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»Doch, das werde ich. Vielen Dank.« Geary zwang sich, nicht noch eine giftige Bemerkung hinterherzuschicken. Schließlich galt seine Verärgerung in Wahrheit Falco und Leuten von dessen Schlag. »Die letzten Wochen waren schwierig.«

»Ich weiß.« Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. »Es muss sehr schwierig gewesen sein, mit Captain Falcos Verrat konfrontiert zu werden.«

»Es wäre nicht ganz so schwierig gewesen, wenn ich mit Ihnen darüber hätte reden können.« Erschrocken darüber, dass er das tatsächlich ausgesprochen hatte, sah er Rione an, deren Gesicht nun keine Gefühlsregung mehr verriet. »Mir haben Ihre Ratschläge gefehlt.«

»Meine Ratschläge? Ich freue mich, dass Ihnen meine Ratschläge willkommen sind«, sagte sie tonlos. »Aber Sie sind nicht auf sie angewiesen. Ihre Einschätzung, wohin diese Flotte fliegen sollte, war meiner weit überlegen.«

Worauf war sie denn nun wütend? »Madam Co-Präsidentin …« Er bemühte sich, die richtigen Worte zu finden. »Ich benötige Ihre Ratschläge. Ich habe nicht viele Menschen um mich, denen ich mich anvertrauen kann. Und ich habe auch nicht viele Menschen um mich, denen ich so vertraue, wie ich Ihnen vertraue.«

Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts, aber ihre Augen betrachteten forschend Gearys Miene. »Ich kann doch nicht der einzige Mensch in dieser Flotte sein, dem Sie vertrauen.«

»Nein. Aber es ist nicht nur das. Es ist …« Geary schaute zur Seite und rieb sich mit einer Hand den Nacken. »Ich habe Sie gern um mich.«

Langes Schweigen machte sich breit, und schließlich sah er Rione wieder an, die ihn immer noch musterte. »Denken Sie, ich bin für Sie eine Freundin, Captain Geary?«

Er hatte sich damit nicht beschäftigt, weil er nicht darüber hatte nachdenken wollen. »Meine letzten Freunde sind vor langer Zeit gestorben.«

»Dann suchen Sie sich neue Freunde, Captain!« Ihre abermals erwachte Verärgerung erschreckte ihn.

»Sie sind nicht … Madam Co-Präsidentin, wenn ich …« Geary blieben die Worte im Hals stecken, als er überrascht feststellte, wie schwer es ihm fiel, seine Ängste auszusprechen … Zu erklären, was für ein Gefühl das gewesen war, aus dem künstlichen Tiefschlaf zu erwachen und zu erfahren, dass jeder Freund, jeder Bekannte, jeder Mensch, den er je gekannt hatte, seit langer Zeit tot war …

»Ist das der Mann, der mutig genug war, die Allianz-Flotte nach Sancere zu führen?«, fragte Rione spöttisch. »Der Held der Flotte? Der Mann, der sich dem Höllenschlund gestellt hat? Und dieser Mann traut sich nicht, einen Freund zu akzeptieren, nur weil er Angst hat, er könnte ihn wieder verlieren?«

»Sie haben keine Ahnung, wie das ist«, gab Geary verärgert zurück. »Als ich aus dem Tiefschlaf geholt wurde, lebte kein Mensch mehr, den ich einmal gekannt hatte. Kein einziger!«

»Meinen Sie, Sie sind der erste Mensch, der jemanden verloren hat, der ihm wichtig war? Oder der alles verloren hat, was ihm wichtig war? Lassen Sie zu, dass Sie wieder leben können, Captain Geary!«

»Sie wissen nicht …«

Einen Moment lang nahm ihr Gesicht einen zornigen Ausdruck an. »Ein Mann ist tot, den ich mehr liebte als das Leben, Captain Geary. Ein weiteres Opfer in diesem abscheulichen, endlosen Krieg! Er starb vor mehr als zehn Jahren, und dennoch sehe ich ihn immer wieder klar und deutlich vor mir, sobald ich die Augen schließe. Ich musste für mich entscheiden, ob ich innerlich sterben oder ob ich wieder leben wollte. Ich wusste, was er gewollt hätte. Ich kann nicht leugnen, dass es unerträglich schwer für mich war, aber ich habe es durchgestanden.«

»Das tut mir leid«, sagte Geary leise. »Sehr leid.«

Ihr Zorn ebbte ab und wich Ermüdung. »Zum Teufel mit Ihnen, John Geary, niemand außer Ihnen hat es seit seinem Tod geschafft, mich aus der Fassung zu bringen!«

»Warum interessiert es Sie?«, fragte er bestürzt. »Warum interessiert es Sie, was ich denke und was aus mir wird?«

Sie schwieg einen Augenblick lang. »Es interessiert mich eben. Sie sind ein bemerkenswerter Mann, Captain Geary. Selbst wenn Sie einen zur Weißglut bringen.«

»Sie hassen mich!«

»Ich habe Sie nie gehasst!«, gab Rione prompt zurück, verzog dann aber den Mund. »Das ist nicht ganz richtig. Als ich dachte, Sie hätten die Flotte verraten, als ich glaubte, Sie hätten mich belogen und benutzt, da hasste ich Sie für das, was ich Ihnen fälschlich unterstellte.«

»Sie warfen mir vor, ich hätte Sie persönlich ebenso hintergangen wie die Flotte.«

Rione nickte. »Ich dachte ja auch, ich wäre von Ihnen manipuliert worden. Das hatte nicht nur meinen Stolz verletzt. Ich hatte mich dazu gebracht, an Sie zu glauben … und mich für Sie zu interessieren.«

Geary schüttelte abermals verblüfft den Kopf. »Mögen Sie mich tatsächlich, Madam Co-Präsidentin?«

Rione sah an die Decke, als erbitte sie Hilfe von oben. »So fähig Sie darin sind, diese Flotte zu führen, so unfähig sind Sie, die Gefühle anderer Menschen zu deuten. Ich mag Sie schon seit einer ganzen Weile, Captain. Ich wäre nicht so außer mir gewesen, als ich Ihnen einen Verrat unterstellte, wenn Sie mir nicht bereits so viel bedeutet hätten — und das, obwohl meine Instinkte mich vor Männern wie Ihnen warnen. Meine Instinkte, die mir sagen, dass man Ihnen nicht vertrauen kann und dass Sie es nicht ehrlich meinen können.«

Er fragte sich, ob ihm seine Verwirrung wohl anzusehen war. »Sie vertrauen mir nicht, aber Sie mögen mich?«

»Ja. Ich werde Black Jack Geary niemals vertrauen«, erklärte sie und grinste ihn aus irgendeinem Grund ironisch an. »Aber ich kann John Geary gut leiden. Jedenfalls dann, wenn er mich nicht in den Wahnsinn treibt. Wer von beiden sind Sie?«

»John Geary, hoffe ich, Madam Co-Präsidentin.«

»Madam Co-Präsidentin? Ist das alles, was ich für Sie bin? Wenn Ihnen irgendetwas an mir liegt, wenn Sie mich als eine Freundin ansehen, dann nennen Sie mich wenigstens Victoria, John Geary!«

Wieder konnte er sie nur anstarren. »Wenn mir etwas an Ihnen liegt? Das tut es. Erst als ich eine Weile auf Ihre Gesellschaft verzichten musste, wurde mir deutlich, wie sehr ich mich bereits an Sie gewöhnt hatte.«

»Ich warte.«

»Victoria.«

»Na, bitte, es geht doch. Und wehgetan hat es auch nicht, oder?«

Lachend setzte er sich hin. »Doch, sehr sogar.«

»Versuchen Sie es noch mal. Mit der Zeit werden Sie sich daran gewöhnen.«

Er musterte sie und versuchte herauszufinden, was Rione vorhatte. »Also gut. Victoria.«

Sie setzte sich neben ihn und schaute ihn ernst an. »Sie sind nicht der einzige einsame Mensch in dieser Flotte, John Geary. Sie sind nicht der Einzige, der Trost braucht und sich dafür nur an wenige Menschen wenden kann.«

»Das weiß ich. Aber ich wusste nur von meinen eigenen Gefühlen. Es hat mir gefehlt, Sie zu sehen und mit Ihnen zu reden.«

»Warum haben Sie mir das nie gesagt?«

Er schüttelte den Kopf und lächelte wehmütig. »Den Grund kennen Sie so gut wie ich. Abgesehen von der Tatsache, dass Sie gar nicht mit mir reden wollten, bin ich immer noch der Befehlshaber dieser Flotte. Ich kann mit niemandem in einer Form Umgang haben, die nichts mit meinem Dienst zu tun hat, außer ich weiß genau, dass derjenige es so will. Ich besitze zu viel Macht, als dass es anders sein könnte, selbst wenn jede mir unterstellte Person nicht schon aus anderen Gründen tabu wäre.«

»Und jede Person in dieser Flotte ist Ihnen unterstellt«, gab Rione zurück. »Außer einer. Ich bin nicht tabu.«

»Nein, aber … nicht mal Sie können vergessen, welche Macht ich besitze. Niemand kann mich anschauen und dabei nur mich als Menschen sehen. Jeder sieht in mir nur den Flottenbefehlshaber. Jeder sieht in mir jemanden, der die anderen für seine Zwecke missbrauchen kann. Und ich muss um jeden Preis vermeiden, dass der Eindruck entsteht, ich würde so etwas machen. So ist es nun mal.«