»Und wenn alles nach Plan läuft«, fügte Duellos hinzu, »schaffen wir es bis zu einem Hypernet-Portal, das uns nach Hause bringen wird.«
Zu viele Augen waren auf den Weg gerichtet, den er eingezeichnet hatte. Er wusste, dass diese Offiziere alle überlegten, wie weit Gearys Plan sie vom Allianz-Gebiet wegführen würde. »Wenn unser Ziel nach wie vor darin besteht, nach Hause zurückzukehren«, betonte er, »und den Syndiks bei der Gelegenheit Schaden zuzufügen, dann ist Sancere der richtige Weg.«
»Das ist Unsinn«, verkündete Numos. »Ich verlange eine Abstimmung.«
»In meiner Flotte wird nicht abgestimmt«, gab Geary zurück.
»Wenn man von mir verlangt, dass ich mich auf ein Selbstmordkommando einlasse und tiefer in Syndik-Gebiet vordringen soll, dann sollte ich auch das Recht haben, darüber abstimmen zu können! Das gilt für jeden hier!«
Captain Tulev gab einen abfälligen Laut von sich. »Darüber haben Sie schon längst abgestimmt, und zwar als Admiral Bloch das Kommando über die Flotte hatte. Oder haben Sie vergessen, dass es eine Abstimmung war, die uns überhaupt erst in diese Situation gebracht hat?«
Numos lief vor Wut rot an. »Das war eine vollkommen andere Situation. Wo ist Captain Falco? Was schlägt er vor?«
»Das müssen Sie ihn schon selbst fragen«, antwortete Geary ihm. »Ich habe seine Meinung bereits gehört.« Und verworfen. Aber das musste er ja niemandem sagen.
»Wo ist Captain Falco?«, wollte nun auch Captain Faresa wissen, die wie üblich Numos hinterherlief.
Captain Desjani reagierte darauf so ruhig, als würde sie einen Routinebericht kundtun: »Captain Falco unterzieht sich verschiedenen Untersuchungen, die das medizinische Personal der Dauntless empfohlen hat.«
Geary versuchte, weder überrascht noch belustigt zu reagieren. Er hätte Desjani eine solche List nicht zugetraut.
Faresa dagegen war außer sich. »Medizinische Untersuchungen?«
»Ja«, bestätigte sie beiläufig. »Zu seiner eigenen Sicherheit. Er stand im Arbeitslager unter erheblichem Stress, zudem lastete der Druck auf ihm, dass er dort der ranghöchste Offizier der Allianz war. Das medizinische Personal war nach Captain Falcos erster Untersuchung um ihn besorgt und bat darum, ihn so bald wie möglich gründlicher zu untersuchen.«
»Was hat Captain Falco empfohlen?«, meldete sich jemand zu Wort.
»Was er empfohlen hat, geht nur ihn und mich etwas an«, erwiderte Geary, doch das kam bei den Offizieren nicht allzu gut an. Also führte er aus: »Ich kann dazu sagen, dass Captain Falco keine Zeit gehabt hatte, um sich ein Bild von der Gesamtsituation zu verschaffen, in der sich die Flotte befindet. Er empfahl auch ein viel umfassenderes Bombardement der beiden bewohnten Welten in diesem System. Ich hielt das nicht für klug, mitmenschlich oder gerechtfertigt, daher lehnte ich seinen Ratschlag ab.«
»Captain Falco ist ein Commander, der den Kampf wählt«, erklärte der Captain der Brigandine nach einer langen Pause.
»Mein Vater starb, während er unter ihm diente«, ergänzte der Captain der Steadfast.
Jetzt wurde es Geary endgültig zu bunt. »Sehr viele Matrosen, die unter Captain Falco dienten, haben ihr Leben verloren.« Schweigen machte sich breit. »Wenn jemand meinen Kampfgeist mit dem von Captain Falco vergleichen möchte, dann darf er auch gern unseren Kampf im Kaliban-System mit jeder beliebigen Schlacht vergleichen, die Falco geführt hat. Da ich der Ansicht bin, dass wir der Allianz am besten dienen, indem wir zugleich Siege erringen und dabei überleben, scheue ich keine Gegenüberstellung der verlorenen Schiffe auf beiden Seiten sowie der Zahl der Gefallenen.«
»Ich habe unter Captain Falco bei Batana gedient«, ließ Captain Duellos in fast müßigem Tonfall verlauten. »Meine erste und beinahe auch letzte Schlacht. Mein befehlshabender Offizier kommentierte anschließend zu der Tatsache, dass wir genauso viele Matrosen verloren hatten wie die Syndiks, es wäre doch einfacher gewesen, wenn Captain Falco jedem seiner Schiffe gleich befohlen hätte, ein Schiff der Syndiks zu rammen. Das Ergebnis wäre das gleiche gewesen, und man hätte viel Zeit und Mühe gespart.«
»Captain Falco ist ein Held der Allianz!«, rief irgendwer.
»Captain Falco ist ein Offizier dieser Flotte«, erwiderte Commander Cresida energisch. »Suchen wir uns jetzt unsere Befehlshaber wieder per Abstimmung aus? Haben wir vom letzten Mal noch nicht genug? Hat Captain Geary irgendeinen Anlass geliefert, um jetzt an seiner Urteilsfähigkeit zu zweifeln? Wie viele von Ihnen wären bei Kaliban lieber gestorben, nur um die Schlacht ruhmreicher zu machen?«
Ihre Worte schienen die meisten Anwesenden zum Nachdenken zu bringen, lediglich Captain Faresa warf ihr einen besonders giftigen Blick zu. »Wir müssen uns nichts von Offizieren erzählen lassen, deren Dienstgrad und Erfahrung so niedrig ist.«
Commander Cresida errötete, doch dank der Zeitverzögerung des Signals von Cresidas Schiff, kam ihr Geary zuvor. »Ich leite diese Konferenz, und ich befehlige diese Flotte«, warf er schroff ein. »Und ich entscheide, was wir uns erzählen lassen und was nicht.«
Weitere Widersprüche regten sich, aber Geary entkräftete jeden von ihnen. Wieder wurde der Wunsch laut, Falcos Meinung zu hören, doch Gearys wichtigste Verbündete wehrten das mit dem Hinweis ab, dass der Mann noch immer nicht über alle Umstände auf dem Laufenden war, die die Flotte betrafen. Schließlich hob Geary die Hand, um für Ruhe zu sorgen. »Es muss eine Entscheidung gefällt werden, und es liegt in meiner Verantwortung, sie zu fällen. Fazit ist: Ich werde diese Flotte nach Sancere bringen, weil wir so die besten Überlebenschancen haben. Wenn wir dort eintreffen, werden wir den Syndiks eine schwere Niederlage zufügen und die Schiffe Anelace, Baselard, Mace und Cuirass rächen.«
Diverse Commander machten eine unglückliche Miene, etliche sahen zu Numos, da sie hofften, dass er an ihrer Stelle weitere Einwendungen einbringen würde, doch ein warnender Blick von Geary ließ ihn schweigen. Wichtiger aber war, dass eine deutliche Mehrheit nicht nur bereit zu sein schien, seinem Plan zu folgen, sondern offenbar auch von Gearys Argumenten überzeugt worden war. »Das wäre alles«, sagte er. »In wenigen Minuten werden Sie alle Ihre Befehle erhalten, um zu dem Sprungpunkt zurückzukehren, durch den wir in dieses System gelangten.«
Die Anwesenden verschwanden zügig, bis nur der virtuelle Captain Duellos übrig war. Desjani stand auf und lächelte finster. »Ein weiterer Sieg, Sir.«
»Ich glaube, lieber kämpfe ich gegen die Syndiks«, gab Geary zu. »Lassen Sie bitte den Befehl zur Kursänderung senden. Ausgeführt werden soll er bei …« Er betrachtete die Anzeigen. »Bei Zeit zwei null.«
»Ja, Sir.« Desjani salutierte, ehe sie den Raum verließ.
Geary nickte Duellos zu. »Danke für die Unterstützung.«
Duellos reagierte mit einem skeptischen Blick. »Sie erwarten doch nicht tatsächlich, dass die Syndiks uns ihr Hypernet-Portal bei Sancere benutzen lassen werden, oder?«
»Nein«, bekräftigte Geary, senkte den Blick und verzog den Mund. »Ich glaube, die Syndiks wissen, dass sie diese Flotte nicht mit einem funktionierenden Hypernet-Schlüssel entwischen lassen dürfen. Das würde der Allianz in diesem Krieg einen entscheidenden Vorteil verschaffen.«
»Also werden sie lieber zum letzten Mittel greifen und ihr Portal zerstören, anstatt uns auf diesem Weg entwischen zu lassen.«
»Vermutlich ja«, meinte er schulterzuckend. »Es besteht immer die Chance, dass sie es nicht machen. Eine sehr winzige Chance, aber immerhin existiert sie.«
»Stimmt.« Duellos seufzte. »Ihnen ist doch klar, dass die Flotte Ihnen ohne das Portal niemals nach Sancere gefolgt wäre, oder?«
»Ja, ich weiß.«