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Doch die insgesamt neununddreißig Schiffe, die Falcos Streitmacht darstellten, gingen nach und nach in eine eigene Formation und steuerten zielstrebig auf den anderen Sprungpunkt zu, der nicht mehr weit entfernt war. Der Wunsch überkam ihn, das Feuer auf Falco zu eröffnen, aber er drängte ihn schnell wieder zurück. Unmöglich. Den Befehl werde ich nicht erteilen. Und selbst wenn, wer würde ihn schon ausführen? Das wäre etwas, was die Syndiks machen würden. Aber was soll ich machen? Ich kann sie nicht aufhalten. Sie sind nur noch fünfzehn Minuten vom Sprungpunkt entfernt. »Alle Einheiten, die die Formation verlassen haben: Überdenken Sie noch einmal Ihr Handeln und denken Sie dabei auch an Ihre Kameraden und an Ihre Besatzungen. Auf den Wegen, die Sie über diesen Sprungpunkt erreichen können, werden Sie nicht überleben.«

Die Schiffe waren bereits mehrere Lichtminuten entfernt, aber selbst wenn man die Zeitverzögerung einkalkulierte, war längst deutlich, dass Gearys jüngster Appell fehlgeschlagen war. Für einen weiteren Anlauf reichte die Zeit nicht mehr, nur noch für eine kurze Mitteilung. Er sah auf das Display der Sternensysteme, in Gedanken ging er die Sprungpfade durch, die die nächsten Sterne miteinander verbanden. »Alle Einheiten, die die Formation verlassen haben: Ilion. Ich wiederhole: Ilion.«

Gut zwölf Minuten später sah Geary die Bilder der fliehenden Schiffe, wie sie mit einem Sprung aus dem System verschwanden.

Er verbrachte eine Weile damit, seine Flotte neu zu ordnen, damit die entstandenen Lücken geschlossen wurden, dann saß er schweigend da und wartete, bis sie den Sprungpunkt nach Cydoni erreicht hatten. »Alle Schiffe: Springen Sie jetzt.«

Seit er das Kommando über diese Schiffe übernommen hatte, war er von der Befürchtung begleitet worden, ein Teil der Flotte könnte sich abspalten. Für ihn war es offensichtlich, dass eine Spaltung ihrer Streitmacht tief in feindlichem Territorium eine völlig verrückte Idee darstellte. Allerdings hatte er auch von Anfang an einsehen müssen, dass es Commander gab, die zu einer rationalen Sichtweise gar nicht in der Lage waren. Nun war der befürchtete Fall eingetreten. Fast vierzig Schiffe flogen einem ungewissen Schicksal entgegen, angeführt von Befehlshabern, die Geary mit Ablehnung, Misstrauen und, mindestens in Numos’ Fall, mit Verachtung begegneten. Wenn es nur einen Weg gegeben hätte, dass die Besatzungen dieser Schiffe nicht das gleiche Schicksal ereilte wie ihre Vorgesetzten …

Aber es besteht eine Chance. Wenn sie nachdenken und erkennen, dass ein glorreicher Tod dem Schutz ihrer Heimatwelten keinen Dienst erweisen kann, wenn sie bereit sind, das zu nutzen, was ich ihnen beigebracht habe. Wenn sie bereit sind, auf das zu hören, was ich ihnen als letzte Nachricht mit auf den Weg gegeben habe. Und wenn die Syndiks diese Information nicht von ihnen erfahren, damit sie für uns keinen Hinterhalt vorbereiten können. Ich wünschte, ich wüsste es.

Da er die Stille in seiner Kabine nicht länger ertrug, in der er sich noch einsamer vorkam, seit Co-Präsidentin Rione ihre Besuche eingestellt hatte, begab sich Geary wieder einmal auf eine Tour durch die verschiedenen Abteilungen der Dauntless. Auf diese Weise konnte er Zuversicht verbreiten, nachdem die Crew durch die Flucht zahlreicher Kameraden geschockt worden war. Er versuchte, die Leute von der Entwicklung im Strabo-System abzulenken und sie dazu zu bringen, dass sie den Blick wieder nach vorn richteten. Im Rahmen der beschränkten Kommunikationsmöglichkeiten ließ er diese Nachrichten auch an die anderen Schiffe der Flotte senden, um dort die gleiche Wirkung zu erreichen.

In der verbleibenden Zeit widmete Geary sich weiteren Gefechtssimulationen. Damit hoffte er, einige der Kampftechniken weiterzugeben, die er vor über hundert Jahren erlernt hatte. Techniken, die im Lauf der Zeit in Vergessenheit geraten waren, da die verheerenden Verluste an Schiffen und Menschenleben die kollektiven Erinnerungen und Fähigkeiten ausgelöscht hatten. Er wusste bloß nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb, um dieses Wissen zu übermitteln.

Geary betrat die Brücke der Dauntless, als die Flotte sich eben darauf vorbereitete, den Sprungraum zu verlassen.

Captain Desjani drehte sich zu ihm um, ihre Sorge um ihn war nicht zu übersehen. Er nickte schwerfällig zurück und ließ sich in seinen Kommandosessel sinken. Ihm war nicht klar gewesen, wie mitgenommen er nach Falcos Verrat aussehen musste. Mitgenommen genug, dass Desjani es bemerkte. Es war nur zu hoffen, dass die Crew nicht genauso aufmerksam war wie ihr Captain. Aber vielleicht sah er jetzt auch besonders schlecht aus, nachdem er in der letzten Nacht nicht hatte schlafen können, da er voller Sorge war, was sie im Cydoni-System erwartete. Und da er nicht wusste, ob sich weitere Schiffe von der Flotte verabschieden würden.

Um diese augenblicklich wiedererwachende Angst zu überspielen, rief Geary das Flottendisplay auf und tat so, als sei er in die Anzeige vertieft. Er hatte versucht, sich einen Plan für Sancere zurechtzulegen, obwohl er bis zu ihrem Eintreffen überhaupt nicht wissen konnte, was sie dort vorfinden würden. Gestern war ihm eine Idee gekommen, deren Ursprung ironischerweise in den Ereignissen im Strabo-System lag, und er hatte sich einige Minuten lang damit beschäftigt und die Namen und Akten einiger der verbliebenen Commander überprüft.

»Bereit machen zum Verlassen des Sprungraums«, ließ Desjani verlauten.

Hastig schaltete Geary auf das Systemdisplay um und wartete. Momentan zeigte es nur die historischen Informationen aus dem Syndik-Handbuch an, das ihnen auf Sutrah V in die Hände gefallen war. Sobald die Flotte am Rand des Cydoni-Systems in den Normalraum zurückkehrte, würden die Sensoren der Dauntless und aller anderen Schiffe damit beginnen, die Daten anhand dessen zu aktualisieren, was sie von ihrer Position aus feststellen konnten.

Gearys Magen drehte sich um, dann wich das Mattschwarz des Sprungraums dem funkelnden, von Sternen übersäten Universum des realen Raums. Er wartete und sah zu, wie sich die Anzeigen veränderten. Keine Schiffe. Keine Minen zu entdecken. Nichts. Captain Desjani strahlte triumphierend.

Doch Gearys Blick galt weiterhin dem Systemdisplay, auf dem die sich ausdehnende Photosphäre der Sonne den einst von Leben erfüllten Planeten erreicht hatte. Die Szene löste etwas von der kranken Faszination aus, die beim Anblick eines verunglückten Zuges aufkommt, nur dass sich dieser Prozess nicht innerhalb von Sekunden abspielte, sondern sich über Jahrhunderte erstreckte, und ihm hier eine ganze Welt zum Opfer fiel.

Der größte Teil der Atmosphäre des vormals bewohnbaren Planeten war mittlerweile weggerissen worden. Die Schluchten der Ozeane waren vor langer Zeit ihres Wassers beraubt worden, das unter dem Partikelbombardement und der Hitze jener Sonne ins All geschleudert worden war, die einst Leben auf dieser Welt ermöglicht hatte. Nun wurde der Planet langsam von der Sonne aufgezehrt, und schon jetzt waren keine Spuren von Leben mehr feststellbar.

»Wahrscheinlich existieren unter der Planetenoberfläche noch einige Lebensformen, die auch mit extremen Bedingungen zurechtkommen«, meldete ein Wachhabender. »Die werden noch eine Weile durchhalten.«

»Und wie lange noch, bis die Photosphäre den Planeten vollständig eingehüllt hat?«, fragte Geary.

»Schwer zu sagen, Sir. Die Ausdehnung eines solchen Sterns spielt sich in Schüben ab. Vermutlich irgendwo zwischen fünfzig und zweihundert Jahren, immer abhängig davon, was sich in dem Stern tatsächlich abspielt.«