Выбрать главу

»Wenn mir einer einfällt, werde ich es Sie wissen lassen.« Sie stand da und starrte gedankenverloren auf das Schott. »Captain Falco wird versuchen, Ihnen das Kommando abspenstig zumachen.«

»Dafür hat er keine Grundlage«, erklärte Geary. »Ich habe mindestens achtzig Dienstjahre mehr auf dem Buckel.«

Rione lächelte flüchtig. »Das hat Captain Falco nicht gut aufgenommen.«

»Das ist mir nicht entgangen. Aber wenigstens hat mir diese Tatsache zur Abwechslung einmal Spaß gemacht.«

»Falco wird versuchen, Ihnen das Kommando über die Flotte streitig zu machen, Captain Geary, und die Vorschriften werden ihn dabei nicht kümmern. Wenn Sie Captain Numos und seine Verbündeten bislang für gefährlich hielten, dann nehmen die sich nun neben Falco wie Chorknaben aus.«

»Danke für Ihre Einschätzung der Situation.« Die leider mit meiner absolut identisch ist. Rione schien seine Bemerkung mit Skepsis aufzunehmen, also bekräftigte er: »Ihr Urteil ist mir sehr wichtig, das ist mein Ernst. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass Sie mit der Flotte reisen.«

Eine Weile musterte sie ihn, ohne dass er ihre Miene zu deuten wusste. »Danke, Captain Geary.«

Nachdem Rione gegangen war, nahm sich Geary die Zeit, einen Blick auf die Aufzeichnungen von Captain Falcos Schlachten zu werfen. Als die im Gefechtssimulator gezeigt wurden, erkannte er schnell, wie zutreffend Riones Einschätzung war. Die Verluste, die Falco bei diesen angeblichen Siegen hatte hinnehmen müssen, waren erschreckend. Und seine Niederlagen waren mehr als einmal die Folgen von kapitalen Fehlern. Falco der Kämpfer? Schon kurios, dass der kämpferische Captain so viele Schlachten überlebt hat, während unzählige andere Allianz-Offiziere gefallen waren.

Es gab auch Reden und Nachrichtenausschnitte, die einen viel jüngeren Falco zeigten, wie er mit hochtrabender Rhetorik und scheinbar völliger Überzeugung die Zuhörer in seinen Bann schlug. Einen Moment lang fragte Geary sich, ob er den Mann wohl falsch eingeschätzt hatte, doch dann hörte er genauer hin, was Falco erzählte. Erschrocken hörte er genau das, was Rione gesagt hatte: Falco schob die Schuld am Verlauf des Krieges der Regierung in die Schuhe und kandidierte indirekt für die Rolle des alleinigen Führers. Ich frage mich, was passiert wäre, wenn die Syndiks Falco nicht in ihre Gewalt bekommen hätten. Kein Wunder, dass Co-Präsidentin Rione so besorgt war, als ich das Kommando übernahm. Sie dachte, ich würde mich wie Falco aufführen. Aber zum Glück stamme ich noch aus einer Zeit, als Flottenoffiziere so etwas schlicht nicht taten. Ich hätte nie gedacht, dass jemand sich so benehmen würde wie er — und damit auch noch erfolgreich sein könnte, indem er sich ans Volk wandte.

Zwanzig Jahre. Desjani kannte Falco nur dem Ruf nach. Im ersten Moment schien sie begeistert zu sein, doch das änderte sich sichtlich, als Falco ihm das Kommando streitig zu machen versuchte. Geary fragte sich, wie der Rest der Flotte zu diesem Mann stehen würde. Vor allem dann, wenn er und Falco offen um die Befehlsgewalt streiten sollten.

Ich will nicht ewig das Kommando über diese Flotte am Hals haben, aber ich kann es auch nicht jemandem mit Falcos Vergangenheit überlassen. Er würde sie in den Untergang führen und dann eine Presseerklärung herausgeben, welch großartigen Sieg er damit errungen hat. Und falls es ihm irgendwie gelingen sollte, ins Gebiet der Allianz zurückzukehren, dann würde er für die Regierung genau die Bedrohung darstellen, die Rione in ihm sieht.

Es sei denn, die Zeit im Arbeitslager hat aus ihm einen anderen Menschen gemacht. Ich darf den Mann so lange nicht vorverurteilen, bis ich weiß, wie sich diese Erfahrung auf ihn ausgewirkt hat.

Das erinnerte ihn daran, dass er sich im Augenblick besser mit der aktuellen Situation seiner Flotte beschäftigen sollte, anstatt sich über Falco Gedanken zu machen. Die Flotte verließ Sutrah V und begab sich in den freien Raum oberhalb des Systems, wo keine Fallen der Syndiks auf sie lauern konnten, also gab es für die Schiffe keine akute Bedrohung. Selbst wenn vor einem der Sprungpunkte eine Syndik-Flotte auftauchen sollte, hätten sie noch fast einen Tag Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Aber was ist längerfristig? Was hecken die Syndiks in diesem Moment aus, um dieser Flotte im nächsten und im übernächsten Sternensystem Schaden zuzufügen?

Geary rief das Display für diese Region des Alls auf und beschäftigte sich lange Zeit damit, indem er im Geist die Flotte von einem Stern zum nächsten springen ließ und alle zur Auswahl stehenden Ziele ansteuerte. Aber egal, wie er vorging, er gelangte stets zur gleichen unerfreulichen Schlussfolgerung. So erging es ihm schon, seit die Flotte in Sutrah eingetroffen war, und er fand nie eine andere Lösung. Auch ohne Simulationen durchzuführen, sagte sein Instinkt ihm, dass sich das Netz der Syndiks immer enger um die Flotte zog. Entkommen konnte er dem Feind nur, wenn er etwas so Unwahrscheinliches tat, das die Syndiks es nicht einmal in Erwägung ziehen würden. Was war so unwahrscheinlich, dass es nicht zugleich auch selbstmörderisch war?

Sein Blick kehrte immer wieder zu einem Stern zurück. Sancere.

Nein, das ist verrückt.

Ist es verrückt genug, dass die Syndiks nicht glauben werden, ich könnte die Flotte dorthin bringen?

Vielleicht. Ich bin mir sicher, die Syndiks sind davon überzeugt, dass es nicht auf die Art erfolgen kann, die mir vorschwebt. Aber da irren sie sich. Ich weiß nämlich einen Weg.

Die Frage ist nur, wie überzeuge ich die Flotte davon, mir nach Sancere zu folgen?

Drei

Die Türglocke zu Gearys Kabine wurde betätigt und ließ ihn hochschrecken. Überrascht stellte er fest, wie viel Zeit er damit verbracht hatte, über die nächsten Schritte seiner Flotte nachzudenken. Er aktivierte auch das Flottendisplay und überprüfte die aktuelle Position im Sutrah-System. Wie geplant hatte die Flotte Sutrah V hinter sich gelassen und folgte jetzt einem Kurs bis zu dem Punkt, an dem ihr zwei Sprungpunkte im System zur Verfügung standen. Nur noch eine Stunde, bis die kinetischen Waffen sich auf den Weg machten, um die beiden bewohnten Welten zu bombardieren. Es gab keinen Grund zur Eile, da weder die beiden Planeten noch die anvisierten Ziele ihnen entkommen konnten. »Herein«, rief Geary.

Captain Falco hatte es sehr schnell bewerkstelligt, sich eine neue Uniform mit all den Abzeichen und Ehrungen zu beschaffen, die zu tragen er offenbar berechtigt war. Er hatte sich auch die Haare schneiden lassen, dennoch fiel Geary auf, dass der forsche junge Mann aus den alten Berichten nicht bloß um zwanzig Jahre gealtert war, sondern durch die Entbehrungen im Arbeitslager der Syndiks deutlich älter wirkte. Falco lächelte ihn freundlich und selbstbewusst an und sah damit genauso aus wie in den alten Aufzeichnungen, die Geary sich angesehen hatte. »Ich bin mir sicher, Sie würden gern mit mir über unsere Optionen für die künftige Vorgehensweise reden«, erklärte Falco gönnerhaft. »Meine Expertise und meine Führungsqualitäten stehen Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.«

In Wahrheit war er nicht mal auf die Idee gekommen, irgendetwas mit Falco zu besprechen. Vor allem, weil ich von Ihrer Expertise gar nichts halte und Ihre Führungsqualitäten mich überhaupt nicht beeindrucken. Dennoch nickte Geary ihm höflich zu. »Es wird in Kürze eine Flottenkonferenz stattfinden.«

»Ich meinte unter vier Augen«, stellte Falco klar. »Es ist doch immer besser, sich vor der Schlacht einen Schlachtplan zurechtzulegen, nicht wahr? Ein guter Führer wie Sie weiß das, und ich habe eine Menge darüber gehört, was Sie mit dieser Flotte geleistet haben. Aber selbst der beste Befehlshaber kann nicht auf das Wissen fähiger Leute verzichten, die ihn unterstützen. Daher habe ich mir die Zeit genommen, die Position unserer Flotte zu beurteilen und einen Plan für unsere weitere Vorgehensweise auszuarbeiten.«