer mit Milch. Ich bekomme eine Gänsehaut.«

Assessor Bornemeyer stellte das Glas Milch auf den Schreibtisch. Dr. Portz verzog die Nase, als stänke es nach Kloake.

«Bitte«, sagte Bornemeyer unsicher.

«Was bitte?«

«Ihre Milch.«

«Meine.«

Dr. Portz starrte das Glas an. Es gibt zwei Möglichkeiten, dachte er rasend schnell. Entweder man wirft das Glas Bornemeyer an den Kopf und wird für jähzornig erklärt, oder man streichelt Bornemeyer über das schüttere Haar, denn er ist schwachsinnig geworden.

Auf Zehenspitzen verließ der Assessor das Chefzimmer. Draußen in der Kanzlei verkündete er dem atemlos lauschenden Personal, der Chef sei anscheinend trübsinnig geworden.

Der Gedanke, die Bestellung der Milch könne von Peter Sacher ausgehen, war mittlerweile in Dr. Portz zur Gewißheit geworden. Er nur allein kannte seine Abneigung gegen dieses Getränk. Es war die Rache eines Mannes, dem man die Wahrheit gesagt hatte. Dr. Portz schob das Glas Milch mit dem Handrücken in die hinterste Ecke des Schreibtisches. In diesem Augenblick führte Assessor Bornemeyer eine Dame ins Zimmer.

«Sie ließ sich nicht abhalten, Herr Portz«, sagte Bornemeyer entschuldigend.

Dr. Portz schnellte aus seinem Sessel hoch und rannte mit ausgestreckten Armen um den Schreibtisch herum auf Sabine Sacher zu.

«Gnädige Frau, Sie?!«Er ergriff ihre Hand und küßte sie innig.»Wenn ein Vormittag so endet, kann man den ganzen Tag loben.«

Sabine entzog ihm lächelnd ihre Hand. Ihr Blick fiel auf das Glas Milch.»Ach, Sie leben neuerdings diät?«fragte sie.»Milch ist gesund für die Nerven.«

«Wenn dem so ist, sollte man Milch zum Pflichtgetränk für Politiker und Ehemänner machen.«

«Ihr Wort in die richtigen Ohren. «Sabines Stimme war so bitter, daß Dr. Portz, Unheil witternd, ernst wurde und sie genau betrachtete. Sieht so eine Frau aus, die sechs Wochen Urlaub macht? Allein Urlaub?! Weg von einem Ekel von Ehemann, dachte Portz einen Augenblick gehässig.

«Ist etwas nicht in Ordnung, Sabine?«fragte er.

«Peter will sechs Wochen verreisen!«

«Peter? Soso!«Dr. Portz spürte, daß Verwicklungen nicht zu vermeiden waren.»Er hat Erholung nötig. So ein Arbeitstier wie Peter! Wenn er nicht einmal zwischendurch Urlaub macht, besteht die Welt nur noch aus Peter-Sacher-Bauten!«

Es sollte witzig klingen, aber es traf genau den neuralgischen Punkt Sabines. Sie sank in den Sessel, den vor wenigen Minuten noch Peter gewärmt hatte, und sah hilflos zu Dr. Portz empor.

«Er will allein fahren.«

«Ohne Sie?«tat Portz baß verwundert.

«Ja.«

«So ein Lümmel!«Dr. Portz fühlte einen leichten Schweißausbruch auf seiner Stirn und in seinem Nacken.»Ich spreche Ihnen mein Beileid aus, Sabine. Sie sind mit einem Flegel verheiratet. Wie konnten Sie so etwas tun, wo so viele stattliche Männer zur Verfügung stehen. «Dabei richtete er sich hoch auf. Er war wirklich eine Hüh-nengestalt, aber nicht der Typ, den man heiratet, sondern nur als Freund verehrt. Ein Gorilla mit Herz.

«Bleiben wir doch ernst, bitte«, sagte Sabine schwach. Sie war dem Weinen nahe.»Peter will Ferien von der Ehe machen. Als ob ich nicht sieben Jahre lang eine gute Ehefrau gewesen wäre.«

«Wer daran zweifelt, ist ein garstiger Gauch!«pflichtete Portz ehrlich zu.

«Nach Paris will er sogar.«

«Mir fehlen die empörten Worte!«Portz zog sich hinter seinen Schreibtisch zurück. Das weiß sie also schon. Woher bloß?! Peter sieht es ähnlich und hat es ihr gesagt. Garkochen im eigenen Saft, nennt er so etwas, der Sadist! Es fragt sich nur, was Sabine von mir will!

«Wie ist er eigentlich auf diesen Gedanken gekommen?«

«Er hat die New York Times gelesen.«

«Nicht das >Fachblatt für Sexual-Neurotiker<?«