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»Tradition?« Kopfschüttelnd ging Geary erneut hin und her. »Ich glaube, ich weiß besser als Sie darüber Bescheid, welche Tradition bei dieser Flotte einmal gezählt hat. Versuchen Sie es mal mit Vorschriften, mit Ordnung und Disziplin. Ich bin der Befehlshaber dieser Flotte, Captain Falco. Ich werde mir jeden Rat und jeden Vorschlag anhören, der mir unterbreitet wird, aber am Ende entscheide ich darüber, was diese Flotte macht oder was sie unterlässt.«

»Sie müssen den Kommandanten dieser Flotte mit dem angemessenen Respekt begegnen!«

Geary nickte. »In dem Punkt sind wir uns einig, aber das heißt nicht, dass ich deswegen meine Verantwortung und meine Pflicht vernachlässige, wichtige Entscheidungen zu treffen.«

»Ich muss darauf bestehen, dass die Kommandoprozeduren befolgt werden, die diese Flotte im Angesicht eines unendlichen Krieges entwickelt hat.« Falco wirkte stur und stolz, da er in diesem Punkt nicht nachgeben wollte. Geary erkannte, dass der Mann auf die gleiche Weise in den Kampf gezogen war, wenn er nicht einsehen wollte, dass ein Frontalangriff sinnlos war. Bemerkenswert daran war, wie offen er diese Einstellung vertrat. Falco glaubte allen Ernstes, seine Methode sei die richtige.

Also brachte Geary seinen Tonfall unter Kontrolle und erklärte ruhig: »Ich habe großen Respekt vor den Offizieren, an deren Seite ich diene. Ich habe ebenfalls großen Respekt vor den Traditionen der Flotte. Ich bin aber auch verpflichtet, meine Aufgaben zu erfüllen, wie sie durch die Regeln und Vorschriften der Flotte bestimmt werden. Mit diesen Regeln und Vorschriften habe ich mich eingehend beschäftigt, und die sagen nichts darüber aus, dass Entscheidungen des Befehlshabers durch eine Abstimmung bestätigt werden müssen.«

»Es geht hier nicht um stures Festhalten an Regeln, die angesichts der Bedrohung, der wir gegenüberstehen, hoffnungslos veraltet sein könnten«, konterte Falco.

Geary kam dieser Spruch bekannt vor. Falco hatte sich vor seiner Gefangennahme durch die Syndiks so oder ähnlich bei zahlreichen Anlässen geäußert, und üblicherweise waren diese Bemerkungen gegen die Regierung der Allianz gerichtet gewesen. »Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Captain Falco, ich habe auch Respekt für diese überholten Regeln, und ich bestehe darauf, dass die Flotte sie auch befolgt.«

»Ich wiederhole, ich bestehe darauf …«

»Sie besitzen keine Autorität, auf irgendetwas zu bestehen. Ich bin der dienstälteste Offizier in dieser Flotte, und ich habe das Kommando. Ich halte nichts von Befehlsstrukturen, die auf Abstimmungen beruhen, und ich werde diese Prozeduren nicht anwenden. Das ist mein letztes Wort.« Falco wollte zum Reden ansetzen, aber Geary brachte ihn mit einem eindringlichen Blick zum Schweigen. »Sie haben Ihren Vorschlag unterbreitet. Gibt es sonst noch etwas?«

Schließlich stand Falco auch auf, sein Gesicht war rot angelaufen. »Ich habe mir Ihren Plan angesehen, mit dem Sie Vergeltung üben. Diese erste kinetische Salve, mit der Sie die beiden bewohnten Welten in diesem System bombardieren wollen, wird viele wichtige Ziele verschonen. Wir müssen alles vernichten, was den Syndiks in diesem System nützt.«

»Ich lasse industrielle und militärische Einrichtungen ebenso zerstören wie Regierungsgebäude, Captain Falco.«

»Sie lassen viele Syndik-Arbeiter am Leben, die so weiterhin für die Syndikatwelten aktiv sein können. Deren Fähigkeit, die Kriegsanstrengungen der Syndiks zu unterstützen, muss dauerhaft unterbunden werden.«

»Dauerhaft unterbunden?«, gab Geary zurück. »Ist das eine Umschreibung dafür, dass wir sie umbringen sollen?«

Falco sah ihn ungläubig an. »In diesem Krieg geht es um alles, woran wir glauben, Captain Geary. Wir können nicht zulassen, dass gesetzliche Spitzfindigkeiten uns daran hindern, alles zu tun, was getan werden muss, um unser Zuhause und unsere Familien zu schützen.«

»Gesetzliche Spitzfindigkeiten? So nennen Sie das? Und Sie glauben, die sind das Einzige, was uns davon abhält, die Zivilbevölkerung dieser beiden Welten abzuschlachten, Captain Falco?«, fragte Geary in einem trügerisch ruhigen Tonfall.

Falco schien die Frage zu verblüffen, und er antwortete darauf, als hätte er ein Kleinkind vor sich. »Die sind ein Teil der Kriegsmaschinerie der Syndiks. Nur wenn wir alle Aspekte ihrer Macht zerschlagen, können wir siegen.«

»Und Sie sind der Ansicht, dass ein solches Handeln für alles steht, woran wir glauben? Dass unsere Vorfahren einen Massenmord gutheißen werden?«

»Die Syndiks haben Schlimmeres verbrochen!«

»Und deshalb kämpfen wir gegen sie, nicht wahr?« Geary beschrieb mit seiner Hand energische Gesten. »Ich werde Grausamkeiten weder selbst begehen noch zulassen, dass ein anderer sie begeht, solange ich das Kommando habe. Es wird nur eine Salve auf diese beiden Welten abgefeuert, um die Aktionen der Syndiks gegen unsere Flotte zu vergelten. Die Ziele sind industrielle, militärische und Regierungseinrichtungen. Punkt.«

Falco schien zwischen Erstaunen und Entrüstung zu schwanken. »Ich hatte davon gehört, dass Sie gefangene Syndiks verschont haben, aber ich hätte nicht geglaubt, Sie könnten so weich sein.«

»Weich?« Der Begriff ärgerte Geary nicht, sondern amüsierte ihn. »Ich habe kein Problem damit, gegen Syndik-Militärs zu kämpfen. Wenn Sie sich wirklich damit beschäftigt haben, was bei Kaliban geschehen ist, dann sollte Ihnen das klar sein. Was die Behandlung von Kriegsgefangenen angeht, hätte ich gedacht, dass Ihnen durch Ihre letzten beiden Jahrzehnte in Gefangenschaft bewusst geworden wäre, was es heißt, mit Kriegsgefangenen nach dem Kriegsrecht zu verfahren.« Er hielt inne, da er erkannte, dass es zu nichts führte, wenn er Falco noch länger Kontra gab. Aber ihm war auch klar, dass Falco jede Schwäche nutzen würde, die er bei seinem Gegner zu erkennen glaubte. »Ich wurde ausgebildet, um Dinge auf eine Weise zu erledigen, die irgendwann in Vergessenheit gerieten, Captain Falco. Ich habe diese Ausbildung aus der Vergangenheit mitgebracht, damit ich dieser Flotte helfen kann, besser zu kämpfen. Ich habe auch eine Einstellung mitgebracht, die von manchen als veraltet angesehen wird. Aber ich glaube an diese Einstellung, und ich glaube, sie wird die Flotte stärken.«

Falco sah ihn mit starrer Miene an. »Das sagen Sie.« Es kostete ihn sichtlich Mühe, sich unter Kontrolle zu bekommen. »Vielleicht sollten wir noch einmal von vorn anfangen.«

Geary nickte. »Keine schlechte Idee.«

»Wir wollen beide das Gleiche«, begann er und lächelte wieder gefällig, während Geary sich fragte, was Falco unter diesem ›Gleichen‹ verstand. »Gemeinsam können wir viel erreichen.«

»Für die Allianz?«, hakte Geary nach.

»Ja, natürlich. Aber die Allianz benötigt starke Führungskräfte! Das können wir für die Allianz sein.« Falco schüttelte den Kopf und seufzte theatralisch. »Sie sehen ja, wie sich die Dinge heutzutage gestalten. Der Zustand der Flotte. Die Leute, die der Flotte Befehle geben. Diese Rione. Eine Allianz-Senatorin, die die Flotte begleitet. Als ob wir Politiker bräuchten, die uns über die Schulter schauen, ob wir unsere Arbeit auch ja richtig machen! Ich hörte, dass diese Frau Ihnen das Leben schwer macht, und ich habe auch nichts anderes vermutet.«

Geary versuchte, eine nichtssagende Miene zu machen. »Das haben Sie gehört?«

»Von vielen Seiten. Aber natürlich können wir zusammenarbeiten und ihren Einfluss neutralisieren.«

»Interessante Idee«, sagte Geary so unbeteiligt, wie er nur klingen konnte. Ihm wurde bewusst, dass Falco das gleiche Gespräch womöglich bereits mit der Co-Präsidentin geführt hatte, um sich bei ihr über Gearys Anwesenheit zu beklagen und ihr vorzuschlagen, gemeinsam gegen ihn zu arbeiten. Er fragte sich, ob Rione ihm davon etwas sagen würde, falls er sie darauf ansprach.