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Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie ihn, nahm dann aber im Sessel Platz. »Was gibt es, Captain Geary?«

Es fiel ihm schwer sie anzusehen, und sein Blick schweifte zu der Sternenlandschaft, während er sich vorstellte, wie die von gewaltigen Explosionen zerrissen wurde. »Wir haben uns damit beschäftigt, was bei Sancere passieren könnte, wo es bekanntlich ein Hypernet-Portal gibt. Ich ging von der Annahme aus, die Syndiks könnten versuchen, diesen Zugang zu zerstören. Allerdings musste ich mittlerweile erfahren, dass die Vernichtung eines solchen Portals große Mengen Energie freisetzen könnte. Oder vielleicht auch gar keine. Das ist alles strikt theoretisch.«

Mit frostiger Stimme fragte sie: »Große Mengen Energie? Die Errichtung des Hypernet-Systems wurde genehmigt, lange bevor ich zum Allianz-Senat kam. Daher bin ich über die technischen Details nicht informiert. Wie groß sind diese Energiemengen?«

»Sie sind vergleichbar mit einer Supernova.« Das löste bei Rione schließlich doch eine Reaktion aus, da sie schockiert die Augen aufriss. Geary atmete tief durch und fuhr fort: »Einer der Captains, Commander Cresida, hat eine Theorie über die Hypernet-Portale aufgestellt. Wenn sie damit richtigliegt, dann hängt das Ausmaß an freigesetzter Energie davon ab, wie die Portaltrossen zerstört werden, also in welchen zeitlichen Abständen und in welcher Sequenz ihnen die Kontrolle über die Partikelmatrix entrissen wird. Das Flottennetzwerk hat diese Berechnungen mit einigen Mühen ausgeführt und einen Algorithmus für den Einsatz unserer Waffen entwickelt, der es uns erlauben sollte, die freiwerdende Energie auf ein absolutes Minimum zu beschränken.«

Riones Stimme war noch immer unterkühlt, ließ aber ihre Verständnislosigkeit erkennen. »Und warum beunruhigt Sie das, Captain Geary? Ich gebe zu, es überrascht mich, dass Hypernet-Portale eine so große potenzielle Gefahr darstellen. Aber wenn Sie einen Weg gefunden haben, den Schaden zu begrenzen, dann dürfte das doch etwas Gutes sein, oder nicht?«

Geary betrachtete die silberne Scheibe in seiner Handfläche. »Es beunruhigt mich aus einem bestimmten Grund, Madam Co-Präsidentin. Um herauszufinden, wie sich die Energieabgabe minimieren lässt, mussten wir auch in Erfahrung bringen, wie man sie maximieren kann.« Er hielt die Datendisk hoch und sah Rione an. »Wenn die Theorie auf die Praxis übertragbar ist, dann ist es uns möglich, die Portale zu den zerstörerischsten Waffen zu machen, die die Menschheit je gesehen hat. Womöglich sind wir in der Lage, nicht nur komplette Sternensysteme auszulöschen, sondern ganze Regionen des Weltalls.«

Victoria Rione sah ihn zutiefst entsetzt an. »Wie konnten die lebenden Sterne etwas derartiges zulassen? Als wir die alte Welt verließen, da glaubte die Menschheit, wir hätten die Gefahr gebannt, dass durch eine Katastrophe eine ganze Spezies ausgelöscht wird. Dass wir in Sicherheit sind, wenn wir uns inmitten der Sterne verteilen. Aber eine solche Waffe …« Ihr Blick richtete sich auf die Disk. »Was ist das?«

»Der Algorithmus für die Maximierung der Energieentladung. Wie ich bereits sagte, musste das Flottennetzwerk beide Varianten berechnen.« Er warf ihr die Scheibe zu, die sie reflexartig auffing. »Mir ist lieber, wenn diese Daten in Ihrem Besitz sind. Ich habe veranlasst, dass die Berechnungen im flottenweiten System gelöscht und überschrieben werden. Das da ist die einzige existierende Kopie.«

Sie starrte die Disk an, als hätte sie eine Giftschlange vor sich. »Warum?«

Er legte die Frage so aus, dass sie sich auf Rione bezog. »Weil es zu gefährlich ist, Madam Co-Präsidentin, sie irgendeinem anderen Menschen anzuvertrauen, mich eingeschlossen.«

Rione warf ihm einen stechenden Blick zu. »Warum wollen Sie das überhaupt irgendwem anvertrauen? Warum lassen Sie überhaupt eine Kopie erstellen?«

»Aus einem einfachen Grund: Wenn wir das berechnen können, ist das anderen ebenfalls möglich.«

Nun wurde Rione bleich. »Sie meinen … Aber wenn die Syndiks dazu in der Lage wären …«

»Dann hätte die Allianz inzwischen längst die Folgen zu spüren bekommen«, beendete Geary den Satz für sie. »Da stimme ich Ihnen zu. Ich glaube, die Syndiks sind noch nicht zu dieser Erkenntnis gelangt. Und ich glaube sogar, dass nicht einmal Commander Cresida erkannt hat, welch verheerende Waffen diese Portale sein können. Aber ich glaube, es gibt jemanden, der es weiß.«

»Ich verstehe nicht«, fuhr Rione ihn in nunmehr hitzigem Tonfall an. »Wenn Sie nicht glauben, dass die Syndiks diesen Schluss gezogen haben, wollen Sie dann behaupten, die Allianz weiß davon?«

»Nein, weder die Syndiks noch die Allianz«, sagte Geary geradeheraus. Er wusste, seine Worte waren brutal, aber er fand, er musste es aussprechen. »Ich habe erlebt, wie die Offiziere dieser Flotte nach hundert Jahren Krieg denken. Wüsste die Allianz, dass die Portale Waffen darstellen, dann hätte sie längst begonnen, die Portale zu sprengen und ganze Syndik-Systeme auszulöschen. So ist es doch, nicht wahr, Madam Co-Präsidentin?«

Nach kurzem Schweigen nickte Rione. »Es spricht vieles dafür, dass Sie recht haben«, räumte sie leise ein. »Was glauben Sie dann, wer von dieser erschreckenden Tatsache weiß? Es gibt keine Welten, die weder zu den Syndiks noch zur Allianz gehören. Es gibt niemanden sonst.«

»Niemanden, den wir kennen«, korrigierte Geary sie. »Niemanden von menschlicher Art.«

»Ist das Ihr Ernst?«, fragte sie kopfschüttelnd. »Welchen Beweis haben Sie dafür?«

»Woher kommt das Hypernet?«

Die Frage schien sie zu überrumpeln, ihre Feindseligkeit war für den Moment vergessen. »Es war ein sehr plötzlicher Durchbruch, mehr weiß ich darüber auch nicht.«

»Und die Theorie dahinter verstehen wir bis heute nicht«, fügte Geary hinzu. »Das sagte mir Commander Cresida, und die Datenbank der Flotte bestätigt es. Wann gelangten die Syndiks in den Besitz der Hypernet-Technologie?«

»Etwa zur gleichen Zeit wie die Allianz.«

»Interessanter Zufall, nicht wahr?«, gab er zurück. »Ich hörte, dass die Allianz glaubt, die Syndiks hätten die Technologie gestohlen. Das wäre zumindest eine Erklärung.«

Rione nickte und senkte den Blick. »Ja, aber ich weiß aus anderen Berichten, dass die Syndiks glauben, wir hätten ihnen die Technologie gestohlen.« Sie schloss die Augen und dachte nach. »Sie ziehen also ernsthaft in Erwägung, dass eine nichtmenschliche Intelligenz uns mit der Technologie versorgt hat? Und zwar beide Seiten? Aber wieso? Das Hypernet ist für uns von beträchtlichem Nutzen. Die Fähigkeit, so schnell von einem Stern zum nächsten zu reisen, hat den menschlichen Zivilisationen einen enormen Auftrieb beschert.«

Geary ließ sich in seinen Sessel sinken und rieb sich die Augen. »Haben Sie jemals vom Trojanischen Pferd gehört? Einer Sache, die nach einem ansprechenden Geschenk aussieht, die aber in Wahrheit eine gefährliche Waffe darstellt?«

Abermals wurde Rione bleich. »Sie meinen, jemand … etwas … hat uns diese Technologie in dem Wissen überlassen, dass wir diese Portale bauen, die als Waffen gegen uns verwendet werden könnten?«

»Richtig.« Geary deutete auf sein Display. »Jede menschliche Kultur in jedem wichtigen Sternensystem verfügt über Hypernet-Portale. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn in jedem dieser Systeme eine Supernova explodiert. Ach, eine einfache Nova genügt. Von mir aus sogar eine Mininova.«

»Aber … warum?«

»Vielleicht haben sie Angst vor uns. Vielleicht wollen sie auch, dass wir sie in Ruhe lassen. Oder es ist ihre Art von Rückversicherung für den Fall, dass wir ihnen jemals gefährlich werden. Oder aber es ist ihre Art zu kämpfen, indem sie sich im Schatten verborgen halten und ihre Gegner in eine Falle locken.« Geary schüttelte den Kopf. »Dieser Krieg begann aus Gründen, die niemand so ganz begreift. Und er zieht sich schon so lange hin, dass er längst keinen Sinn mehr ergibt. Leider ist das in der Geschichte der Menschheit nichts Ungewöhnliches, aber dieser Krieg sorgt seit einem Jahrhundert dafür, dass die menschliche Rasse sich mit nichts anderem mehr beschäftigt. Weder die Syndiks noch die Allianz sind in diesen hundert Jahren in unerforschte Regionen vorgestoßen. Ich habe es nachgeprüft.«